1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Samstag, 28. Juni 2003

zusammengestellt von Frank Gerstenberg27. Juni 2003

Düsseldorf verzichtet auf Metrorapid / Annäherung zwischen Merkel und Schröder

https://p.dw.com/p/3n46

Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich in erster Linie mit dem Versicht der rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf auf den Metrorapid. Ein weiteres Thema ist die offensichtliche Annäherung zwischen Regierung und Opposition.

Die Zeitung DIE WELT schreibt zum Aus für die Magnetschwebebahn:

"Es fährt ein Zug nach nirgendwo, und Peer Steinbrück ist der Lokführer. Der Metrorapid wird nicht gebaut. Genötigt von der Bundesregierung, muss Nordrhein-Westfalens Regierungschef mit einer 'Metro-S-Bahn' vorlieb nehmen. Selten hat ein sozialdemokratischer Ministerpräsident eine derartige Niederlage erlitten. Denn es war Steinbrück selbst, der den Bau der umstrittenen Magnetschwebebahn zum Symbolprojekt stilisierte, an dessen Realisierung sich die Handlungsfähigkeit und der Erneuerungswille der rot-grünen Koalition in Düsseldorf erweisen sollten. Dass Rot-Grün in NRW fortgesetzt wird, ist mit der gestrigen Entscheidung hingegen wahrscheinlicher geworden."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ergänzt:

"Die Grünen in Düsseldorf dürfen vor diesem Hintergrund davon ausgehen, dass - sollte die Koalition nun wirklich gerettet sein - nicht ihr großartiges Verhandlungsgeschick ausschlaggebend war. Den Erfolg in Sachen Metrorapid hat ihnen die machtpolitische Konstellation in Berlin beschert. Und machtpolitisch wäre es sinnvoll, jetzt ohne großen Verzug einen Strich unter die Koalitionskrise zu machen. Trotz alldem: Es lohnt, genauer zu betrachten, welches inhaltliche Konzept Steinbrück in seinem Kompromisspapier andeutet. Einen teuren High-Tech-Fremdkörper aus der rheinischen Landschaft zu verbannen, eine Zahl für die künftig reduzierte Kohleförderung zu nennen, Reformen in der Verwaltungsstruktur in Angriff zu nehmen - das ist für einen SPD-Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen vergleichsweise mutig."

In der in Berlin erscheinenden TAZ heißt es:

"Jahrelang agitierten die Genossen wider besseres ökonomisches Wissen für die Magnetschwebebahn und sorgten dafür, dass Unsummen zur Planung des Unsinnsprojekts verpulvert wurden, bei dem die hohen Spitzengeschwindigkeiten und die vielen Haltestellen einen unauflöslichen Widerspruch bildeten. Nun erklärt Steinbrück von einem Tag auf den anderen, es sei zwischen Wünschenswertem und Machbarem zu unterscheiden. Die Erkenntnis kommt spät - für Steinbrück vielleicht zu spät."

Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG begrüßt die Entscheidung:

"Erstens bleibt die Region zwischen Dortmund und Düsseldorf von einem Verkehrsmittel verschont, dessen bescheidener Nutzen in keinem Verhältnis zu den exorbitanten Investitionen gestanden hätte. Statt des Metrorapids soll nun zweitens eine schnelle S-Bahn gebaut werden. Dem notorisch schlechten Nahverkehr im größten Ballungsraum Deutschlands wird damit ein Dienst erwiesen, wie er besser nicht sein kann."

Dagegen ist der KÖLNER STADTANZEIGER der Ansicht:

"Vielleicht war das dicht besiedelte Ruhrgebiet nicht der - technisch und ökonomisch - beste Platz für eine Metrorapid-Strecke. Aber es wäre eine fantastische Bühne für die Umsetzung einer interessanten und - höchstwahrscheinlich - auch zukunftsträchtigen Idee gewesen. Die Politiker in Berlin und Düsseldorf haben nicht die Kraft aufgebracht, diese Vision in Politik umzusetzen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München befasst sich mit der Annäherung zwischen Regierung und Koalition bei der Reformpolitik:

"Der Sommer 2003 wird kein Sommer der Großen Koalition. Vorteile brächte sie nur der SPD - und der CDU-Chefin Angela Merkel persönlich: Als Vizekanzlerin wäre sie den bundespolitischen Rivalen Roland Koch los. Gleichzeitig würden aber mit der Großen Koalition die derzeit großen Chancen der Union auf künftige Wahlsiege rapide sinken: Als Koalitionspartner würde die Union für die Schmerzen der Reformen vom Wähler in viel stärkerer Weise in Haftung genommen als dann, wenn sie nur Kooperationspartner ist."

Abschließend hören Sie den Kommentar der SAARBRÜCKER ZEITUNG:

"Wir wissen nicht, ob der Kanzler das Jonglieren mit all den vielen rot-grünen Bällen, die im Augenblick in der Luft tanzen, noch souverän beherrscht. Wir spüren aber, dass Rot-Grün in Berlin ernsthaft auf Reformkurs fährt. Mit einem Tempo, das die Opposition eiskalt erwischte. Aber Merkel ist inzwischen hellwach und sogar zur großen Kooperation bereit. Hoffen wir, dass dieses Handeln in Landes- und Bürgerinteresse über den Tag hinaus trägt."