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Pressestimmen von Samstag, 17. Dezember 2005

Susanne Eickenfonder16. Dezember 2005
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Der Streit und das Gezerre beim EU-Gipfel über den künftigen Haushalt haben die Kommentatoren der deutschen Tagespresse dazu veranlasst, sich allgemein Gedanken über den Zustand der Europäischen Union zu machen. Ein weiteres Thema ist die positive Stimmung in der deutschen Wirtschaft.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU blickt in Richtung EU und kommt zu dem Schluss:

"Die EU kann als Erfolgsmodell nur dann überleben, wenn es gelingt, den Binnenmarkt sozialverträglich zu gestalten. Auch dafür ist, neben Geld, die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zu mehr und nicht zu weniger Zusammenarbeit und Solidarität gefordert.....Mit der EU-Verfassung war Europa auf dem Weg dorthin, der Finanzstreit in Brüssel zeigt, wie weit dieser Weg noch ist, wenn er denn überhaupt noch beschritten wird."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN schreiben:

"Das Hauen und Stechen um Briten-Rabatt und Bauernhilfen dürfte ein bitterer Vorgeschmack auf künftige Verteilungskämpfe sein, sollte sich der EU-Betrieb nicht eine verlässlichere eigene Finanzquelle verschaffen. Obwohl der Ruf nach einer 'Europa-Steuer' Abwehrreflexe bei allen Gegnern immer neuer Abgaben hervorruft - es könnte sinnvoll sein, bestimmte Bereiche wie den Flugverkehr oder internationale Finanzgeschäfte mit einer speziellen EU-Gebühr zu belegen. Das Geschacher um den Haushaltsrahmen 2007 bis 2013 jedenfalls zwingt zu neuem Nachdenken."

Das MINDENER TAGEBLATT konstatiert:

"Die Gemeinschaft hat sich mal wieder präsentiert als ein Haufen ums Geld zankender Egoisten. Was ja durchaus rationale Interessenpolitik und zweifellos im Interesse der jeweils vertretenen Steuerzahler ist, vor denen man sich mit heftigem Basargeschachere ergo erfolgreich profilieren kann. Das Dumme ist nur, dass solche EU-Politik für die heimische Galerie nicht geeignet ist, den Bürgern der Gemeinschaft den Blick für den tieferen Sinn der ganzen Veranstaltung zu öffnen, die eben doch ein wenig mehr als Zuckersubventionen und gemeinsame Normen für Bürostühle bedeutet."

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE bilanziert:

"Im Finanzstreit der vergangenen Tage wird der eigentliche Kern des Problems deutlich. Die EU konnte und wollte sich nie entscheiden, wo die europäische Integration münden soll: In einem supranationalen Staat oder einem loseren Freihandelsverbund."

Abschließend noch die LANDESZEITUNG aus Lüneburg, die darauf verweist:

"An Sonntagsreden hat es nicht gemangelt, als die EU sich von 15 auf 25 Mitgliedsstaaten erweiterte...Die finanziellen Folgen sind indes erheblich -- zum Nulltarif ist diese Erweiterung nicht zu haben. Und es geht nicht allein ums Geld, sondern vielmehr um einen Akt europäischer Solidarität mit den Volkswirtschaften, die in den Jahrzehnten hinter dem Eisernen Vorhang ganz nach Plan ihrem Ruin entgegenstrebten. Vor diesem Hintergrund mutet es umso beschämender an, dass die reichen Nationen Europas stur auf ihren Erbhöfen sitzen."

Themenwechsel. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist so gut wie seit Jahren nicht mehr. 7.000 befragte Unternehmen schätzen ihre Lage derzeit deutlich günstiger ein als noch im November.

Die SÜDWESTPRESSE in Ulm schreibt:

"Die deutsche Wirtschaft macht sich mit Elan auf die letzen Meter des Jahres 2005. So viel Zuversicht wie im Dezember war seit fünf Jahren nicht mehr. Unternehmer und Manager haben ganz augenscheinlich längst ihren Frieden mit Schwarz-Rot gemacht. Die Chancen stehen gut, dass sich jetzt endlich der seit Jahren auch aus Frust über die politisch blockierte Republik aufgestaute Investitionsbedarf im Inland Bahn bricht und der Konjunktur zu einem zweiten Standbein neben dem weiter glänzend laufenden Export verschafft. Auch der zuletzt kräftig gestiegene Auftragseingang deutet in diese Richtung."

Die ABENDZEITUNG in München notiert:

"Es deutet viel darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft aus dem Tal kommt - zumindest 2006. Damit mehr daraus wird, muss aber noch mehr passieren: Die Regierung muss die Reformen vorantreiben. Die Firmen müssen wieder Leute einstellen und nicht nur entlassen. Die Verbraucher - wir alle - müssen wieder zuversichtlicher werden. Machen wir also den Anfang: Es gibt eine gute Nachricht - freuen wir uns einfach darüber."

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn weist darauf hin:

"Nur wenn die Unternehmen von ihrem Sparkurs abrücken, steigen die Chancen auf einen wirklichen Aufschwung. Dann folgen - so zumindest die Theorie - Einstellungen, die Gehälter steigen, und endlich würden auch die derzeit so zögerlichen Verbraucher wieder Geld ausgeben. Viel Zeit bleibt für eine solche Entwicklung nicht. Bis 2007 sollte die Wirtschaft Fahrt aufgenommen haben, denn dann droht die Mehrwertsteuererhöhung als Dämpfer."

Abschließend noch die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam, die die Lage weitaus pessimistischer bewertet. Zitat:

"Für Euphorie ist es zu früh. Zum einen ist unklar, wie lange diese neue Zuversicht wirklich dauert. Denn 2006 wird ein Konsumschub erwartet, der im Jahr darauf mit der Mehrwertsteuererhöhung wieder vorbei sein könnte. Zum anderen bleibt abzuwarten, ob der Aufschwung wirklich hilft, das größte Problem in Deutschland zu lösen: die Massenarbeitslosigkeit. Denn während Firmenchefs ihre Lage immer besser beurteilen, geben sie bislang eher an, noch Jobs abbauen zu wollen, als neu einzustellen. Erst wenn die Konjunkturerholung wirklich zu einem Arbeitsplatzwachstum führt, darf die Regierung mit sich zufrieden sein."