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Pressestimmen von Samstag, 28. Mai 2005

Annamaria Sigrist27. Mai 2005

Wahlkampf Deutschland / EU-Verfassung

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Der bereits entbrannte Wahlkampf in Deutschland und die EU-Verfassung sind die Hauptthemen der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen.

So schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU zum Koalitionsstreit von SPD und den Grünen:

"Der eine oder andere Stratege mag einen tieferen Sinn darin sehen, dass SPD und Grüne im Bund jetzt derart mutwillig zum gezielten Gegeneinander übergehen. Vor allem den Sinn, das je eigene Profil zu schärfen. Dieses Motiv ist jetzt zweifellos vorhanden. Aber so, wie die Tagesdynamik sich entwickelt, wird dem Wahlvolk damit eher vorgeführt, dass die Noch-Koalition keine gemeinsame Richtung mehr findet. Dass sie, wie taktisch motiviert auch immer, erste Auflösungssignale gibt."

Die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG urteilt über Äußerungen aus der Union:

"Es kam wohl etwas überraschend für Merkel, Stoiber und Gefolge, dass der Kanzler ihnen die Chance auf baldige Regierungsübernahme eröffnete. Vorbei die schöne Zeit, in der es vor allem darum ging, Rot-Grün lustvoll zu bemäkeln und zu blockieren, ohne tragfähige Gegenentwürfe vorzulegen. Fasst man die Äußerungen aus der Union zu Eigenheimzulage, Pendlerpauschale, Feiertags- und Nachtzuschläge sowie Mehrwertsteuer zusammen, können die Bürger vor allem mit einem rechnen: mit zusätzlichen Belastungen."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock fügt hinzu:

"Das einzige Gute an der jetzigen Steuerdebatte ist, dass die Union zum Offenlegen der Karten gezwungen wird. Gut so, denn die Wähler wollen nicht die Katze im Sack, sondern wissen, was eine mögliche künftige Regierungspartei steuerpolitisch vor hat. Dass Merkel angesichts der desaströsen Kassenlage des Bundes keine weiteren Steuervergünstigungen will, ist bitter, aber ehrlich."

Die TAZ aus Berlin schreibt:

"Die FDP beharrt darauf, dass die Steuern gesenkt werden müssen. Ganz egal, wie pleite die Republik sein mag. Eigenverantwortung heißt hier: Wir behalten, was wir haben, und alle anderen sollen sehen, wo sie bleiben. Die Grünen wollen hingegen plötzlich eine geplante Senkung der Unternehmensteuer nicht mehr mittragen. Aus inhaltlichen Gründen oder aus wahltaktischen Überlegungen? Die Führungsspitze denkt seit Tagen halblaut darüber nach, ob die Partei in letzter Minute die Koalition verlassen sollte. Offenbar vor allem aus Gründen der so genannten Selbstachtung. Das zeigt, dass Regierungsbeteiligung inzwischen auch bei den Grünen wenig mit Verantwortung für das Gemeinwesen zu tun hat, aber viel mit Eitelkeit."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam nimmt die EU-Verfassung ins Visier:

"Nach dem Bundestag vor einigen Wochen hat gestern auch der Bundesrat seine Pflicht getan und die EU-Verfassung ratifiziert. Das ist richtig, denn eine bessere Verfassung für die erweiterte EU wird es auf Jahre hinaus nicht geben. Auch wenn die Länderkammer ihr fast einhelliges Ja zwei Tage vor der Volksabstimmung in Frankreich ausgesprochen hat und Präsident Chirac von einem 'besonders starken Signal' spricht, dürfte die Wirkung auf unseren Nachbarn im Westen begrenzt bleiben. Zu sehr erscheint die Zustimmung Deutschlands als Votum der politischen Klasse, die Angst davor hat, das eigene Volk direkt zu fragen."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN meinen:

"Europas Verfassungs-Befürworter machen sich kräftig Mut: Auch wenn Frankreich morgen 'Nein' sagt, werde es irgendwie weitergehen. Natürlich wird es das - die Frage ist nur, wie. Politik, lautet eines ihrer Mantras, muss die Menschen dort abholen, wo sie sind - die Proteststimmung in Frankreich, aber auch in den Niederlanden und in Deutschland deutet darauf hin, dass es ein grundsätzliches Unbehagen zumindest im alten 'Kerneuropa' gibt und dass kaum jemand die Zweifler zur Kenntnis nehmen oder gar abholen wollte."

Die WAZ aus Essen schließlich schreibt:

"Sollte Frankreich am Sonntag Nein zur EU-Verfassung sagen, bedeutet das nicht, dass unsere Nachbarn Brüssel den Rücken kehren wollen. Die Debatten rund um die Volksabstimmung wurden instrumentalisiert, ja sie wurden missbraucht, um Präsident Jacques Chirac abzustrafen. Mit Europapolitik hat so ein Vorgang herzlich wenig zu tun. In den Niederlanden spiegelt sich ein ähnliches Bild wider. Dort wird, rechtlich nicht bindend, am 1. Juni abgestimmt. Auch hier steht die Mitte-Rechts-Regierung in der Kritik. Hilfreich ist es in dieser Lage nicht, dass sich die Bundesrepublik eine Regierungskrise plus Neuwahlen leistet."