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Pressestimmen von Samstag, 19. Juni 2004

Redaktion hatte Helmut Schmitz. 18. Juni 2004

Döring-Rücktritt / SPD-Krise / D-Sicherheit

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Die Rücktrittserklärung des führenden FDP-Politikers Walter Döring und die Krise in der SPD sind vor allem die Themen der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen. Auch der politische Streit um die Sicherheitsgesetze in der Bundesrepublik wird an diesem Samstag kommentiert.

Zur Döring-Affäre schreibt der Bonner GENERAL-ANZEIGER:

'Mit Walter Döring verliert die FDP einen ihrer bundesweit bekanntesten Köpfe, von denen es in den Reihen der Liberalen nicht sonderlich viele gibt. Der baden-württembergische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident stolperte über eine Affäre, die in der Öffentlichkeit bisher keine großen Wellen geschlagen hat. Misstrauisch darf man aber werden, wenn im Zusammenhang mit Geld der schillernde Name des PR-Machers Moritz Hunzinger auftaucht, der zuletzt im Zusammenhang mit Ex-Minister Rudolf Scharping und dem Grünen Cem Özdemir unerfreuliche Schlagzeilen gemacht hat. Wenn Döring die Brocken hinschmeißt, dann muss das kein Schuldeingeständnis sein, aber auch kein Persilschein. Wie auch immer, mangelnde Konsequenz kann man dem Liberalen nicht vorwerfen.'

Die STUTTGARTER ZEITUNG meint:

'Der wahre Grund des Rücktritts ist nicht das mögliche oder tatsächliche Fehlverhalten von Walter Döring. Gescheitert ist der Wirtschaftsminister daran, wie er mit der Affäre, deren Brisanz er anfangs sträflich unterschätzte, umgegangen ist. Er hat vieles, vor allem Widersprüchliches, gesagt, und er hat zu wenig aufgeklärt. Mit dem zu diesem Zeitpunkt unerwarteten Rücktritt hat Döring einen Schritt vorweggenommen, zu dem er in einigen Wochen hätte gezwungen sein können. Die FDP im Südwesten steht nun vor einer Zäsur. Sie muss nicht nur einen schwierigen personellen Neuanfang bewältigen, sondern auch bald um ihre Regierungsbeteiligung kämpfen. Der Traum der CDU, bei der Landtagswahl 2006 die absolute Mehrheit zu er halten, ist eine Spur realistischer geworden.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München befasst sich mit der innenpolitischen Lage der Sozialdemokraten:

'In der SPD hat Schröder die Traditionalisten verärgert und die Reformer enttäuscht. Weil aber heute in der SPD keine Wehners und nicht einmal Wehnerleins zu sehen sind, muss Schröder den Putsch nicht fürchten. Der grüne Koalitionspartner wird ihm wohl auch nicht von der Fahne gehen. Die Grünen streben in kein anderes Regierungsbündnis, sondern verharren an der Seite Schröders nach dem Motto: Etwas Besseres als den Tod werden wir schon finden.'

Die FRANKENPOST aus Hof kommentiert:

'Die älteste und verdienstvollste deutsche Partei befindet sich in einem regelrechten Erosionsprozess. Was ist zu tun? Kann diese Auflösungserscheinung überhaupt gestoppt werden? Zwei Fragen von überragender Bedeutung sind das. Vermutlich ist die Sozialdemokratie noch nicht an ihrem Tiefpunkt angekommen. Oder genauer: Die bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen (NRW, Saar, Brandenburg, Schleswig-Holstein) werden das Heulen und Zähneknirschen noch verstärken.'

Zu dem Vorstoß von Bundesinnenminister Otto Schily für mehr Bundeskompetenzen bei der Bekämpfung von Terror bemerkt der KÖLNER STADT-ANZEIGER:

'Otto Schily denkt nur an sich und die Sicherheit. Für die Bundesländer sind seine Vorschläge zur Zentralisierung von Polizei und Verfassungsschutz eine Provokation. Den Ländern bliebe nur das polizeiliche Alltagsgeschäft: Ladendiebstähle und Wirtshausschlägereien...Klar, dass die Länder noch bockiger werden, als sie eh schon sind. So ist der Sicherheits-Minister eine Gefahr für ein zentrales Reformprojekt.'

Abschließend das NEUE DEUTSCHLAND aus Berlin:

'Ist die Bundesregierung "nicht bei klarem Verstand", wie die PDS- Abgeordnete Pau mit dem Altliberalen Hirsch argwöhnt? Dann wären es die Abgeordneten von SPD und Grünen wohl auch, die gestern zustimmten, dass künftig Passagierflugzeuge über Deutschland abgeschossen werden dürfen, wenn Verteidigungs- und Innenminister annehmen, dass Terroristen sie als Waffe nutzen wollen. Man kann streiten, ob überhaupt per Gesetz geregelt werden muss, was in einem solchen Notfall zu tun ist. Das Grundgesetz gibt der Regierung ohnehin den nötigen Spielraum. Und man kann, ja man sollte darüber streiten, ob es überhaupt jemandem zusteht, über Leben oder Tod mutmaßlicher Geiseln zu entscheiden.'