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Pressestimmen von Samstag, 26. Mai 2007

Thomas Grimmer 25. Mai 2007

Kritik an Sicherheitsmaßnahmen vor G8-Gipfel / Unternehmenssteuerreform passiert Bundestag

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Rund zwei Wochen vor dem G8-Gipfel im mecklenburgischen Heiligendamm hat das Schweriner Verwaltungsgericht das von den Behörden verhängte weiträumige Demonstrationsverbot um den Tagungsort teilweise gekippt. Zugleich wurde bekannt, dass die Hamburger Polizei bei der Fahndung nach Globalisierungsgegnern auch verdächtige Briefe abgefangen hat. In den Kommentarspalten der deutschen Tagespresse nimmt die Sorge um eine vernünftige Balance zwischen Sicherheitsmaßnahmen und dem Schutz der Grundrechte zu. Die Leitartikler befassen sich außerdem mit der soeben vom Bundestag verabschiedeten Reform der Unternehmenssteuer.

Zunächst zur Kritik an der Vorbereitung des G8-Gipfels: Das Urteil der FRANKFURTER RUNDSCHAU hierzu ist eindeutig:

'Es läuft etwas gründlich schief im Vorfeld des G8-Gipfels von Heiligendamm. So hart muss man es sagen: Es fehlt auf Seiten der Sicherheitsbehörden von Beginn an die nötige Sensibilität. Die Symbolik eines Tagungsortes mit martialischem Zaun war schon kontraproduktiv. Aber nun wird auch noch mit deutscher Gründlichkeit der gesamte polizeiliche Instrumentenkasten ausprobiert und teilweise um neue Werkzeuge erweitert. Jetzt also Briefkontrollen in Hamburg- Altona. (...) Was sich aufdrängt, ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel, in juristischem wie politischem Sinn.'

In den DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN lesen wir:

'Unerwünschte Hausbesuche, Schnüffelproben, neugierige Postboten: Beim Mutter-Teresa-Preis für Toleranz und Nächstenliebe werden deutsche Sicherheitsbehörden wohl leer ausgehen. Die G8-Gipfel-Vorbereitung ist alles andere als ein Lehrbeispiel für eine gelungene Deeskalation. Immerhin gibt es jetzt ein Erfolgserlebnis für die leidgeprüften Gipfel-Gegner: Sie dürfen fast am Hochsicherheitszaun rütteln.'

Die KIELER NACHRICHTEN halten die Sicherheitsmaßnahmen vor dem G8-Gipfel für übertrieben:

'Auf jeder Polizeischule wird die Strategie der Deeskalation gelehrt. Dazu gehört, vor Kundgebungen den Krawallbrüdern keine zusätzliche Munition zu liefern. Das offenbar systematische Schnüffeln in Briefen gehört zu den Explosivstoffen im Vorfeld des G8-Gipfels. Einen solch schwer wiegenden Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Briefgeheimnis sollte sich der Rechtsstaat sehr gut überlegen.'

Auch der MÜNCHNER MERKUR befürchtet, dass die Behörden den gewaltbereiten Gipfelgegnern in die Hände spielen:

'Wenn es das Ziel der Chaoten gewesen sein sollte, den Rechtsstaat vorzuführen, so hat ihnen (Innenminister) Schäuble die Arbeit bereits abgenommen. (...) Der Versuch der Bundesregierung, für den G8-Gipfel eine Art Ausnahmezustand über Deutschland auszurufen, ist überzogen. Er ist kontraproduktiv, weil er die Gegenkräfte erst recht mobilisiert, vielleicht auch fanatisiert. Und er ist der Bevölkerung unter dem Aspekt der Kosten-Nutzen-Rechnung nicht mehr vermittelbar: Längst ist klar, dass Heiligendamm, etwa im Klimastreit, nichts als faule Formelkompromisse bringen wird. Ziemlich viel Aufwand für herzlich wenig Ertrag.'


Zweites Kommentarthema ist die Reform der Unternehmenssteuer. Sie soll die Steuerlast der Firmen von rund 39 auf unter 30 Prozent senken.

In der BERLINER ZEITUNG heißt es dazu:

'Verantwortlich für die Verrohung der Steuergesetzgebung sind die Unternehmen selber, vorneweg die großen Konzerne. Sie haben die Unterschiede und Lücken im internationalen Steuerrecht hemmungslos ausgenutzt, auf ganz legale Weise, versteht sich. Wie beispielsweise der freundliche schwedische Möbelkonzern Ikea. Dessen Deutschland-Tochter entrichtete im Jahr 2003 trotz eines Gewinns von 300 Millionen Euro - vor Schuldzinsen und Lizenzgebühren! - am Ende gerade einmal rund 50 Millionen Euro Steuern. Zahlst du noch oder gestaltest du schon? Keine Frage: Der Staat handelt in Notwehr. So gesehen haben die Steuerreformer um Peer Steinbrück zwar grobschlächtige, doch immerhin respektable Arbeit geleistet. Hoffentlich nützt sie am Ende wirklich mehr als sie schadet.'

Den Unternehmen nützt sie jedenfalls kaum, meint die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt:

'Von den Beobachtern der Unternehmenssteuerreform fällt vor Jubel niemand von der Tribüne. Am allerwenigsten die begünstigte Wirtschaft. Denn von den 30 Milliarden Euro Entlastung holt sich der Staat 25 Milliarden zurück. Dem Gerechtigkeitsempfinden des Bürgers schlägt bei diesen Umverteilungen ohnehin auf den Magen, dass ihm der Staat nicht entgegenkam, sondern trotz sprudelnder Steuerquellen jüngst gleich mehrfach in die Geldbörse griff. Schließlich hätte auch genau umgekehrt entschieden werden können, mit dem Effekt, dass höhere Kaufkraft den großen wie kleinen Unternehmen gleichsam wohltut.'

Die HEILBRONNER STIMME sieht es so:

'Die Große Koalition preist die Unternehmenssteuerreform als 'großen Wurf'. Doch das Etikett ist Schwindel. Denn im umfangreichen Gesetzespaket befinden sich auch Verschlimmbesserungen. Nichtsdestoweniger ist das Paket gegen falsche Kritik in Schutz zu nehmen. Die Reform ist kein Steuergeschenk, wie Oskar Lafontaine und andere Populisten unterstellen, sondern eine Investition, von der auch der Mittelstand profitiert. Gerade der gegenwärtige Aufschwung zeigt, dass Entlastungen der Wirtschaft allen Bürgern nützen.'

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen bemängelt schließlich:

'Die Unternehmenssteuerreform ist eine Reform für Firmen, die gut im Saft stehen. Sie verletzt den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Staat greift noch stärker als bisher schon in Investitions- und Finanzierungsentscheidungen von Firmen ein. Und das trostlos komplizierte Steuerrecht wird noch komplizierter. Eine echte Reform sieht anders aus.'