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Presse(un)freiheit à la Guantanamo

Von Daniel Scheschkewitz, Washington 6. Juli 2006

Das US-Gefangenenlager Guantanamo steht ausgewählten ausländischen Journalisten zwar für Besuche offen. Doch müssen diese an ihrer Arbeit, die man ihnen dort zu verrichten erlaubt, eher zweifeln.

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Es gehört zum Einmaleins des Reporter-Daseins, dass man die Dinge mit eigenen Augen gesehen haben muss. Diese journalistische Grundmaxime jedoch garantiert noch lange keine saubere, umfassende Berichterstattung. Ja, manchmal kann der persönliche Eindruck sogar täuschend sein. Die journalistische Berichterstattung aus dem US-Gefangenenlager in Guantanamo, Kuba ist hierfür ein Fallbeispiel par excellence.

Jeder Besuch auf dem US-Marinestützpunkt muss Wochen, wenn nicht Monate vorher angemeldet werden. Die Militärs prüfen gründlich, wer da kommt, meine Biographie war allen Soldaten, mit denen ich zu tun hatte, wohl vertraut. Man darf davon ausgehen, dass unliebsame Journalisten gar nicht erst eingeladen oder schnell wieder nachhause geschickt werden. So war es zehn Tage vor uns drei amerikanischen Kollegen gegangen, die das Pech hatten, während der drei Gefangenenselbstmorde gerade auf dem Marinestützpunkt zu recherchieren. Dabei ist der Grad, bis zu dem man sich den Medien öffnet, zwischen den Militärs vor Ort und den Vorgesetzten im Pentagon gelegentlich durchaus umstritten.

Schmerzende Kritik

Die Verbannung der Presse nach den für die USA peinlichen Selbstmorden ging auf das Verteidigungsministerium zurück. Der Lagerkommandeur, Admiral Harris, so heißt es, hätte die Journalisten lieber dabehalten, nach dem Motto: "Wir haben nichts zu verbergen." Und so kam es, dass einem Kollegen der französischen Tageszeitung "Le Parisien" und mir als ersten ausländischen Journalisten nach den Selbstmorden wieder eine Besuchserlaubnis erteilt wurde. Sicher nicht ohne Grund. Frankreich und Deutschland gehören zu den schärfsten Kritikern des Gefangenenlagers unter den amerikanischen Verbündeten und diese Kritik schmerzt.

Entsprechend zuvorkommend wurden wir von den US-Militärs behandelt. Von Pressoffizieren schon am Flughafen abgeholt, lassen die Militärs, die einen auf Schritt und Tritt während des zweieinhalbtägigen Aufenthalts begleiten, nichts unversucht, um bei den Journalisten für gute Stimmung zu sorgen. Angefangen von der Unterkunft in einem durchaus als luxuriös zu bezeichnenden Haus für Offiziere bis zur ständigen Versorgung mit kostenlosen kühlen Getränken. Für die Verpflegung sorgen ausgezeichnete Kantinen, die es mit jeder dreifach so teuren Lunchbar in der Hauptstadt Washington aufnehmen können. Und am Abend besucht man gemeinsam ein nettes kleines kubanisches Restaurant, in dem einheimische Küche serviert wird. Dabei wird gerne auch über Politik geredet und die Presseoffiziere halten mit ihrer Meinung durchaus nicht hinter dem Berg. Ihre Mission auf Guantanamo ist der Schutz der Freiheit - "Honour-bound to defend Freedom", so wie es das Motto des Lagers aus Sicht der Gefangenen wohl eher zynisch formuliert.

Wie auf Gleisen

Den Journalisten wird ein standardisiertes Besuchprogramm offeriert, das keinerlei Abweichungen zulässt. Vom Besuch des Gefangenenhospitals bis zum Interview mit dem Küchenchef ist alles vorgeplant. Kontakt mit den Gefangenen soll es unter gar keinen Umständen geben. So werden im Hospital schnell die Vorhänge vor den Krankenbetten zugezogen, bevor wir den Raum betreten dürfen. Ein Hinweisschild erinnert das medizinische Personal daran, dass immer mittwochs Journalisten kommen und dass dann die Tafeln mit dem Gesundheitszustand der Patienten zu bedecken sind.

Auch im Hochsicherheitstrakt "Camp 5" dürfen wir erst Fragen stellen, als wir außerhalb des Hörbereichs der Gefangenen sind. In der Vergangenheit soll es vorgekommen sein, dass die Gefangenen Journalisten Botschaften zugerufen haben. Das war nicht im Sinne der Militärs. Fragen zu den umstrittenen Verhörmethoden werden nicht beantwortet oder mit der Standardantwort "hier wird nicht gefoltert" bedient. Auch was fotografiert werden darf, ist bis ins Detail festgelegt. Gefangene nur aus der Entfernung und nicht gegen den eigenen Wunsch. Namensschilder von Soldaten sind ebenso tabu, wie militärische Anlagen, unbemannte Wachtürme oder Sicherheitsausweise, die man ja fälschen könnte. Bei alledem beruft man sich auf die Genfer Konvention, die den Umgang mit Kriegsgefangenen regelt, bzw. auf die eigene "operationelle Sicherheit". Alles was Soldaten und ihre Familien gefährden könnte, wird am Ende des Besuchs aus dem Audio und Fotomaterial herauszensiert. Im Krieg gegen den Terror gehen die Amerikaner keine unnötigen Risiken ein.

Schwieriges Urteil

Und doch hat sich der Besuch gelohnt. Man bekommt ein Gefühl für die Aura des Ortes, für die Angst die viele junge Wachsoldaten vor den Gefangenen verspüre ebenso wie für die Verzweifelung die viele der Gefangenen empfinden müssen , wenn sie hier häufig ohne Kontakt zu Außenwelt auf unabsehbare Zeit eingesperrt sind. Und man bekommt auch ein Gespür dafür, dass einem längst nicht alles gezeigt und erklärt wird. Warum man etwa nicht mit Geistlichen sprechen kann oder mit den berüchtigten "Contractors", den nicht zum Militär gehörenden Angestellten von Sicherheitsfirmen, die zusammen mit der CIA einen Grossteil der Verhöre durchführen.

Bei aller gebotenen Vorsicht und kritischen Distanz bleibt es dem Journalisten hinterher nicht erspart, ein Urteil abzugeben. Dafür sorgen schon die Kollegen im Sender, denen es nicht vergönnt war den Ort mit eigenen Augen zu inspizieren. War es die "Hölle auf Erden" wurde ich von einem dieser Kollegen nach meiner Rückkehr gefragt. Ein interessanter Vergleich, schließlich halten viele Amerikaner die USA für das auserwählte Land Gottes. Gut möglich , dass viele der Gefangenen ihren Wächtern die Hölle auf Erden wünschen. Das Lager als solches wird allem Anschein nach professionell und entsprechend der Genfer Konvention geführt. Dafür sorgen schon die regelmäßigen Besuch des Internationalen Roten Kreuzes. Und dennoch fragt man sich, ob die alles zu sehen bekommen?