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Gesellschaft

Ein Funktionsträger geht in Rente

2. August 2017

Er ist ein Baum von einem Mann und musste sich dennoch stets verzwergen. Das natürliche Schicksal des Gatten einer Königin. Dabei ist der britische Prinz Philip ein besonders unterhaltsamer. Jetzt macht er auf Privatier.

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Großbritannien Prinz Philip und Karikatur von Queen Elizabeth II
Bild: picture-alliance/dpa/C. Harris

Er wirkte schon immer wie aus der Zeit gefallen, manchmal fiel er auch aus dem Protokoll. Der deutsche Philip am Hofe der Windsors - offiziell der Duke of Edinburgh - hat die britischen Royals jahrzehntelang wohltuend politisch unkorrekt begleitet. Und das als "The Hun", der Hunne, wie ihn Queen Mum, seine Schwiegermutter, anfangs immer mal wieder nicht nur zum Scherz titulierte. Wer kann sich heute noch vorstellen, wie heikel dieser Heiratsdeal 1947 für das britische Königshaus war. Zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

Beste Nebenrolle

Formell ist Philip ein dänischer und griechischer Prinz, aber eben auch ein Deutscher. Einer, dessen Landsleute Bomben auf Westminster Abbey abgeworfen hatten, also auf die Kirche, in der er am 20. November 1947 Elizabeth zur Frau nahm. Er, der Prinz ohne Land und Heimat. Doch laut Elizabeth ein Gentleman.

Prinz Philip hat die kleinen Nischen gefunden und besetzt, die ihm das strenge Protokoll als Gatte immer einen Schritt hinter der Queen zubilligte. Es war nicht nur der brave Humor, den er einsetzte, um die vermutlich wichtigste Nebenrolle zu füllen, die ihm durch die Heirat zugewiesen worden war. Er ließ es manchmal auch krachen. Vor allem verbal.

Prinz Philip bei einem Sporttreffen in Edinburgh (1935)
Der Prinz als 14-Jähriger (1935): Groß, gut aussehend, ein SportsmannBild: picture-allianc/dpa/London Express

Bundeskanzler Helmut Kohl begrüßte er 1997 auf der Hannover Messe mit den Worten: "Guten Tag, Herr Reichskanzler." Über die Reaktion schweigen die Chronisten. Verbürgt ist auch dies: Er möge doch nicht so schnell fahren, mahnte ihn einmal eine Beifahrerin von der Rückbank der königlichen Limousine. Wenn sie noch einmal seinen Fahrstil kritisiere, werde er anhalten und sie könne zu Fuß nach Hause gehen. Danach war Ruhe. Es war die Queen, die sich so abkanzeln ließ.

Mit Ironie das Schicksal ertragen

Aber auch die feine Ironie beherrscht er. "Meine Frau hat in Philosophie promoviert, sie ist viel wichtiger als ich", verriet ihm ein Mann in Australien. "Wir haben das Problem auch in unserer Familie", konterte Philip süffisant.

Mit gezielten kleinen Sarkasmen konnte er seine bescheidene Nebenrolle bei Hofe immer wieder aufwerten. Als inoffizieller "King of Comedy" waren ihm Beifall und Buhrufe stets sicher. Wie bei der kalkulierten Provokation auf Staatsbesuch in Paraguay unter Diktator Alfredo Stroessner. Den hatte er mit der Sottise provoziert, er sei gern mal wieder in einem Land, in dem nicht das Volk das Sagen habe. Der subtile politische Scherz, auch das ein Hobby des Prinzen.

Aber auch Philip musste sich einiges gefallen lassen. Als halber Deutscher konnte er nicht auf einen Vertrauensvorschuss bauen. Als er 1956 ein Stipendienprogramm für Jugendliche auflegte, meldete sich der damalige britische Bildungsminister David Eccles mit den bösen Worten bei ihm: "Ich höre, Sie wollen eine Hitlerjugend gründen." Meistens teilte Prinz Philip aber aus.

Britisches Königspaar bei der Geburtstagsparade (17.07.2017)
Elizabeth und Philip vor dem Buckingham Palace (2017): Der Teppich verrät es - er ist stets etwas hinter ihrBild: Getty Images/Buckingham Palace/H. Burnand

Überhaupt: Die Mischung aus vorbildlicher Haltung und losem Mundwerk ist sein Markenzeichen. Als Royal setzte er dabei neue Maßstäbe und verschaffte dem britischen Königshaus hohen Unterhaltungswert. Ein wohltuender Kontrast zur formvollendeten Königin die ganz Pflicht, ganz Zurückgenommenheit verkörpert.

