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Pressestimmen von Samstag, 13. Mai 2006

Reinhard Kleber12. Mai 2006

Tarifverhandlungen für Ärzte / Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst

https://p.dw.com/p/8T2D

Zwei Themen beschäftigen diesmal die Kommentatoren der deutschen Tagespresse: Zum einen das abermaligen Scheitern der Tarifverhandlungen für die Ärzte, zum anderen die Affäre um Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst.

Kommen wir zunächst zum BND. Das Parlamentarische Kontrollgremium will sich schon nächste Woche in einer Sondersitzung mit Vorwürfen befassen, wonach der Dienst in den neunziger Jahren weit mehr Journalisten bespitzelt haben soll als bisher bekannt. Eine Affäre also, bei der die Kommentatoren der deutschen Tagespresse mit der Zunge schnalzen.

So zum Beispiel die TAGESZEITUNG aus Berlin, die betont:

"Die Kontrolle der staatlichen Organe durch die Presse ist schwierig genug. Da muss wenigstens gesichert sein, dass nicht auch noch angeheuerte Spitzel Misstrauen sähen oder Fehlinformationen streuen. In diesem Rahmen muss ein besserer Schutz der Quellen von Journalisten her. Gespeicherte Telefonverbindungen oder Razzien bei Medien zur Ermittlung von Informanten müssen ein Ende haben. Das ist durch eine Gesetzesänderung einfach zu schaffen. Schwieriger wird es, die mangelhafte Kontrolle der Geheimdienste zu verbessern. Hier steht das Parlamentarische Kontrollgremium seit vielen Jahren auf verlorenem Posten."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE gibt zu bedenken:

"Mit Sicherheitsgefährdung hätte es jedenfalls nichts zu tun, wenn wahrlos Journalisten als Pullacher Spürhunde gehalten worden sein sollten. Das Parlamentarische Kontrollgremium wird sich damit sicherlich mit gebotener Diskretion befassen; vielleicht auch mit dem Skandälchen im Skandal, daß offenbar alles, was in Berlin geheim behandelt werden sollte, nur den Weg in dieses Gremium finden muß, um alsbald veröffentlicht zu werden."

Für die NÜRNBERGER ZEITUNG ist nun die BND-Spitze gefragt:

"Der jetzigen BND-Führung, die in diesen Tagen mit großem Tam-Tam das Fünfzigjährige der Organisation zelebriert hat, ist die Affäre peinlich. Doch es genügt nicht, die Schuld einem "übereifrigen Observationstrupp" zuzuschieben und zu behaupten, man habe sich doch inzwischen mit den Betroffenen ausgesprochen. Hier handelt es sich nicht um schützenswerte Geheimnisse - der Skandal muss aufgeklärt werden und zwar öffentlich, nicht hinter verschlossenen Türen des Parlamentarischen Kontrollgremiums."

Der Kommentator des BERLINER KURIERS merkt an:

"Vieles erinnert peinlich an Stasi-Methoden. Redakteure in Redaktionen werden ausspioniert. Den BND interessiert (was ihn überhaupt nichts angeht), woran sie arbeiten. Im Zwielicht wird Pressefreiheit beschnitten, klammheimlich. Noch unappetitlicher ist, dass Kollegen Kollegen beschnüffelten. Einige nahmen sogar Geld. Die Spekulation, dass alles schön unter der Geheimdienstdecke bleibt, ging nicht auf. Durch demokratische Kontrolle flog alles auf. Das ist der Unterschied zur Stasi. Betroffene können sich wehren. Nun stehen Schlapphüte und Zuträger im grellen Licht, das sie so scheuen."

Und nun zu unserem zweiten Kommentarthema:

Nach dem erneuten Scheitern der Tarifgespräche müssen sich die Patienten an Unikliniken und Landeskrankenhäusern auf eine Notfallversorgung einstellen. Der Chef der Ärztegewerkschaft, Montgomery, kündigte eine Verschärfung der Streiks an. Ein gefundenes Fressen für die Leitartikler der deutschen Zeitungen.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU merkt dazu an:

"Keiner kann ein Interesse daran haben, die Kliniken in den finanziellen Ruin zu treiben auch die Ärzte nicht. Daher werden sich Ärzte wie Länder bewegen müssen. Taktische Tricks verschärfen die Lage nur. Die Drohung des TdL-Chefs Hartmut Möllring, jetzt mit Verdi auch die Gehälter der Ärzte auszuhandeln, kann angesichts der paar Mediziner in der Dienstleistungsgewerkschaft nicht ernst gemeint sein. Und der von Marburger Bund-Chef Frank Ulrich Montgomery angedeutete Abschluss mit einzelnen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg würde die Verhandlungen mit dem armen Rest nur schwieriger machen."

Der MANNHEIMER MORGEN wundert sich vor allem über die Verhandlungsführung:

"Die Klinikärzte haben allen Grund, über miese Bezahlung und unzumutbare Arbeitsbedingungen zu klagen. Die Haltung, dass junge Mediziner eben schuften müssen, aber später mit eigener Praxis ihr vieles Geld auf dem Golfplatz verjubeln können, verkennt die Realität im Gesundheitssystem. Das jüngste Angebot der Arbeitgeber lag laut Länder-Verhandlungsführer bei 16 Prozent, doch der Marburger Bund beziffert den offerierten Einkommensanstieg mit einem Prozent. Das hört sich an, als würden die einen auf Kisuaheli verhandeln und die anderen auf Finnisch. Wenn beide sich nicht mal über Zahlen verständigen können, die vor ihnen auf dem Tisch liegen, wie wollen sie da jemals einen Tarifabschluss schaffen?"

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG beleuchtet dagegen die Folgen für Patienten und Krankenhäuser:

"Nun gibt es nicht nur Uni-Kliniken in Deutschland, und da, lieber Patient, könnten Sie auch hingehen, wenn Sie nicht warten wollen, bis sich die Ärzte und die Länder vielleicht doch noch geeinigt haben. Für die Kranken ist diese Feststellung sicher eine gewisse Beruhigung, den Verantwortlichen der Universitätskrankenhäuser dürfte der Gedanke eher unangenehm sein. Jede Klinik nämlich verliert pro Streiktag zwischen 250 000 und 600 000 Euro, hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft ausgerechnet, dazu kommt der Imageschaden, der weit in die Zukunft reichen dürfte."

Zum Schluss zitieren wir das BADISCHE TAGBLATT, das vor einer Privatisierungswelle warnt:

"Kippt die öffentliche Stimmung gegen die Ärzte, werden die Länder das vermutlich für ganz andere Zwecke nutzen. In diesem Klima könnten sie dann eine Privatisierung von Unikliniken ohne größeren Widerstand durchsetzen. Schon heute gehört ausgerechnet die Uniklinik Marburg, deren Ortsbezeichnung die Gewerkschaft im Namen trägt, zum Klinikum Gießen-Marburg. Und das ist bereits vom Land Hessen an einen privaten Betreiber verkauft worden."