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Pressestimmen von Samstag, 17. Juni 2006

Frank Wörner 16. Juni 2006

Erhöhung der Mehrwertsteuer / Tarifabschluss für Klinik-Ärzte

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Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent von Januar 2007 an und der Tarifabschluss für die Klinikärzte stehen im Blickpunkt der Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen.

Die Zeitung DIE WELT sich mit der Mehrwertsteuererhöhung:

"Die große Koalition hat ihren ersten Superlativ; stolz macht er nicht. Nach gut sechs Monaten im Amt steht Schwarz-Rot für die größte Steuererhöhung in Deutschland seit 1949. Es ist das Geschäft zweier taumelnder Riesen zu Lasten eines anonymen Dritten, zu Lasten des Bürgers."

Die BERLINER ZEITUNG gibt zu bedenken:

"Nicht widersprechen könnte man einer Mehrwertsteuererhöhung, wenn im Gegenzug direkte Steuern wie etwa die Einkommensteuer deutlich sinken würden. Noch besser wäre die ganze Sache, wenn das Steuersystem völlig überholt würde und viele unerklärliche Ausnahmetatbestände beseitigt würden. Weil hiervon jedoch nicht die Rede ist und die Bundesbürger stattdessen mit einer wirkungslosen Reichensteuer, steigenden Gesundheitskosten und nur mäßig sinkenden Sozialbeiträgen beglückt werden, erschöpft sich der Sinn dieser Mehrwertsteuer allein im Stopfen von Haushaltslöchern. Das reicht nicht."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam merkt an:

"Mit der Zustimmung des Bundesrates ist eine der dreistesten Wählertäuschungen besiegelt worden. Der Redlichkeit halber wird man schon noch einmal daran erinnern müssen, dass die SPD vor der Wahl wortreich den Eindruck zu erwecken suchte, sie sei gewissermaßen das Bollwerk gegen die dreisten Reformvorhaben der Union und vor allem gegen die 'Merkel-Steuer'. Inzwischen hat sich die deutsche Öffentlichkeit still in das Draufzahler-Schicksal gefügt und hofft, dass die Dinge schon irgendwie gut werden."

Ähnlich äußert sich die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg:

"Aus der kleinen, mit zwei Prozent überaus bescheidenen 'Merkel-Steuer' des letzten Wahlkampfes ist das größte Bürger-Abkassierprogramm der jüngeren Geschichte geworden. Motto: Große Koalition, große Ansprüche. Und längst hat die Regierung auch ihre beiden wichtigsten Ziele verraten: 1. massiv zu sparen, und 2. höhere Einnahmen überwiegend zur Senkung der Arbeitskosten einzusetzen."

Der SCHWARZWÄLDER BOTE konstatiert:

"Die Zeche zahlen vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen, weil die ihr Geld in den Konsum stecken müssen und nur wenig oder nichts auf die hohe Kante legen können. Geringverdiener, die ihren Lebensstandard halten wollen, müssen sogar ihr Erspartes angreifen, warnt die Bundesbank. Traurig, traurig: Das zarte Pflänzchen des Aufschwungs, auf das wir uns so gefreut hatten, wurde jetzt in Berlin mutwillig zertreten."

Und schließlich fragt die THÜRINGER ALLGEMEINE:

"Kann der Staat nun mit all dem besser haushalten? Noch lange nicht. Es ist bereits ausgemacht zwischen beiden Regierungsparteien, dass die Gesundheitsreform nochmals große Brocken für den Bürger bereit hält."

Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf befasst sich mit dem Tarifabschluss für die Klinikärzte:

"Endlich ist Schluss. Der Tarifkonflikt zwischen Ärzten und Ländern ist beendet. Jetzt hat der Marburger Bund einen ärztespezifischen Vorzeige-Abschluss durchgedrückt. Die Uniärzte können damit sehr gut leben. Wie und ob die Kliniken die Einnahmeverluste kompensieren können - etwa mit Stellenstreichungen - wird sich zeigen."

Die OLDENBURGISCHE VOLKSZEITUNG aus Vechta merkt an:

"Der Abschluss hat eine Kehrseite: Die Verbesserungen für die Mediziner kosten Geld. Es ist das Geld der Steuerzahler, denn der Staat hat längst keines mehr. Deshalb befürchten viele Bürger kräftige Beitragserhöhungen, die die hohe Abgabenlast noch verstärken."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG heißt es:

"Alle können aufatmen: die Patienten, weil Operationen nicht mehr verschoben werden; die Kliniken, weil sie deshalb keine Einnahmen mehr verlieren; selbst die Fußballbegeisterten, die sich schon um das Bild Deutschlands während der WM sorgten. Hätten andere Charaktere am Verhandlungstisch gesessen, wäre eine Einigung womöglich schon früher gelungen."

Skeptisch äußert sich der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth:

"Beglichen werden die Gehaltserhöhung der Ärzte hoffentlich nicht durch Einsparungen beim Pflegepersonal. Die Zeche bezahlen werden Krankenkassen und Klinikträger, also am Ende wir alle. Als Gegenleistung können wir aber verlangen, dass uns im Krankenhaus Ärzte behandeln, die nicht ausgequetscht werden wie eine Zitrone."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG sieht die Probleme noch nicht gelöst:

"Die chronische Unterbezahlung und Überforderung speziell junger Ärzte wird trotz der Einigung nicht beendet. Mehr noch: Alles ist in Wahrheit nur vertagt, die nächsten Ärzte-Streiks sind programmiert. Ungelöst bleiben die gewaltigen Probleme unseres Gesundheitswesens - so lange die Politik eine echte Reform verweigert."

Einen anderen Akzent setzt der MANNHEIMER MORGEN:

"Die Länder haben sich blamiert. Ihre zerstrittene Tarifgemeinschaft ist offenkundig nicht in der Lage, solche Konflikte in angemessener Form zu lösen. Mehrmals war man sich auf Expertenebene einig. Doch die politische Spitze mit dem sturen Niedersachsen Möllring setzte sich darüber hinweg."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München unterstreicht die grundsätzliche Bedeutung des Abschlusses:

"Der Kompromiss war überfällig, sollten die Patienten nicht noch mehr belastet und die Universitätskliniken in den Ruin getrieben werden. Und dieser Kompromiss ändert nichts daran, dass der Marburger Bund einen großen Erfolg errungen hat: Er ist seit diesem Freitag eine anerkannte Ärzte-Gewerkschaft mit einem eigenen Tarifvertrag."