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Pressestimmen von Sonntag, 16. Januar 2005

Zusammengestellt von Herbert Peckmann15. Januar 2005

Nebeneinkommen von Abgeordneten umstritten/ Gestiegene Popularität von Kanzler Schröder/ Zustimmung zur EU-Verfassung

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Die Nebeneinkommen von deutschen Abgeordneten, die gestiegene Popularität von Bundeskanzler Schröder und die breite Zustimmung des EU-Parlaments zur europäischen Verfassung waren einige der Kommentarthemen der internationalen Presse in dieser Woche.

Mit der Diskussion über die Abgeordnetenbezüge in Deutschland haben sich österreichische Zeitungen befasst. Zunächst die SALZBURGER NACHRICHTEN:

"Im Grunde ist die Tätigkeit des Parlamentariers in Deutschland ein Vollzeitjob und ausreichend alimentiert. ... Wenn man Abgeordneten Zusatzverdienste zubilligt, muss aber zweierlei klar sein: Die Aufgabe im Parlament ist die Hauptbeschäftigung; Art der Nebenjobs und Höhe der Einkünfte sind für jedermann offen zu legen. Ohne eine solche Transparenz haftet der Politik schnell der Ruch an, dass sie käuflich sei. Wieso hat wohl ein Konzern wie VW eine eigene Abteilung für 'Regierungsbeziehungen'? Er möchte via Lobbyisten Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen."

Die Wiener Zeitung KURIER meinte zum selben Thema:

"Es wäre blauäugig, eine strikte Trennung von Politik und Wirtschaft zu verlangen. Was man verlangen darf und muss ist, dass diese Verbindungen öffentlich und unter klaren Regeln abgewickelt werden. So hat der Bürger nicht nur das Recht zu erfahren, mit welchen Firmen Politiker in Verbindung stehen, er hat auch das Recht, dass mögliche Interessenkonflikte ständig überprüft und bereinigt werden. ... Mit erhobenem Zeigefinger schafft man dort keine Klarheit, sondern indem man dem Rechtsstaat zu seinem Recht verhilft."

Die dänische Tageszeitung INFORMATION aus Kopenhagen knüpfte einen Zusammenhang zwischen der Flut in Südostasien und der wieder gestiegenen Popularität von Bundeskanzler Schröder. Das Blatt schrieb:

"Nun wird ... Schröder schon zum zweiten Mal vom Wasser gerettet. Kurz vor der 2002 schon so gut wie verlorenen Bundestagswahl 2002 ging die Elbe über ihre Ufer und ließ ihn als tatkräftige Führungsfigur gegenüber einer inkompetent nörgelnden Opposition erstrahlen. Die Jahreswende jetzt hätte eigentlich ganz im Zeichen einer umfassenden Kanzler-Demütigung stehen sollen. ... Und dann kam wieder das Wasser. Die erwarteten Proteste gegen Hartz IV blieben aus, es gab kaum Reportagen über die Opfer der Reform. Die Tsunamiwelle stahl nicht nur alle Aufmerksamkeit, sie veränderte auch die Perspektive darauf, was in dieser Welt eigentliche Not ist. ... Die Tsunami-Katastrophe hat für die CDU/CSU vieles kaputt gemacht. Die deutschen Probleme wirken so klein, wenn man die Not in Südasien bedenkt."

Die Pariser Zeitung LE MONDE kommentierte den für Ende Februar angekündigten Besuch von US-Präsident Bush in Deutschland. Das Blatt schrieb:

"Berlin kann die Absichten der künftigen US-Regierung nicht vollständig entschlüsseln. Man ist froh, dass George Bush auf seiner ersten Auslandsreise nach seiner Wiederwahl in Deutschland Station macht. Doch man dämpft die Begeisterung gleich mit dem Hinweis, dass er nach Mainz in die ehemalige US-Besatzungszone reist und nicht in die Hauptstadt des wiedervereinten Deutschlands. ... Schröder sieht in dem Besuch eine Gelegenheit, seine Rolle als traditioneller Vermittler zwischen Washington und Paris zu bekräftigen und gleichzeitig Deutschlands Aussicht auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu verbessern, was derzeit eines der Hauptziele der deutschen Außenpolitik ist."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG konstatierte zum Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Bush:

"Das Zeitalter volksverbundener Haudegen ist wohl vorbei, und Politik ist ein kompliziertes Geschäft. ... Auch Bush wird trotz gestärkter Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses in die Niederungen des politischen Kuhhandels steigen müssen. Dafür hat er Talent."

