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Pressestimmen von Samstag, 19. März 2005

zusammengestellt von Frank Gerstenberg18. März 2005

Nach dem Rücktritt von Heide Simonis

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Nach der gescheiterten Ministerpräsidentenwahl in Kiel und dem Rücktritt von Heide Simonis richten die Zeitungskommentatoren ihren Blick weiter nach Schleswig-Holstein. Dabei macht zunehmend das Wort von der Großen Koalition die Runde.

So etwa beim Bonner GENERAL-ANZEIGER:

"Es bleibt kein anderer vernünftiger Weg, als Carstensens Angebot anzunehmen, in eine große Koalition unter seiner Führung einzutreten. Alles andere wäre fatal - für Rot, für Grün, und für die Vertretung der dänischen Minderheit. Vor allem aber für die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt und für das Land. Nach dem unwürdigen Schauspiel im Kieler Landtag braucht Schleswig-Holstein mehr denn je eine stabile Regierung."

Auch die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen spricht sich für eine große Koalition aus - nicht nur in Kiel.

"Die große Koalition wäre die richtige Antwort auf die Nöte des Landes - in Kiel und in Berlin. Die nächsten Reformschritte, die diesem Land aus der depressiven Stimmung helfen könnten, müssen CDU und SPD gemeinsam gehen. Eine Steuerreform, Umbau des Gesundheitssystems, Korrekturen am Arbeitsmarkt, eine Neuverteilung der Gewichte zwischen Bund und Ländern, das alles wird nicht anders zu schaffen sein."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN richten ihren Blick bereits auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen:

"In Kiel scheint die SPD bereit, unter dem Christdemokraten Peter Harry Carstensen eine große Koalition zu bilden - aus politischer Vernunft und aus Angst, bei einer Neuwahl endgültig in die Bedeutungslosigkeit zu fallen. Und in Düsseldorf? Nicht wenige einflussreiche Genossen glauben auch dort, dass ein Bündnis mit der CDU angesichts der über einer Million Arbeitslosen ohnehin besser fürs Land wäre, als mit den Grünen weiterzuwursteln. Eine große Koalition aber als echte Alternative zu Rot-Grün - das wäre wohl auch im Bund das Ende des Bündnisses. Auf Rot-Grün warten harte Zeiten."

Die Zeitung DIE WELT hält eine Große Koalition nicht für die beste Lösung:

"Der Scherbenhaufen im rot-grünen Lager an der Kieler Förde ist komplett. Wieder wuchert, wie während der Affäre Barschel/Pfeiffer, das Mißtrauen im Landeshaus, übrigens auch bei der CDU. Angesichts dieser verfahrenen Lage ist es mehr als schwierig, durch Verhandlungen zwischen den Fraktionen einen Ausweg finden. Der SPD-Landesvorsitzende Claus Möller hat eindringlich auf die tiefen inhaltlichen Gräben zwischen der SPD und der CDU in Schleswig-Holstein hingewiesen, die es nicht nur in der Bildungspolitik gibt. Eine Große Koalition käme nur äußerst mühselig zu Arbeitsergebnissen, an denen im nördlichsten Bundesland großer Bedarf besteht. Daher sind rasche Neuwahlen die sowohl nützlichste als auch sauberste Lösung."

Bei Neuwahlen könnte es allerdings für die Sozialdemokraten zu einem noch böserem Erwachen kommen, meint der Berliner TAGESSPIEGEL:

"Nun also gibt sie auf, endlich. Menschlich und persönlich gesehen hätte Heide Simonis sich das ganze Gewürge sowieso niemals antun dürfen. Aber erstens wird frau nicht Ministerpräsidentin, wenn sie nicht eine gehörige Portion Machtwillen mitbringt; ohne den bleibt sie außerdem auch nicht so lange im Amt, stolze zwölf Jahre. Das muss man(n) erst mal nachmachen. Mit einem schnellen Rückzug schon am Vortag hätte Simonis die Dynamik verstärkt, anstatt das Tempo herauszunehmen. Der Zug zu Neuwahlen wäre vermutlich längst abgefahren; Neuwahlen, die die SPD in ihrem gegenwärtigen Zustand besser nicht unbedingt wollen sollte, weil das Ergebnis eine noch größere Strafe sein könnte."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN würdigen zum Abschluss die Verdienste ihrer Ministerpräsidentin, bedauern aber auch die Art der Niederlage:

"Heide Simonis hätte einen besseren Abgang verdient gehabt. Sie hat sich, bei allem Zweifel im Detail, verdient gemacht um Schleswig-Holstein. Durch ihre Arbeit, durch ihr Engagement, vielleicht noch mehr dadurch, dass sie auch als Ministerpräsidentin Mensch geblieben und nicht Polit-Roboter geworden ist, wie viele ihrer Kollegen. Das hat sie ausgezeichnet, hervorgehoben. Den würdevollen Abgang aber, den hat sie sich, um es in ihrer eigenen, zuweilen drastischen Sprache auszudrücken, selbst versaut."