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Pressestimmen von Samstag, 31. Dezember 2005

Hajo Felten30. Dezember 2005

deutsche Wirtschaft / russische Gaslieferung

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Die deutsche Wirtschaft geht nach einer Umfrage überwiegend optimistisch in das neue Jahr. Demnach schätzt die Mehrheit der Wirtschaftsverbände die Lage ihrer Branche besser ein als vor einem Jahr. Das kommentiert auch die deutsche Tagespresse.

Für den BONNER GENERAL-ANZEIGER hat das Jammern auf hohem Niveau damit ein Ende. Hier lesen wir:

"Die Republik erlebt einen Anfang von Aufschwung, doch soll er sich fort-setzen, muss es weitergehen mit den Reformen. Selbstverständlich ist das angesichts der großen Koalition nicht. Die Gefahr einer weiteren Sozialdemokratisierung der Union ist nicht gebannt, die Verlockung, nur noch kleine Schritte zu gehen, ziemlich groß. Es war wieder einmal Horst Köhler, der Bundespräsident, der dazu die richtigen Worte fand: «Jeder sollte wissen: Je kleiner die Schritte, desto mehr Schritte muss er machen.» Dass «er» lässt sich getrost durch ein «sie» ersetzen. Angela Merkel muss, traut sie sich den großen Schritt nicht zu, noch viele kleine wagen. Sie hat sie in ihrer Neujahrsrede versprochen."

Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU schreibt dazu:

"Vieles deutet derzeit darauf hin, dass sich die Konjunktur im neuen Jahr wieder besser entwickelt. Klar: Die schlechten Staatsfinanzen, die demographische Entwicklung und eben die Globalisierung schnüren das Korsett für jeden Einzelnen sehr eng. Doch Umfragen und Indikatoren sprechen für mehr Kauffreude, mehr Investitionen und auch neue Arbeitsplätze... Es besteht also Grund zu Optimismus. Wir sind nicht nur Bedenkenträger, sondern auch Heulsusen, hat kürzlich ein Bank-Manager über die Deutschen gesagt. Also: Beweisen wir dem Mann 2006 doch das Gegenteil!"

Für die ESSLINGER ZEITUNG wird sich im nächsten Jahr zeigen müssen, wie es um die Reformfähigkeit Deutschlands wirklich aussieht:

"Die sozialen Sicherungssysteme sind überdehnt und bedürfen der Reform. Die hohen Lohnnebenkosten sind einer der gewichtigen Standortnachteile Deutschlands und verhindern die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ob die Große Koalition die Kraft zu deutlichen Kurskorrekturen aufbringt, entscheidet darüber, ob die Parameter in Deutschland klar nach oben zeigen werden."

Auch die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf blickt ein wenig skeptisch auf das kommende Jahr. Sie mahnt:

"Die Sorge ist realistisch, dass das steigende Wachstum 2006 kaum zur Belebung des Arbeitsmarktes beitragen wird - obwohl die erzwungene Lohnzurückhaltung und die bereits erreichte Flexibilisierung der Arbeitswelt mit dazu beigetragen haben, dass die deutschen Unternehmen wieder wettbewerbsfähiger geworden sind. Hier darf die Politik den Konzernen bei allem Zwang zur Internationalisierung ruhig kritischer auf die Finger schauen."


Themenwechsel. Im Streit zwischen Russland und der Ukraine über den Preis russischer Gaslieferungen zeichnet sich bislang keine Einigung ab. Russland will den Preis deutlich anheben und hat seine Androhung eines Lieferstopps bekräftigt.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet von einem Machtkampf, in dem Moskau seinen Willen der Ukraine aufzuzwingen sucht:

"Die ukrainische Führung unter Juschtschenko soll die Quittung für ihre Westpolitik bekommen. Das Gas und sein Preis sind die Mittel, die kommende ukrainische Parlamentswahl zu beeinflussen... Es wundert einen nicht, wenn Kiew eine Gaspreiserhöhung um mehr als das Vierfache als empörend und als Provokation empfindet. Falls es jemand im Westen und im mehr und mehr von russischen Energieträgern abhängigen Deutschland vergessen haben sollte: Putin, der weltmacht-politisch ambitionierte, gar nicht so lupenreine Demokrat und Spezialist für die modernen Waffen Erdgas und -leitungen, übernimmt am 2. Januar den Vorsitz der G-8-Länder. Können wir ihm vertrauen?"

Auch für die BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG geht es um Macht und um sehr viel Geld. Hier heißt es:

"Bei dieser Tragweite des Gas-Streits zwischen Russland und der Ukraine hört die Freundschaft der einstigen Bruderstaaten auf - zumal das Verhältnis seit der friedlichen Revolution in der Ukraine alles andere als brüderlich ist... Der erbitterte Streit führt erneut vor Augen, dass die Sicherung von Rohstoffen eine zentrale Zukunftsaufgabe aller Staaten ist."

Die Lüneburger LANDESZEITUNG kommentiert:

"Moskau lässt Kiew jetzt die Zeche zahlen für die orangene Revolution - den Versuch einer Demokratisierung und der Anlehnung an den Westen. Ein diplomatisch allerdings nur dürftig flankierter Versuch. Hoffte Viktor Juschtschenko wirklich ernsthaft auf weitere wirtschaftliche Geschenke von Wladimir Putin, obwohl er politisch auf Gegenkurs ging? Der sich zuspitzende Gasstreit gibt Altkanzler Schröder in einem Recht: Die Ostseepipeline würde Deutschland unabhängig machen von Konflikten zwischen dem Kreml und ehemaligen Vasallen und jetzigen Transitländern."

Der Berliner TAGESSPIEGEL beschäftigt sich mit dem russisch- ukrainischen Gasstreit und den Folgen für Europa. Er gibt zu bedenken:

"Am 1. Januar will die russische Gasprom dem Land den Hahn abdrehen, sollte die Ukraine nicht einer Verfünffachung des Preises zustimmen. Solange also das Gas in Westeuropa nicht knapp wird, interessiert sich die EU nicht dafür, wie unappetitlich Wladimir Putin mit der Ukraine umspringt. Und da sich auch sonst niemand so recht einzumischen traut, wird der Ruf nach Gerhard Schröder laut. Geht das Kalkül auf? Bislang nicht. Denn der Ruf nach dem rettenden Altkanzler beruht auf einer Fehleinschätzung: Schröder ist kein über den Wassern schwebender Elder Statesman, er ist ein Gas-Lobbyist - und zwar Putins."