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Pressestimmen von Samstag, 4. Februar 2006

Zusammengestellt von Stephan Stickelmann3. Februar 2006

Auseinandersetzung über Mohammed-Karikaturen / Altersteilzeitregelung bei VW

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Die Auseinandersetzung über die in europäischen Zeitungen erschienenen Mohammed-Karikaturen bleibt das zentrale Kommentarthema der deutschen Tagespresse. Ferner beschäftigen sich die Zeitungen mit der neuen Altersteilzeitregelung bei Volkswagen.

Angesichts des Karikaturen-Streits notiert die ESSLINGFER ZEITUNG:

"Viele gläubige Moslems sehen sich durch die Karikaturen in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Das muss respektiert werden - und wirft Fragen von Anstand und Toleranz auf. Doch die von nicht nur religiös motivierten Gruppen geschürte Eskalation in der arabischen Welt bis hin zu Gewaltaufrufen hat inzwischen das Maß normaler Spielregeln für verbale Verurteilungen überschritten. Kein freier Staat darf sich erpressen lassen, sich dafür entschuldigen, was im Rahmen der Pressefreiheit geschieht."

Die in Dresden erscheinende SÄCHSISCHE ZEITUNG meint:

"Man muss nicht mit der Art und Weise einverstanden sein, wie die dänische Zeitung Jyllands-Posten den Propheten Mohammed karikiert hat. Doch die Freiheit, solche Karikaturen zu veröffentlichen, sollte unter allen Umständen verteidigt werden. Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Respekt vor dem menschlichen Leben sind Werte, auf denen unsere Gesellschaft beruht. Ein hohes Maß an Meinungsfreiheit und künstlerischer Freiheit gehören mit dazu. Völlig unannehmbar dagegen sind die gewalttätigen Aktionen, die die Karikaturen in der islamischen Welt auslösen. Mit ihren gewalttätigen Reaktionen bestätigen viele Muslime sämtliche Vorurteile, die es im Westen gegen den Islam gibt."

Im OFFENBURGER TAGEBLATT heißt es:

"Ob und bis zu welcher Grenze religiöse Themen Gegenstand bissiger Satire sein dürfen, ist in Europa eine Geschmacks- und Stilfrage. Mehr aber auch nicht. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Religionsfreiheit sind zu hohe Güter, um sie auf irgend einem Alter zu opfern. Auch wenn religiös aufgeputschter Mob in der islamischen Welt gegen abendländische Botschaften Sturm läuft."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg sieht es so:

"Jetzt nur nicht emotional werden. Dieses 'Privileg' mag die muslimische Welt als naturgesetzlich oder gottgewollt für sich reklamieren, um der Empörung Flügel wachsen zu lassen. Es ist aber auf keinen Fall der Weg, der die islamischen Gesellschaften in der globalisierten Welt ankommen lassen wird. Was aber nötig wäre."

Und die in Erfurt herausgegebene THÜRINGER ALLGEMEINE kommt zu der Einschätzung:

"Das wird nicht der letzte Konflikt dieser Art sein. Trotz exzessiven Gebrauchs der Segnungen einer modernen Welt wie Handy, Fernsehen und Autos lugt in vielen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens aus den Ritzen das blanke Mittelalter. Europa tut gut daran, die Dänen nicht allein im Regen stehen zu lassen. Ungeachtet dessen ist es ein Gebot der Vernunft, alles daranzusetzen, eine weitere Zuspitzung im Verhältnis zur islamischen Welt zu vermeiden. Die ungeklärte Lage in Palästina wie auch der anhaltende Terror im Irak bieten genug realen Sprengstoff für eine Verschärfung der Lage. Ganz zu schweigen von den atomaren Sehnsüchten Teherans. Kommt es zum Eingreifen im Iran, dann könnten die heutigen Massenproteste nur die Ouvertüre für weit Schlimmeres gewesen sein."

Themenwechsel: Der Volkswagen-Konzern und die IG Metall haben eine neue Altersteilzeitregelung vereinbart. Danach können tausende VW-Mitarbeiter bereits mit 58,5 Jahren das Unternehmen verlassen und in den Ruhestand treten. Was aber die betroffenen Arbeitnehmer freuen mag, betrachten die Zeitungskommentatoren zumindest mit Skepsis, teils auch sehr kritisch.

Die NORDSEE-ZEITUNG aus Bremerhaven etwa ist der Ansicht:

"Was für eine Nachricht, Marketingexperten sprechen da wohl von einem Coup. Deutschland streitet sich um die Rente mit 67 und Volkswagen bremst alle aus. Altersteilzeit mit 58. Wunderbar. Aber, liebe VW-Marketing-Spezies, ganz zu Ende gedacht habt ihr euren Vorstoß nicht. Deshalb ein bisschen Nachhilfe: Ab sofort rollt das Sondermodell 'Golf 58' vom Band. Ohne Extras, dafür 1500 Euro teurer. Wird bestimmt ein echter Renner, auf den die Millionen Autokäufer gewartet haben, die sich gar nicht entscheiden können, was sie mit dem doch so reichlichen Geld anfangen sollen, das nach gezahlten Rentenbeiträgen, Arbeitslosenversicherung und Krankenkassenbeiträgen in ihren Geldbeuteln verbleibt."

Die BERLINER MORGENPOST schreibt:

"Drei Tage, nachdem sich die große Koalition in Berlin mühselig auf die unpopuläre, aber alternativlose Rente mit 67 geeinigt hat, kann sich die IG Metall über ihren Coup freuen. Seht her, so sieht die Realität in den Betrieben aus, lautet die Ansage aus Wolfsburg an die Politik. Während das Signal aus Berlin lautet: 'Wir müssen alle länger arbeiten', heißt die Botschaft aus Wolfsburg: 'Wir können weiter machen wie bisher.' Ein fatales Signal, denn die Rente mit 58 ist ein Auslaufmodell aus den goldenen neunziger Jahren, ein Relikt aus besseren Zeiten."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth analysiert:

"Bis 67 wird künftig gearbeitet, hat die Politik gerade beschlossen, um die Rentenkasse wieder für ein paar Jahre über die Runden zu retten. Mit 58 schickt VW über 13.000 Beschäftigte Richtung Ruhebank. Die Tarifparteien sind aufgefordert, die beruflichen Möglichkeiten der Generation 50 plus intensiver auszuloten. Wenn die Älteren in der Regel auch die Teureren sind, werden sie, wenn es um Kostensenkung geht, weiterhin schlechte Karten haben. Bezahlt werden muss noch viel mehr nach Leistung - und die hat mit dem Alter oft gar nichts zu tun."

Die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel schließlich resümiert:

"Dass sie künftig bis 67 arbeiten sollen, während andere gut abgesichert bereits mit 58 daheim bleiben können, müssen jüngere Arbeitnehmer als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfinden. Auf der anderen Seite bekommen aber gerade viele junge Menschen, nur dann einen festen Job, wenn ältere Kollegen über die öffentlich geförderte Altersteilzeit früher ausscheiden. Und es darf auch nicht vergessen werden, dass viele 58-Jährige mehr als 40 Berufsjahre auf dem Buckel haben. Wie auch immer: Ende 2009 ist Schluss mit der Altersteilzeit, die - ohne Inanspruchnahme von Fördergeld - natürlich auch als Instrument zum Arbeitsplatzabbau genutzt wird. Dann wird private Vorsorge noch wichtiger sein, als sie es heute schon ist. Wer nicht vorbaut, muss später wirklich bis 67 schuften."