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Pressestimmen von Samstag, 21. Februar 2004

zusammengestellt von Annamaria Sigrist20. Februar 2004

Themen / Folteranklage / Wahlen im Iran

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Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Samstag vor allem mit der Anklage gegen den stellvertretenden Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner, weil dieser dem Entführer des Bankiersohnes Jakob von Metzler mit Folter gedroht hatte. Kommentiert werden auch die Wahlen im Iran.

Zu der Anklage schreibt DIE WELT aus Berlin:

"Dem Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner schlug viel Sympathie entgegen, als er im letzten Jahr dem Entführer des kleinen Jakob von Metzler Schmerzen androhte, damit dieser das Gefängnis der Geisel preisgebe. Daschner wusste, dass er etwas Fragwürdiges tat, fertigte selbst einen Vermerk für die Akten an und informierte den Staatsanwalt. Das ist wohl genau das nicht, was als 'Polizeifolter' in totalitären Staaten System ist. Dennoch: Daschner überschritt eine absolute Grenze. Dies muss strafrechtlich ebenso gewürdigt werden wie die Notsituation, in der er handelte."

In der LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus heißt es:

"Der kleine Jakob von Metzler war entführt, Daschner hatte dessen Leben retten wollen. Dafür hat er sich über Paragraphen hinweggesetzt, als die Beamten auf seine Weisung hin dem Entführer mit Gewalt drohten und aus ihm herauspressten, wo er den Jungen versteckt hielt. Würde Jakob von Metzler dadurch noch leben - Wolfgang Daschner wäre als Held gefeiert worden. Der Erfolg hätte sein rechtswidriges Handeln im Nachhinein gerechtfertigt, zumal die Polizei Folter nicht angewandt hatte. "

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint:


"Wer einmal eine Ausnahme macht, wird Grund für immer neue finden, und dies wäre ja auch nur konsequent. Dann müsste Folter oder wenigstens ihre Androhung auch im Ermessen von Fahndern liegen, die einen bewaffneten Bankraub, einen Bandenkrieg unter Zuhältern oder einen Großtransport Heroin verhindern wollen. In all diesen Fällen sind ja Menschenleben in Gefahr. Es war richtig und nötig, Anklage zu erheben. Ob sie auf Aussageerpressung statt auf den geringfügigeren Tatbestand der Nötigung hätte lauten müssen, darüber kann man lange streiten. Entscheidend ist es nicht. Entscheidend ist, dass sich die Beamten nun für ihren Verstoß gegen das Recht verantworten müssen. Allein das ist ein Sieg des Rechtsstaates, dem sie so geschadet haben."

Auch der MANNHEIMER MORGEN sieht den Rechtsstaat in Deutschland gefährdet:

"Der Zweck heiligt hier eben nicht das Mittel. In diesem Punkt spricht das Strafgesetzbuch eine eindeutige Sprache. Dass das Strafgesetzbuch den Ermittlern Fesseln anlegt, unterscheidet unseren demokratischen Rechtsstaat von Diktaturen wie etwa dem Dritten Reich. Im Vergleich dazu fallen die vermeintlichen Nachteile klein aus, auch wenn sie gelegentlich noch so schmerzen."

Einige Zeitungen kommentieren die Parlamentswahlen im Iran.

Dazu schreibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER:

"Die Wahlen im Iran waren entschieden, ehe sie begonnen hatten. Der Wächterrat hat im wahrsten Sinne des Wortes darüber gewacht, dass die Bewerber reformorientierter Parteien nicht zum Zuge kamen. Es ist der verzweifelte Versuch der Ajatollahs, Khomeinis fundamentalistische Revolution vor 25 Jahren noch zu retten. Dieser Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Die Theokraten werden einen Pyrrhussieg einfahren. Da die Massen im Iran sich weder von den konservativen Religionsführern noch den Reformern vertreten fühlen, ist zu befürchten, dass sich der Druck von unten auf andere Art und Weise freie Bahn verschaffen wird."

Abschließend meint der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg:

"Damit gelangt ein Versuch an sein Ende, der vor Jahren mit viel Hoffnung begonnen hatte. Es war der Versuch, die Islamische Republik Iran aus sich selbst heraus zu liberalisieren, gewissermaßen einen "Gottesstaat mit menschlichem Antlitz" zu schaffen. Dieses Projekt, das eng mit dem klugen und moderaten Präsidenten Chatami verbunden war, ist gescheitert. Ob das nur daran lag, dass Chatami zu milde agierte, dass er die offene Konfrontation mit den Mullahs nie wagte, bleibe dahingestellt."