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Prinz Asserate geschockt über Sarrazin-Buch

1. September 2010

Thilo Sarrazin holt in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" zum Rundumschlag gegen Ausländer und Muslime aus. Auch gegen Afrikaner. Der Äthiopier Asfa-Wossen Asserate nimmt im DW-WORLD-Interview Stellung dazu.

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Prinz Asfa-Wossen Asserate (Foto: dpa)
Asfa-Wossen Asserate ist Autor des Buches "Manieren"Bild: dpa

Prinz Asfa-Wossen Asserate ist ein Nachkomme des äthiopischen Kaiserhauses, er ist Unternehmensberater im Bereich Afrika und Nahost und Autor, unter anderem des Bestsellers "Manieren".

DW-WORLD.DE: Herr Asserate: Sind Afrikaner schlechtere Einwanderer?

Natürlich sind sie das nicht. Es wundert mich sogar, dass hier die Afrikaner im Besonderen hervorgehoben werden. Afrikaner kommen nach Deutschland, zumeist, weil sie keine absolute Zukunft mehr in ihren eigenen Ländern haben. Deshalb bemühen sie sich umso mehr, hier in Deutschland Fuß zu fassen. Sie kommen aus einem völlig anderen Kulturkreis. Sie kommen aber mit großen Hoffnungen. Und um diese Hoffnungen und Träume wahr zu machen sind sie bereit alles zu tun, um die neue Kultur kennen zu lernen. Vergessen wir bitte nicht, dass ein großer Teil der afrikanischen Einwanderer eine gemeinsame Basis mit den Deutschen hat. Das ist die Religion. Sie kommen her als evangelische Christen, als katholische Christen. Sie haben schon den ersten Schritt gemacht, indem sie Kontakte zu den Gemeinden haben, oder zu den deutschen Familien. Insofern muss ich Herrn Sarrazin rügen und ihm sagen, dass er die Frage der Afrikaner entweder falsch verstanden hat, oder polemisch gegen eine Gruppe von Menschen agiert, die es wirklich nicht verdient hat.

DW-WORLD.DE: Wie kommt denn die ganze Diskussion bei Ihrer Klientel als Unternehmensberater an? Wie reagieren zum Beispiel afrikanische Unternehmer und Fachkräfte auf Behauptungen, sie seien ungebildet und integrationsunwillig?

Es ist natürlich verheerend. Wissen Sie, Thilo Sarrazin ist durchaus ein heller Kopf, aber leider kein weiser Mensch. Es ist der Ton, der die Musik macht. Man kann die Integrationspolitik und die Einwanderungspolitik kritisieren. Aber dass man es auf diese Weise tut, ist eine vollkommen unakzeptable Sache. Und es macht einen traurig, dass hier Worte benutzt werden, die schon längst nicht mehr in diese globalisierte Welt gehören.

DW-WORLD.DE: Haben Sie denn den Eindruck, dass auch die Form der Diskussion bei afrikanischen Fachkräften oder Unternehmern dermaßen schlecht ankommt, dass sie sich überlegen in Deutschland nicht mehr willkommen zu sein? Weder sie als Mensch, noch ihre Investitionen, oder ihre Fähigkeiten?

Wissen Sie, das glaube ich nicht. Gott sei Dank besteht die Bundesrepublik Deutschland nicht nur aus Menschen wie Thilo Sarrazin. Ich bin der Meinung, dass da die afrikanischen Fachkräfte abwägen können. Auch wenn es rumort und auch wenn sie beleidigt und enttäuscht sind von solchen Aussagen. Vergessen Sie bitte nicht die Realität. Was soll aus diesen Menschen werden? Viele von ihnen können nicht mehr in ihre Länder zurückkehren. Insofern müssen wir vielleicht die Kritik des Herrn Sarrazin dazu benutzen, um auch die deutsche Außenpolitik in Frage zu stellen in punkto Afrika. Ich plädiere, wie Sie wissen, seit Jahrzehnten dafür, dass endlich die sogenannte Realpolitik in der deutschen Afrikapolitik verschwindet. Wenn wir wollen, dass weniger Afrikaner die Festung Europa stürmen, dann müssen wir aufhören, afrikanische Diktatoren und Gewaltherrscher zu unterstützen. Das ist essentiell einer der Hauptgründe für die große Migrationswelle nach Europa. Bessere Zustände in Afrika und die Garantie, dass die Afrikaner nicht ein reiches, aber ein menschenwürdiges Dasein in ihren eigenen Ländern führen können, ist die beste Form die Migration zu verringern.

DW-WORLD.DE: Sie selbst haben das deutsche Abitur, in Deutschland studiert, kennen sich besser in der europäischen Geschichte aus, als wahrscheinlich ein Großteil der Bevölkerung hier. Wie kommen denn die Äußerungen Sarrazins ganz persönlich bei Ihnen an?

Wissen Sie, ich bin jemand, der schon so viel in seinem Leben erlebt hat, dass mich nichts mehr wundert. Aber enttäuscht bin ich schon, dass ein Mensch eines geistigen Kalibers von Herrn Sarrazin überhaupt fähig ist, so etwas von sich zu geben. Es ist nicht nur eine Frage der Manieren, es ist eine Frage der Menschlichkeit. Wir müssen endlich hinsteuern zu dem Punkt, wo man Menschen nicht nach Ihrer Hautfarbe und nach Ihrem Stand, sondern einzig und allein nach ihrem Charakter beurteilt.

Das Gespräch führte Dirk Bathe

Redaktion: Katrin Ogunsade