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Pressestimmen von Samstag, 17. März 2007

Marko Langer16. März 2007

Merkel in Polen

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Bundeskanzlerin Merkel hat sich bei ihren Gesprächen in Warschau bemüht, die zuletzt angespannten deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern. Außerdem warnte die Kanzlerin vor einem Scheitern der europäischen Verfassung. Dies ist das zentrale Kommentarthema in den deutschen Zeitungen.

Die BERLINER ZEITUNG meint:

"Die Chancen für eine deutsch-polnische Verständigung stehen letztlich längst nicht so schlecht, wie es derzeit den Anschein hat. Das Leben ist schneller als die Politik. In den alltäglichen Beziehungen von Deutschen und Polen herrscht weitgehend Normalität. Bislang strahlt diese Normalität leider zu wenig auf die große Politik aus."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock erläutert:

"Differenzen gibt es vor allem bei der EU-Verfassung und dem Aufbau einer US-Raketenabwehr in Polen. Warschau hält letztere für eine allein bilaterale Sache, Berlin für eine, die die gesamte Nato angeht. Polen wird nun hier und da vorgeworfen, sich am Busen der EU zu nähren, sich aber nur im Schoß Amerikas auch sicher zu fühlen."

In der WESTFALENPOST aus Hagen ist zu lesen:

"Zwischen Deutschland und Polen gab es einvernehmlichere Phasen im vereinten Europa. Unsere Nachbarn im Osten sind in der Vergangenheit oft geteilt und besetzt worden. Eine leidvolle Geschichte, die sie verinnerlicht haben. Deshalb sind sie auf der Hut, um nicht zum Spielball ökonomischer Interessen anderer Mächte zu werden. Stichwort: deutsch-russische Pipeline. Präsident und Ministerpräsident, die Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski, haben dabei aus ihrer unmittelbaren Umgebung einen Ton anschlagen lassen, der in den Bereich anmaßend rückte. Dass auf deutscher Seite im Vorfeld die Vertriebenen-Präsidentin Steinbach mit ihren Vorstellungen die Polen aufs Neue reizte, machte die Mission der Bundeskanzlerin nicht leichter."

Die Zeitung DIE WELT konstatiert:

"Anders als die Regierungschefs, die auf 'altem' EU-Territorium aufgewachsen sind, ist Merkel mit dem östlichen Nachbarn vertraut, und das seit Jahrzehnten. Daran hat sie angeknüpft, als sie sagte, ihr Lebensweg wäre anders verlaufen ohne die Solidarnosc-Bewegung, in der auch ihr Gastgeber Lech Kaczynski tätig war. Und dennoch stößt Frau Merkel, dem herzlichen Empfang in der Warschauer Universität zum Trotz, bei Polens Regierenden auf Vorbehalte."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER analysiert:

"Der Einsatz der Bundeskanzlerin ist nicht von taktischen Finessen bestimmt. Er zielt direkt auf Polens Herz und Verstand. Es ist der überfällige Versuch, das bilaterale Verhältnis aus dem Sumpf zäher Streitigkeiten heraus wieder auf sicheren Grund zu führen. Wenn die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ein Erfolg werden soll, müssen Polen und Deutsche ihren Zwist begraben. Dafür bleiben der Bundeskanzlerin nur wenige Monate. Genau deshalb war es richtig, sich für ihre Gespräche in Polen so viel Zeit zu nehmen."

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt fragt:

"Gibt es ein gespanntes Verhältnis mit Polen? Wohl eher eines mit dessen nationalkonservativer Regierung. Und das haben - wenn man den Umfragen folgt - auch viele Polen. Auf neue Wahlen kann Angela Merkel im Doppelamt von Kanzlerin und EU-Ratspräsidentin aber nicht warten. Leicht ist es nicht, mit den Kaczynskis auf einen Nenner zu kommen. Sie scheinen in einer anderen Zeit zu leben mit ihren Großmachtansprüchen, dem Fordern nach der Todesstrafe oder der Verfolgung Homosexueller."

Der MANNHEIMER MORGEN kommentiert:

"Deutsche wie Polen dürfen nicht länger zulassen, dass einige wenige Ewiggestrige auf beiden Seiten das Verhältnis vergiften. Es ist grotesk, wie fremd sich die Nachbarn im zusammen wachsenden Europa geblieben sind. Auch die in Polen verhasste Vertriebenen- Chefin Erika Steinbach kann durchaus differenzieren. Umso unerklärlicher, warum sie nun wieder Öl ins Feuer gießt und die Kaczynski-Koalition mit der NPD vergleicht."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG merkt an:

"Als Diplomatin hinterließe Erika Steinbach wohl häufiger große Scherbenhaufen. Aber wenn die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die auch Menschenrechtsbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag ist, zu dem Schluss kommt, in Polen hätten derzeit 'Politiker mit zum Teil skandalösen Positionen das Sagen', kann ihr nicht ernsthaft widersprochen werden. Vergleiche der polnischen Regierungsparteien mit der NPD sind unglücklich. Das Sündenregister der in Warschau regierenden Kaczynski-Brüder aber ist beachtlich: Vertreter der Regierungsparteien schleudern Verbalinjurien gegen Homosexuelle oder Juden. Der der deutsch-polnischen Versöhnung dienende Jugendaustausch wird behindert und Stimmungen gegen das Nachbarland werden geschürt."

In der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg heisst es:

"Es ist fraglich, ob die Kaczynski-Zwillinge, die mit ihren nationalistischen und anti-deutschen Tönen bei den polnischen Wählern bislang punkten konnten, überhaupt den echten Willen haben, ein besseres Verhältnis zu Deutschland aufzubauen. Zudem zeigt sich beim Streit um den Aufbau des US-amerikanischen Raketenabwehrschildes in Polen und Tschechien erneut der Graben, der zwischen den west- und osteuropäischen Ländern noch immer existiert. Im Zweifel wenden sich die früheren komunistischen Staaten lieber dem 'großen Bruder' USA zu als dem vereinten Europa."