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Pressestimmen zu Griechenland

Christoph Hasselbach20. Februar 2015

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die griechischen Kreditvorschläge ziemlich prompt abgelehnt. Das stößt in der internationalen Presse auf ein geteiltes Echo.

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Kiosk mit Zeitungsständer (Foto: DPA)
Bild: imago/K-P Wolf

Dass die griechischen Zeitungen auf den deutschen Finanzminister eindreschen würden, war wohl zu erwarten, allen voran "I Avgi", die Parteizeitung des regierenden Linksbündnisses Syriza: "Schäuble spaltet Europa", heißt es da. Aber die Wut geht quer durch die Presselandschaft. Die konservative "Eleftheros Typos" nennt Schäubles schnelle Ablehnung der griechischen Vorschläge eine "Provokation" und meint: "Athen hat eine Kehrtwende um 180 Grad vollzogen. Jetzt muss Berlin zustimmen." Noch weiter geht die rechtspopulistische "Dimokratia". Darin ist von einem "blutdurstigen Schäuble" die Rede und von "Psychosen Deutschlands, die Europa spalten". Die Zeitung "Ta Nea" aus der politischen Mitte ist derselben Meinung, drückt es nur etwas netter aus: "Die von Berlin aufgezwungene Sparpolitik muss geändert werden, bevor sie Europa auflöst."

Aber auch in anderen Ländern hat die Presse Verständnis für Griechenland. Die linksliberale slowakische "Pravda" nennt den deutschen Finanzminister einen "Hasardeur" und fährt fort: "Wenn man Griechenland jetzt ertrinken lässt, zegit das, wie weit die sogenannte europäische Solidarität wirklich reicht."

Europa-, griechische Flaggen Foto: Matt Cardy/Getty Images
Muss die Europafahne in Athen irgendwann eingeholt werden?Bild: Matt Cardy/Getty Images

Angloamerikanische Medien warnen vor dem Zerfall

In der englischsprachigen Presse zieht man den Bogen viel weiter. Ambrose Evans-Pritchard rat der Bundesregierung im konservativen britischen "Telegraph", es nicht leichtfertig auf einen Austritt Griechenlands ankommen zu lassen, denn das könne leicht noch ganz andere als finanzielle Auswirkungen haben: "Man kann sich leicht eine Kette von Ereignissen vorstellen, bei der ein verbittertes Griechenland aus der NATO austritt und sich Russland zuwendet und am Ende auch die EU verlässt." Der Autor verweist auch auf links- und rechtspopulistische Bewegungen in anderen Staaten wie Spanien und Italien, die die nationalen Währungen ihrer Länder wiederhaben wollen.

Philippe Legrain fordert im amerikanischen Magazin "Foreign Policy" sogar Griechenland dazu auf, "gegenüber Deutschlands Einschüchterungsversuchen nicht nachzugeben". Die griechischen Vorschläge seien vernünftig, weil das Land ohne Schuldenerlass niemals aus dem Elend herauskommen werde.

"Zahlungsmuffel" und "Cowboy-Manieren"

Andere Zeitungen stellen sich dagegen klar auf die Seite Schäubles, so die französische Regionalzeitung "L'Alsace" aus Mülhausen: "Die Griechen haben den Marathon erfunden. Aber es ist nicht sicher, dass ihre europäischen Verbündeten Lust haben, endlos einem Zahlungsmuffel hinterherzulaufen, der immer neue Hinhaltemanöver sucht, um seine Schulden nicht zurückzahlen zu müssen."

Ähnlich sieht es der konservative "Figaro" aus Paris: "Mit ihren Cowboy-Manieren verlangen Tsipras und der inzwischen ach so bekannte Varoufakis neue Schecks und beleidigen dabei Europa, das sich aufgeopfert hat, um Griechenland vor dem Bankrott zu retten - ein Land, das Opfer seiner eigenen Unfähigkeit geworden ist." Frühere Verweise der Athener Regierung auf die deutsche Nazi-Vergangenheit findet das Blatt "skandalös".

Deutsche Presse wägt ab

Heftig gehen manche deutsche Zeitungen mit der Athener Regierung ins Gericht. Die "Lübecker Nachrichten" schreiben: "Sie scheint unter Realitätsverlust zu leiden. Verantwortungslos genug, dass sie ihrem Volk vorgaukelt, es gebe ein Recht auf Einlösung von Wahlversprechen zu Lasten Dritter. Sie droht auch noch mit Selbstmord ihres Landes, sollten Gläubiger die Rechnung nicht übernehmen. Nicht Europa steht am Abgrund, sondern Griechenland."

Griechenlands Finanzminister Varoufakis in Berlin bei Schäuble (Foto: DPA)
Kein gutes Verhältnis: Schäuble und VaroufakisBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die "Nürnberger Zeitung" meint ebenfalls verständnisvoll über den deutschen Finanzminister: "Schäuble ist es offenbar leid, zusammen mit der Kanzlerin als die Höllenhunde der EU angesehen und auch so behandelt zu werden. Alles Schlechte, was den Griechen im Lauf der letzten kargen Monate widerfuhr, wird dem Gespann aus Berlin in die Schuhe geschoben." Trotzdem glaubt die Zeitung, dass am Ende die Bundesregierung Zugeständnisse machen werde, "da niemand, auch Schäuble nicht, den Staatsbankrott will."

Der "Kölner Stadtanzeiger" klagt: "Die einen provozieren, die anderen lassen sich provozieren" und warnt, das Treffen der Euro-Finanzminister "könnte die letzte Chance sein, einen historischen Schaden für Europa abzuwenden."

Sorge vor schlechtem deutschem Image

Bei allem Verständnis in der Sache finden sich eine ganze Reihe von Pressestimmen, denen es nicht zuletzt auf die Wirkung von Schäubles Verhalten auf die europäische Öffentlichkeit ankommt. Die Magdeburger "Volksstimme" etwa findet Schäubles kategorische Ablehnung noch vor dem Treffen der Euro-Finanzminister zumindest ungeschickt: "Ohne Not bedienen Wolfgang Schäuble und seine Leute vorschnell das gängige Ressentiment gegenüber Deutschland, sich ständig als Zuchtmeister Griechenlands und des gesamten EU-Raumes aufzuspielen."

Auch der "Reutlinger Generalanzeiger" rät zur Zurückhaltung: "Es sollte der Eindruck vermieden werden, Deutschland werfe die Griechen aus dem Euroland hinaus. Schaukämpfe auf offener Bühne zwischen einzelnen Ministern der Länder braucht dieses Drama bestimmt nicht."