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Pressestimmen von Samstag, 30. März 2002

ausgewählt von Ulrike Quast30. März 2002

Gewalt-Eskalation im Nahen Osten

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Die israelische Regierung hat Palästinenserpräsident Jasser Arafat offiziell zum Feind erklärt. Große Teile seines Hauptquartiers in Ramallah sind nach dem Beschuss durch israelische Panzer und erbitterten Gefechten um den Gebäudekomplex zerstört. Fast alle Kommentatoren der deutschen Tagespresse versuchen an diesem Samstag die neuerliche Eskalation der Gewalt im Nahen Osten zu analysieren.

Die Tageszeitung DIE WELT schreibt:

"Die Regierung Scharon scheint sich zu der Einsicht durchgerungen zu haben, dass Palästinenserführer Arafat nicht Teil einer Lösung für den brennenden Nahen Osten ist, sondern das eigentliche Problem. ...
Ineinander verkeilt scheinen beide Völker hasserfüllt auf den Abgrund zuzutreiben und niemand ist in der Lage, die Kämpfenden zu trennen. Auch die USA nicht, die den gesamten Konflikt nach dem Amtsantritt Bushs zu stark vernachlässigt haben."

In der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG lesen wir:

"Den Ausweg aus der Krise werden die unmittelbar Beteiligten im Nahen Osten nicht finden. Er muss ihnen gewiesen werden. Von Europa, vor allem aber von den USA. Die einzige verbliebene Weltmacht muss hier ihre Möglichkeiten ausspielen. Denn soviel ist klar: Ein israelisch-palästinensischer Krieg führt mit Sicherheit zu einem nahöstlichen Flächenbrand und zu weltweiten politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen."

Die LAUSITZTER RUNDSCHAU aus Cottbus kommentiert:

"Die Sieger dieser Eskalation der Gewalt sind politisch die islamistischen Terroristen und militärisch werden es ohne Zweifel die Israelis sein. Hamas und Islamischer Dschihad wollen nicht nur keinen Frieden mit dem jüdischen Erzfeind, sie torpedierten gezielt die amerikanische Vermittlungsmission Anthony Zinnis für einen Waffenstillstand. Und sie versuchen, den israelisch- palästinensischen Konflikt in einen solchen des Islams gegen die Juden umzuwandeln, indem sie mehr und mehr Terror gegen religiöse jüdische Feierlichkeiten ausüben."

Der WESTFÄLISCHE ANZEIGER aus Hamm beschäftigt sich mit der Lage des Palästinenserchefs:

"Demonstrativ festgesetzt unter den Trümmern der Zentrale seiner Macht, wurde Arafat zum Opfer ausgerechnet der Gewalt aus den eigenen Reihen. In makabrer Konkurrenz stritten Al-Aksa-Brigaden und die radikale Hamas geradezu um die "Ehre", die jüngsten Terror-Opfer ihrem blutigen Konto gutschreiben zu dürfen - ein Fanatismus, der Arafats letztes Angebot eines Waffenstillstandes zum Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit degradierte. Dass er noch lebt, verdankt der praktisch gestürzte Präsident der Palästinenser wohl nur der Taktik seines Todfeindes Scharon: Zum Märtyrer soll er nicht werden dürfen."

Im WIESBADENER KURIER heißt es:

"Was hat der Premier - abgesehen von der Befriedigung eines tiefsitzenden persönlichen Hasses gegen Arafat - zu gewinnen, wenn er seinen palästinensischen Gesprächspartner wegbombt? Dass die Armee die Araber befriedet und die Extremisten unter polizeiliche Kontrolle bringt, ist angesichts der historischen Erfahrungen nichts als blanke Illusion."

Die BERLINER ZEITUNG kommt zu dem Schluss:

"Es wird keinen Frieden mit Arafat und Scharon geben, weil es keinen zwischen ihnen geben kann. Aber Arafat und Scharon werden nicht von einem friedliebenden Gott jeder in seinen Herzinfarkt getrieben werden, sondern sie werden einander umbringen lassen. Wenn die israelischen Truppen in den nächsten Stunden oder Tagen Arafat "völlig isoliert" haben, werden - ganz gleich wie die Kommandostrukturen der Autonomiebehörden, wie die arabischen Staaten, wie sonst jemand reagieren wird - die palästinensischen Selbstmordkommandos nicht Ruhe geben, bis auch ihnen glückt, was Jigal Amir, dem jüdischen Mörder eines jüdischen Staatschefs, gelang. Der Tod Arafats wird auch der Tod Scharons sein."

Abschließend ein Blick in die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen:

"Es ist durchaus zweifelhaft, ob Arafat die mit aller Brutalität vorgetragene Offensive auf sein Hauptquartier in Ramallah überleben wird. ... In einem spektakulären Aufruf an die Welt kündigte Arafat an, er sei bereit als Märtyrer zu sterben. Selbst die schärfsten Kritiker Arafats müssen sich indes fragen lassen, was damit gewonnen wäre. "Im Kampf gefallen" oder "Auf der Flucht erschossen" - wer glaubte das schon? Israel würde mit der Ermordung Arafats die Region in ein Chaos stürzen und den Staatsterrorismus vor aller Welt endgültig zur Doktrin erklären."