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Pressestimmen von Samstag, 3. September 2005

Günther Birkenstock2. September 2005

Katastrophengebiet New Orleans / Freigabe der dt. Ölreserven

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Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen am Samstag beschäftigen sich vor allem mit der immer noch katastrophalen Lage in New Orleans und mit dem Vorschlag, die deutschen Ölreserven für Notfälle auf den Markt zu bringen, um die Benzinpreise zu senken.

Der SÜDKÜRIER aus Konstanz schreibt zur Situation in New Orleans:

"Auch das ist Amerika: Die reichste Weltmacht ist nicht in der Lage, mit den Folgen von Katastrophen wie Katrina fertig zu werden. Es sind apokalyptische Szenen, die sich da ab spielen. Entfernt erinnern sie an das Inferno des 11. September. Aber betroffen ist nicht der Finanzplatz New York. Es ist der Südosten der USA. Und die Menschen, die der Hurrikan dort erwischte, sind meistens schwarzer Hautfarbe, arm und unwichtig für die politische Elite des Landes."

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE sieht die Ausschreitungen in New Orleans als moralischen Dammbruch, der die gesellschaftliche Realität in diesem Teil Amerikas bloßlegt:

"'Katrina' hat nicht nur Dächer abgetragen, sondern auch die dünne Firnis der Zivilisation. Darunter zeigt sich eine Gesellschaftsschicht, die auch ohne Hurrikan kaum besser lebt als Menschen in der Dritten Welt - mit Armut, Analphabetismus, Arbeitslosigkeit, Teenager-Schwangerschaften. Konflikte zwischen Arm und Reich oder zwischen den Rassen werden auch sonst oft mit der Waffe gelöst. Was in New Orleans jetzt erlebt, ist also im Grunde nur eine Eskalation des Alltags."

Die BERLINER ZEITUNG erinnert an das amerikanische Waffengesetz, das sie für die Eskalation nach dem Unwetter als mitverantwortlich betrachtet:

"Ist es tatsächlich ein Gewinn von Freiheit und Sicherheit (so argumentiert die Waffenlobby), wenn nahezu jeder das Recht hat, eine Waffe zu besitzen und sie im lokalen Supermarkt kaufen kann? Kann ein Staat, der sich auf das mindeste beschränkt, seine Bürger hinreichend schützen, kann er in Krisensituationen noch angemessen reagieren ?...In den nächsten Wochen wird viel über das akute, skandalöse Versagen der lokalen und nationalen Behörden debattiert werden, und Präsident Bush steht dabei zu Recht im Zentrum. Doch all das wird das Trauma von New Orleans nicht heilen."


Mit der Forderung von CDU und FDP, die nationalen Ölreserven angesichts der steigenden Spritpreis freizugeben, beschäftigt sich die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Die Wahlkämpfer Merkel und Westerwelle finden es eine prima Idee, die gebeutelten Autofahrer hierzulande durch eine Freigabe der nationalen Öl-Notvorräte zu entlasten. Dass dies erstens rechtlich kaum möglich ist, zweitens ökonomisch ziemlicher Unfug und drittens Öl nicht gleich Benzin ist, wird der Opposition auch umgehend von so ziemlich allen maßgeblichen Experten sowie Regierungssprechern um die Ohren gehauen. Gleichwohl will Schröder nun den Hahn etwas aufdrehen... George W. Bush hat die internationalen Partner um Solidarität gebeten, und diesem Ansinnen will sich auch Berlin «selbstverständlich» fügen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München betrachtet die Diskussion um die Auflösung der nationalen Ölreserven als billiges Wahlkampftheater:

"Es ist aber Wahlkampf und manche Politiker sind beeindruckt von der Kampagne der Bild-Zeitung, die das Volk zum Sturm auf die Ölreserven des Landes aufruft. «Kanzler, rück den Billigsprit raus!», heißt der Kampfruf, der einigen wohl die Sinne vernebelt. Sonst hätten sie nicht ernsthaft erwogen, den für Kriegs- und Katastrophenfälle vorgesehenen Stock wegen der westdeutschen Verbraucher zu plündern."

Und der MANNHEIMER MORGEN betont, dass die Auflösung der deutschen Ölreserven letztlich sogar zur mehr Abhängigkeit von den Ölmultis führen könnte:

"Die nationalen Ölreserven sollen geöffnet werden, um die enteilenden Preise etwas einzufangen. Vor allem die FDP trägt diese Idee vor sich her - für eine liberale Partei eine sicherlich überraschende Forderung nach staatlicher Intervention in einen freien Markt. Der Griff zum gebunkerten «Schwarzen Gold» wird die Situation an der Preisfront wenn überhaupt dann nur wenig und kurzfristig entspannen. Langfristig könnte sich die Idee der Politiker sogar als kontraproduktiv erweisen. Je stärker die nationalen Reserven geplündert werden, desto größer wird die Abhängigkeit der Staaten von den internationalen Rohölmärkten."