In Europa zu Hause und doch heimatlos

Auch sein vor-royales Leben war keines von der Stange. 1921 als "Prinz von Griechenland und Dänemark" auf Korfu geboren, musste er wegen des türkisch-griechischen Krieges schon als Kleinkind das Land verlassen. Seine hochadelige Familie zerbrach im Pariser Exil. Der Vater lebte fortan mit einer Geliebten in Cannes, die Mutter, Alice von Battenberg, eine Urenkelin Königin Viktorias, verbrachte den Rest ihres Lebens in Sanatorien. Seine vier älteren Schwestern heirateten allesamt deutsche Prinzen. Es war die britische Verwandtschaft der Mutter, die sich um Philip kümmerte.

Sie schickten ihn auf die besten europäischen Internate. Der Königshaus-Historiker Andrew Marr brachte die Persönlichkeit Philips auf den Punkt: Verzicht auf Selbstmitleid, der Glaube an das Sachliche, eine provokante Kantigkeit, eine gut versteckte Intellektualität und die Liebe zur Natur.

Prinz Philip Queen Elizabeth beim Polo in Windsor
Philip und Elizabeth II. als Polo-Zuschauer in Windsor (2007): Pferde als gemeinsame LeidenschaftBild: Getty Images/B. Stansall

So gerüstet startete er seine kurze britische Marinekarriere, ohne britischer Staatsbürger zu sein. Mit 18 lernte er die fünf Jahre jüngere Elizabeth kennen und sie blieben über den Krieg hinweg in Kontakt. Schon 1946 hielt er um ihre Hand an. Zur Hochzeit war seine deutsche, größtenteils NS-belastete Verwandtschaft nicht erwünscht.

Getrennte Schlafzimmer

Richtige Skandale aus dem Eheleben existieren entweder nicht, oder sie versickerten im Diskretionsnetz des Hofstaates. "Das ist keine Beziehung - das ist ein berühmter Gobelin!", beschrieb eine Kolumnistin die Ehe Elizabeths und Philips. Schon früh etablierten sie getrennte Schlafzimmer. Was Philip geradezu leidenschaftlich mit der Queen teilte, war die Liebe zu Pferden. Mit Elizabeths Corgis konnte er weniger anfangen. Regelmäßig verdrehte die Queen genervt ihre Augen, wenn ihr Mann wieder ungehörige Kommentare über ihr Hunderudel abgab. Manchmal folgte noch ein kurzes "Shut up!" von der Königin, doch in ihrem Umfeld war er der Einzige, der nicht vor Elizabeth katzbuckelte, berichten Vertraute.

Meister der kalkulierten Provokation

Die Psychologin Dorothy Rowe glaubt zu wissen, woher die raue, manchmal taktlose Art des Duke of Edinburgh rührt. "Wenn Menschen verletzende Aussagen über andere machen und das als Witz tarnen, dann sind sie meist sehr aggressiv, wollen aber zugleich nicht verantwortlich gemacht werden für das, was sie sagen." Kurz: Prinz Philip war frustriert über seine Rolle. Er fühle sich wie eine Amöbe, gestand er schon in den ersten Ehejahren, als es ihm Elizabeth aus Staatsräson untersagte, den gemeinsamen Kindern seinen Familiennamen Mountbatten zu geben. Dennoch galt er stets als Kopf des Clans. Sie herrschte über das Reich, er war Chef der "Firma Windsor".

Queen Elizabeth II mit Prinz Philip und Kindern
Königspaar mit seinen Kindern (1953): "Keine Beziehung, ein Gobelin"Bild: ZUMAPRESS.com/picture alliance

Mit ihm tritt einer aus dem Rampenlicht, dessen Zeit irgendwann Ende der 1950er, Anfang der 60er Jahre stehen geblieben zu sein schien. Was viele mit "altmodisch" verbinden, er verkörpert es.

Ob er Affären hatte, ist nie wirklich bestätigt worden. "Die Queen weiß, dass sich ihr Mann gerne amüsieren lässt", war das Maximale, was an Zugeständnis von Insidern aus dem Haus Windsor in Erfahrung zu bringen war. Verbrieft ist allerdings die Frage Philips: "Wie kann ich der Königin je untreu werden?" Um gleich selbst die Antwort auf die rhetorische Frage zu geben. "Sie könnte sich doch nie mit gleicher Münze wehren." 

In vier Jahren wird er 100, jetzt geht er in Rente und außerhalb von Schloss Windsor wird das britische Königshaus nun etwas langweiliger.

Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe