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Pressestimmen von Samstag, 14. Juni 2003

Zusammenstellung: Gerhard M. Friese13. Juni 2003

EU-Verfassungsentwurf / Vorziehen der Steuerreform

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Die Einigung des EU-Konvents über einen Entwurf für eine Verfassung der Europäischen Union und die grundsätzliche Bereitschaft von Bundesfinanzminister Hans Eichel, unter bestimmten Bedingungen die dritte Stufe der Steuerreform um ein Jahr vorzuziehen, bestimmen an diesem Samstag die Kommentarseiten deutscher Tageszeitungen.

Die Einigung im EU-Konvent kommentiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Manche Bestimmungen über das neue Institutionengefüge wirken wenig praktikabel, jedenfalls werden sie die politischen Abläufe und Entscheidungen in Brüssel weder transparenter noch demokratischer machen. Vor allem aber kann man daran zweifeln, ob die politische Entwicklung in einer künftig dramatisch vergrößerten EU nicht die Vorstellungskraft auch der klügsten Versammlung übersteigt. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass Rufe nach einer neuerlichen Verfassungsreform bereits aufkommen werden, bevor dieser Vertrag in Kraft treten kann. All diese Einwände sind jedoch kein ausreichender Grund, den Entwurf abzulehnen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Gescheitert ist der Konvent beim Versuch, bei Beschlüssen zum Steuerwesen und in der Außen- und Sicherheitspolitik nationale Vetos abzuschaffen und zumindest ansatzweise zu Mehrheitsentscheidungen überzugehen. Man kann das zu Recht beklagen, aber sich wohl auch nicht der Einsicht erwehren, dass das Europa der demnächst 25 für solche Sprünge einfach noch nicht reif genug ist. Der größte Erfolg der Reformer um Giscard aber ist, dass sie es vermieden haben, nur Bausteine für eine Verfassung vorzulegen und damit Beliebigkeit zu produzieren."

Skeptisch äußert sich auch die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt:

"Mit knapper Not kann die Union somit gerade noch vor ihrer größten Erweiterung um gleich zehn neue Mitglieder mit den unverzichtbaren Umbauten beginnen. Vorausgesetzt, dass trotz des Zeterns von Spanien, Österreich und Polen über zu geringe Stimmrechte die für Ende des Jahres in Rom angesetzte Regierungskonferenz die Zustimmung erteilt. Geschaffen wurde nicht nur eine neue Sitzordnung der Tafelrunde. Die westeuropäische Union formt sich zunehmend zu einer europäischen."

Der in Bamberg erscheinende FRÄNKISCHE TAG hebt hervor:

"Der Triumph des Konvents liegt darin, dass 105 Vertreter aus 28 Nationen und quer durch die politischen Lager ihre Arbeit im Konsens beendeten. Ein Vermächtnis, an dem auch die 'Chefs' auf ihrem EU-Gipfel in der nächsten Woche kaum vorbeikommen dürften."

Themenwechsel: Viele haben das Vorziehen der Steuerreform gefordert. Doch jetzt, wo Finanzminster Hans Eichel sich grundsätzlich dazu bereit erklärt hat, wird Kritik laut. So schreibt die Berliner Zeitung DIE WELT:

"Politisch ist das ein geschickter Schachzug. ...Ökonomisch ist das Signal jedoch fatal. Schon jetzt herrscht bei Bürgern und Unternehmen große Unsicherheit. Wer nicht weiß, was auf ihn zukommt, bringt sein Geld lieber zur Bank. Diese Unsicherheit wird durch Eichels Ankündigungen eher noch verstärkt... Zu oft schon hat Rot-Grün Versprechen gebrochen. Das Vertrauen ist hin. Doch genau das ist entscheidend. Schließlich sind 50 Prozent der Konjunktur Psychologie."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN merken an:

"In diesem stürmischen Klima Kurs zu halten, darin besteht die politische Führungskraft, die heute notwendig ist. Noch hat die Koalition diese nicht bewiesen. Aber sie ist dabei, in eine Richtung einzuschwenken, in der sie das Land voranbringen kann. Das allein reicht nicht - und ist doch mehr, als man noch vor kurzem erwarten durfte."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN nehmen auch die Opposition in die Pflicht:

"Eichels Reihenfolge ist die richtige: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Erst muss die viel beschworene Agenda 2010 unter Dach und Fach sein. Erst müssen Subventionen durchforstet und Ausgabenpläne durchkämmt sein: Dann dürfen die Früchte verteilt werden. Die Opposition darf dabei wegen ihrer Schlüsselrolle im Bundesrat nicht abseits stehen."

In die gleiche Richtung argumentiert die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU aus Dortmund:

"Die Versuchung ist groß, Rot-Grün wursteln zu lassen und sich in den Umfragewerten zu sonnen. Eine Opposition, die sich auf Blockade einrichtet und nur taktische Pflichtfiguren fährt, um ihr Nichtstun zu ummänteln, wird damit allerdings auch beim Wähler keine Gnade finden."