Die überraschende Wende im transatlantischen Handelsstreit um milliardenschwere Subventionen für die Flugzeugbauer Boeing und Airbus beschäftigte das französische Wirtschaftsblatt LA TRIBUNE:

"Die USA und die Europäische Union haben sich klugerweise für Verhandlungen entschieden, um ihren Streit um Subventionen für den Flugzeugbau zu regeln. Keine der beiden Seiten will anscheinend der Welthandelsorganisation Gelegenheit geben, sich in die bilaterale Vereinbarung aus dem Jahr 1992 einzumischen. Darin haben Europäer und Amerikaner sich gegenseitig das Recht auf Subventionen für ihre Flugzeughersteller zugestanden. Für Washington und Brüssel erscheint diese Einigung auf Verhandlungen nicht schlecht. Jetzt muss allerdings der richtige Weg für einen akzeptablen Kompromiss gefunden werden. Dies ist ein sehr schwieriges Unterfangen, da die Positionen auf beiden Seiten weit auseinander liegen."

Mit der breiten Zustimmung des EU-Parlaments zur EU-Verfassung befassten sich mehrere Blätter. LA LIBERTÉ DE L'EST aus der Vogesen-Stadt Epinal überlegte:

"Das Votum ist vielleicht nur symbolisch. Dennoch sollte man die sehr breite Mehrheit im Straßburger Parlament, das zur 'Ratifizierung ohne Wenn und Aber' aufruft, nicht unterschätzen. ... Auch die Franzosen, die darauf warten, dass ihr Präsident das genaue Datum für das Referendum bekannt gibt, scheinen sich mittlerweile diesem neuen Schritt beim europäischen Aufbau nicht mehr widersetzen zu wollen."

Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN erwartete:

"In unserem Teil der Welt wird das neue Jahr von der Arbeit der EU mit der Annahme des neuen Verfassungsvertrages geprägt sein, mit dem die Spielregeln für Europas Politik auf lange Sicht festgelegt werden. Ein kleiner Schritt auf dem Weg war das erwartete Ja des Straßburger Parlaments. ... Wir können ... davon ausgehen, dass Europa hier und jetzt vor großen politischen Veränderungen steht."

THE GUARDIAN aus Großbritannien stellte fest:

"Die Verfassung schafft Probleme. Um in Kraft treten zu können, muss sie von allen 25 Mitgliedsländern ratifiziert werden: Volksabstimmungen zeichnen sich in Spanien, den Niederlanden, Frankreich, Dänemark und Polen ab. Auch droht ein derzeit offensichtlich nicht zu gewinnendes Plebiszit in Großbritannien. ...Ein Scheitern der Verfassungs-Ratifizierung wäre ein schwerer Rückschlag für die Glaubwürdigkeit der Union und würde Zweifel an ihrer Zukunft nähren."

Schließlich noch zu zwei französischen Blättern, die eine Äußerung des Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen kommentierten, das deutsche Besatzungsregime während des Zweiten Weltkriegs sei - so wörtlich - 'nicht besonders unmenschlich' gewesen. Zunächst die Pariser Zeitung LA CROIX:

"Die anstehenden Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz werden Europa in ein schmerzhaftes Erinnern tauchen. Die 'Negationisten' aller Arten mobilisieren sich in ihren Nestern, um die Augenscheinlichkeit des Horrors zu leugnen - kurz, es herrscht eine Stimmung, die Vergangenheit aufzuwühlen. Da Le Pen nichts zur Gegenwart zu sagen hat und auch nichts zur Zukunft, bleibt ihm nur das."

Und LE MONDE konstatierte:

"Es gebührt sich daran zu erinnern - um auf die verabscheuungswürdige Äußerung Le Pens zu antworten - dass die von der Nationalsozialistischen Partei in Berlin inspirierte deutsche Besatzung von 1940 bis 1944 auch in Frankreich von vielen Verbrechen geprägt war. Das schwerwiegendste war natürlich die Deportation von 77.000 französischen und ausländischen Juden sowie von Zehntausenden Widerstandskämpfern und politischen Gegnern nach Auschwitz und in andere Lager. Sehr wenige sind wiedergekommen und die, die das schafften, waren für den Rest ihres Lebens gezeichnet. Justizminister Dominique Perben hat richtig gehandelt, als er sofort Ermittlungen gegen Le Pen eingeleitet hat - auf der Grundlage des Gesetzes, welches das Leugnen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe stellt."