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Private Ryan in Bagdad?

Daniel Scheschkewitz / sam25. September 2002

Die USA steht längst nicht geschlossen hinter der Irak-Politik des Präsidenten: Hochrangige Ex-Militärs warnen vor Risiken und als einer der ersten einflussreichen Politiker hat nun auch Al Gore scharfe Kritik geübt.

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Kämpferisch: Al GoreBild: AP

Auch im Amerika ist Wahlkampf: Im November stehen die Wahlen zum Kongress auf der Agenda. Beim Thema Irak hielten sich die oppositonellen Demokraten bisher aber auffällig zurück. Ihnen hängt noch immer nach, dass sie seinerzeit gegen den Golfkrieg stimmten. Sie wollen sich diesmal nicht den Vorwurf machen lassen, unpatriotisch zu sein. Dass sich jetzt ausgerechnet Al Gore aus der Deckung wagt, ist kaum als Zufall zu begreifen - Gore hatte damals als einziger Demokrat für den Golfkrieg votiert.

Kein gutes Haar

In seiner am Montag (23.9., Ortszeit) in San Franscisco vor Anhängern der Demokratischen Partei gehaltenen Rede ließ der frühere und möglicherweise auch nächste Präsidentschaftskandidat der Demokraten kein gutes Haar an der Irakpolitik von Präsident George W. Bush. Seine harte Haltung bedrohe die internationale Koalition, die nach dem 11. September im Kampf gegen den Terror gebildet wurde. Der Krieg gegen den Terror, so Al Gore, erfordere unbedingt eine multilaterale Strategie. Es sei unmöglich diese Auseinandersetzung zu gewinnen, ohne die fortgesetzte und nachhaltige Unterstützung durch eine Vielzahl anderer Nationen.

"Vertrauen verspielt"

Ohne das Ziel einer Ablösung Saddam Husseins grundsätzlich in Frage zu stellen, kritisierte der ehemalige Vize-Präsident Bushs Doktrin der Präventivschläge, die zu weltweitem Misstrauen gegenüber den USA geführt habe: "Das Vertrauen ist verspielt und an sein Stelle ist eine weltweite Furcht getreten. Keine Furcht vor dem, was die Terroristen tun könnten - sondern vor dem, was wir im Begriff sind zu tun."

Gore steht mit seiner Kritik längst nicht allein: Während Bush im Kabinett über das weitere Vorgehen in der Irakfrage beriet und sein Sprecher Ari Fleischer das Irak-Dossier des britischen Premierministers Tony Blair als zusätzlichen Beweis für die Gefährlichkeit Saddam Hussein anführte, warnten im Kongress hochrangige Ex-Militärs vor den Gefahren eines schlecht durchdachten und unabgestimmten Irak-Krieges.

Wesley Clark
Ex-General Wesley ClarkBild: AP

Wesley Clark, inzwischen pensionierter US-General und zwischen 1997 und 2000 Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte, warb für eine entschlossenes diplomatisches Vorgehen gegen den Irak mit einer überzeugenden militärischen Drohkulisse im Hintergrund. Man müsse, so Clark, die UN stärken, statt sie zu umgehen.

Gefahr eines militärischen Fiaskos

Joseph Hoar, früheres Mitglied des US-Generalstabes, warnte ebenfalls vor einem US-Alleingang. Dieser könnte den Al-Kaida-Terroristen mehr Zulauf als je zuvor bescheren, sagte er. Zudem könne ohne eine umsichtige diplomatische und militärische Planung ein Krieg schnell zu einem Fiasko für die USA werden. "Käme es zu Straßenkämpfen in Bagdad, könnte man schnell ein ganzes Bataillon verlieren", so Hoar. "Ein solche Kriegsführung wäre extrem zeitaufwendig, und wir würden unsere ganze technologische Überlegenheit auf’s Spiel setzen. Ein solcher Krieg wäre wie die letzte Viertelstunde im Steven Spielbergs Film Private Ryan." Für Nicht-Cineasten: In dieser ist ein fürchterliches Gemetzel in einer vollkommen zerstörten Stadt zu sehen.

Zurück in die Rezession

Nicht nur bei Militärs und Politikern, auch bei den Ökonomen bekommt die Fraktion der Skeptiker allmählich Zulauf - nicht nur wegen der erwarteten Steigerung des Ölpreises. David Wyss, Chef-Volkswirt von "Standard & Poor's", bringt es auf den Punkt: Ein Angriff auf den Irak könnte, so sein Einwand, zum Zündfunken für die gesamte Region werden. Damit nehme auch das Risiko einer neuerlichen Terrorattacke auf Ziele in Amerika drastisch zu. Solche Szenarien würden ausreichen, um die US-Wirtschaft - und damit die Weltwirtschaft - in die Rezession zurückzuwerfen, befürchtet Wyss.