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Pressestimmen von Samstag, 11.9.2004

Ulrike Quast10. September 2004

Gedenken an den 11. September / Haushaltsdebatte im Bundestag / Polnische Forderung nach Kriegs-Entschädigung

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Im Blickpunkt der Kommentatoren deutscher Tageszeitungen steht an diesem Samstag der Jahrestag des 11. September 2001. Weitere Schwerpunkte unter den zahlreichen Kommentarthemen des Tages sind der Abschluss der Haushaltsdebatte im Bundestag und die Aufforderung des polnischen Parlaments an die Regierung in Warschau, Deutschland zu einer Kriegs-Entschädigung aufzufordern. Drei Jahre nach den Anschlägen in New York und Washington schreibt die OSTTHÜRNGER ZEITUNG aus Gera:

'In Europa ist nie richtig begriffen worden, wie sehr der 11. September in den USA nachwirkt, wie sehr er das politische Denken und die Weltsicht der Amerikaner prägt und welchen Einfluss er auf die Irak-Debatte hat, obwohl doch längst bewiesen ist, dass Saddam Hussein nichts mit den Anschlägen und El Kaida zu tun hatte. Am Tag der Anschläge, fühlten sich die Europäer den Amerikanern in ihrem Schock und ihrer Trauer zwar sehr nahe. Doch anders als in Europa hat dieser Schock in Amerika nicht nachgelassen. Es ist die Wechselwirkung zwischen Schock und thematischer Fixierung, die die kollektive Traumatisierung der Amerikaner am ehesten zu erklären vermag.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN meinen:

'Der Terror hat die Welt verändert. An allen Fronten. Das Misstrauen der westlichen Welt gegenüber dem politischen Islam wächst weiter. Fundamentalistische Gruppen machen ihren Glauben zum Synonym für Fanatismus und Barbarei. Und die friedlichen Muslime schweigen. Immer mehr Demokratien antworten auf die Terrorgefahr mit der Einschränkung von Bürgerrechten - und schaffen so neue Probleme. Mittlerweile erklären 58 Prozent der Europäer die Führungsrolle der USA in der Weltpolitik für unerwünscht. Das ist weit mehr als eine politische Zwischenbilanz oder Bushphobie. Denn die entscheidende Frage, die sich immer drängender - immer hilfloser formuliert - stellt, lautet: Was ist im Kampf gegen den Terror erlaubt?'

Im HAMBURGER ABENDBLATT heißt es:

'Drei Jahre danach ist 'Nine Eleven' das Wahlkampfthema Nummer eins, und US-Vizepräsident Dick Cheney erklärt öffentlich, dass die Wähler Gefahr laufen, eine Zweitauflage dieses Terroranschlages zu erleben, wenn sie für den Demokraten John Kerry stimmen. Drei Jahre danach ist der Hauptschuldige der Anschläge, Osama bin Laden, immer noch auf freiem Fuß.'

Die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel ist der Ansicht:

'Europa hat sich aus der Schockstarre des 11. Septembers befreien können. Das mythische Datum veränderte unser Denken nicht wirklich. Vielleicht, weil wir eben doch nur Zuschauer, nicht aber Betroffene waren. Niemand weiß jedoch, welche Fesseln fallen, wenn wir selbst zu Opfern werden. Am besten bliebe uns eine solche Erfahrung erspart. Doch das ist eine sehr vage Hoffnung.'

Zum Abschluss der Haushaltsdebatte meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Pausenzeichen statt Aufbruch: Gegen Ende einer ohnehin ziemlich belanglosen Haushaltswoche des Bundestags haben am Freitag die Bildungspolitiker vorgeführt, wie unwichtig sie derzeit sind. Denn sie haben sich lagerübergreifend nicht getraut, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit offen anzusprechen. Das hätte bedeutet, den Bund-Länder-Streit über die Kompetenzen offen auszutragen, klar zu machen, wie fatal es wäre, wenn die Bundesebene aus der Bildungspolitik zurück gedrängt würde. ... Wo immer zuletzt etwas Bewegung ins festgefahrene Bildungswesen kam, gingen Anstöße dazu von Berlin aus. Da wäre es nicht schlecht, wenn es eine Bundesministerin gäbe, die diesen Anspruch auch ganz offensiv formulieren würde - denn noch mehr Kleinstaaterei bei der Bildung braucht dieses Land wahrlich nicht.'

Abschließend ein Blick in die Tageszeitung DIE WELT, die sich mit der Entschädigungsforderung des polnischen Parlaments befasst:

'Es ist nun einmal eine Tatsache, dass die polnische Hauptstadt durch fünf Jahre deutscher Besatzung und durch den Holocaust etwa so viele Menschen verloren hat wie ganz Frankreich. Jetzt erinnert das polnische Parlament daran, dass die Zerstörungen des Krieges nie wieder gutgemacht worden seien und fordert von Warschau, 'in dieser Sache angemessene Schritte' gegenüber Deutschland zu unternehmen. ... Offenbar hat die Befürchtung von Millionen Polen, wegen 60 Jahre alter Ansprüche ihr Wohnrecht in den eigenen Häusern zu verlieren, den Stimmungsumschwung bewirkt. Es bleibt zu hoffen, dass die polnische Regierung daran festhält, die Ansprüche beider Seiten für gegenstandslos zu halten.'