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Pressestimmen von Samstag, 28.8.2004

Frank Gerstenberg27. August 2004

Waffenstillstand im Irak / Terroranschlag in Russland

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Der Waffenstillstand in Nadschaf und der Terroranschlag auf zumindest ein russisches Passagierflugzeug sind die Top-Themen in den deutschen Tageszeitungen.

Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen beurteilt das Ende der dreiwöchigen Kampfhandlungen in der irakischen Pilgerstadt wie folgt:

"Die Einigung gibt Aufschluss über die wahren Machtverhältnisse im Irak. Nicht die Besatzungsmächte und schon gar nicht die Übergangsregierung Allawi sind die Autoritäten in dem geplagten Land, sondern die Mullahs. Das wiederum ist ein Problem für die USA. Sie wollten den Irak zu einem Leuchtturm der Demokratie umgestalten, dessen Strahlkraft der ganzen Region den Weg in die Moderne weisen sollte. Daraus wird vermutlich nichts."

DIE TAGESPOST aus Würzburg stellt fest:

"Ein Kleriker, ein religiöser Schiiten-Führer, ein Ajatollah oder wie auch immer man El Sistani bezeichnen möchte - jedenfalls ein islamischer Geistlicher ist jetzt der wichtigste Mann im Irak. Mit dem blitzartigen Friedensschluss in Nadschaf hat er gezeigt, was die Führung in Bagdad vermissen ließ: Durchsetzungskraft und Gefolgschaft in der Bevölkerung. Die Vereinigten Staaten sind nach eigenem Bekunden in den Krieg gegen Saddam gezogen, um dem Land die Demokratie zu bringen. Der Irak zeigt: In der muslimischen Welt läuft nichts so, wie sich das die Amerikaner vorstellen."

Die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden sieht denn auch in der Einigung nicht die Lösung der Konflikte:

"El Sadr hatte mehrfach ähnlichen Abmachungen zunächst zugestimmt, um sie wenig später für null und nichtig zu erklären. Zudem besitzen noch immer Hunderte Milizionäre der Mahdi-Armee El Sadrs ihre Waffen. Selbst wenn sie jetzt die Iman-Ali-Moschee räumen und außerhalb der Stadt untertauchen, bilden sie eine heimliche Widerstandsreserve, die sich jederzeit wieder mobilisieren lässt."

Davor warnt auch die TAZ aus Berlin: "Al-Sadr ist ein Symptom dafür, dass ein Teil der politischen Kräfte aus dem System des neuen Irak ausgeschlossen ist. Er repräsentiert einen nicht unwesentlichen Teil der Bewohner der schiitischen Armenviertel rund um Bagdad. Al-Sadr hat zwar vorerst kapituliert, aber sein zum Teil bewaffnetes Klientel ist deswegen nicht verschwunden."

Positives entdeckt der Bonner GENERAL-ANZEIGER in dem Abkommen:

"Der entscheidende Fortschritt für die Entwicklung im Irak besteht aber darin, dass nun die Volkszählung und andere Vorbereitungen für die Wahlen im Januar eingeleitet werden können. Angesichts der geringen Akzeptanz der noch weitgehend von den USA installierten Übergangsregierung dürfte dies jetzt im Interesse fast aller Beteiligten liegen. Auch Washington muss sich erleichtert fühlen."

Themenwechsel: Der KÖLNER STADT-ANZEIGER bemerkt zum Terroranschlag auf ein russisches Flugzeug:

"Erst langsam schält sich in der westlichen Öffentlichkeit die Erkenntnis heraus, dass nach den beiden großen totalitären Bewegungen des vergangenen Jahrhunderts, dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus, eine dritte entstanden ist. Nun hat der tschetschenische Terrorismus keine islamischen Wurzeln. Er erwuchs aus dem Widerstand gegen die mörderische Unterdrückung durch Russland. Aber die Terroristen suchen nach geistigem und organisatorischem Rückhalt."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt: "Zwar werden nach jedem großen Anschlag - nie gab es davon so viele wie unter Putin - die Rechte von Geheimdiensten und Polizei gestärkt. Doch sie versagen ein ums andere Mal, sind korrumpiert, arbeiten mehr gegen- als miteinander. Eine zivile oder parlamentarische Kontrolle der Dienste und Streitkräfte gibt es nicht. Die russische Bevölkerung reagiert fatalistisch auf die Terroranschläge. Man hat sich an den Terror gewöhnt, auch daran, dass in Tschetschenien junge Russen und tschetschenische Bürger sterben. Auch die Scheinwahl am Sonntag wird daran nichts ändern."

Zu dieser Wahl notiert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG:

"Die Präsidentenwahlen am Wochenende in Tschetschenien sind eine traurige Farce. Erstens zeichnet sich ein Betrug zu Gunsten des vom Kreml gestützten Kandidaten Alchanow ab. Zweitens wäre dieser im Falle seines Sieges nur eine Marionette Moskaus, weil er in der Heimat keine Hausmacht besitzt. Und drittens - am wichtigsten - fehlt jede Hoffnung, dass der künftige Präsident der Kaukasusrepublik Terror und Gewalt beenden kann. Militärisch lässt sich die Region nicht befrieden. Spätestens jetzt muss die EU Flagge zeigen und den Kreml zur Mäßigung drängen. Denn geschieht nichts, könnte sich der tschetschenische Terror eines Tages bis in den Westen ausweiten."