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Folgen des Atomausstiegs

Bernd Gräßler15. Oktober 2012

In Deutschland werden die Strompreise steigen, um die Energiewende zu finanzieren. Umweltminister Altmeier räumt Fehler "der Politik" ein, die Privathaushalte sind die Leidtragenden.

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Windräder drehen sich unweit des Vattelfall- Braunkohlekraftwerkes im brandenburgischen Jänschwalde vor den Kühltürmen (Foto: dpa9
Bild: picture-alliance/dpa

Pünktlich zum Beginn des Wahljahres 2013 werden Stromkunden in Deutschland mehr Geld für die sogenannte "Ökostrom-Umlage" zahlen müssen. Mit dieser Umlage soll die Energieerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse gefördert werden. Die Betreiber der Stromübertragungs-Netze kündigten eine kräftige Erhöhung von 3,6 auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde an. Verbraucherverbände rechnen mit Mehrkosten von 60 bis zu 100 Euro pro Jahr für einen Durchschnittshaushalt, Wohlfahrtsverbände warnen vor "Energiearmut" und drohenden Stromabschaltungen in sozial schwächeren Haushalten. Deutschland hat neben Dänemark ohnehin die höchsten Strompreise in Europa.

Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, verlangte staatliche Kontrolle, um "die Willkür der Stromversorger" bei der Festlegung der Strompreise zu beenden und warnte davor, auf die erneuerbaren Energien zu schimpfen, solange die großen Stromkonzerne "Mega-Profite" machten.

"Absurde Rabatte" für Unternehmen

Grünen-Parteichef Cem Özdemir kritisierte die Vielzahl der vom Staat an energieintensive Großunternehmen vergebenen Preisrabatte, mit denen ursprünglich deren internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten werden sollte. Inzwischen habe die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel diese Ausnahmen in absurdem Maße ausgedehnt. Laut Bundesverband Erneuerbare Energien hat sich die Zahl der von der Ökostrom-Umlage befreiten Betriebe mittlerweile auf etwa zweitausend vervielfacht,  was im kommenden Jahr eine indirekte Subvention von 4,7 Milliarden Euro bedeute. Zementfabriken, Rechenzentren und Schlachthöfe sind nach Ansicht der Grünen die falschen Adressaten solcher staatlichen Wohltaten. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) versprach, er wolle überprüfen, ob die Entlastung dieser Unternehmen auf Kosten der anderen Stromkunden in allen Fällen gerechtfertigt sei.

Auch in der Regierungskoalition aus Union und FDP hat die angekündigte Strompreis-Erhöhung zum Streit geführt. FDP-Chef Philipp Rösler verlangt eine schnelle Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus dem Jahr 2000, mit dem hohe Einspeisevergütungen für Strom aus Wind, Sonne und Biomasse für lange Jahre festgeschrieben wurden. Der Wirtschaftsminister setzt damit seinen Kabinettskollegen Altmaier unter Druck, der gerade mit Mühe und Not eine Absenkung der Förderung für die Solarstrom-Erzeugung erreicht hat, die im eher sonnenarmen Deutschland zuletzt dreimal schneller als geplant wuchs.

Umweltminister will "Energiewende mit Maß"

Altmaier seinerseits mahnt "ruhig Blut" an und möchte als nächstes die in die Höhe schießenden Subventionen für die boomende Windkraft- und Biomasse-Branche "vernünftig neu regeln", ohne deren Wachstum wieder abzuwürgen. Außerdem will er ab 2013 eine kostenlose Energieberatung für alle Haushalte einführen, um Strom zu sparen.

"Energiewende ja – aber mit Augenmaß", verkündet der erst seit knapp fünf Monaten amtierende Minister fast wortgetreu die von Kanzlerin Merkel vorgegebene neue Linie. Insgesamt, so Altmaiers Eingeständnis, "haben wir zu lange gewartet, die entsprechenden Konzepte zu entwickeln, um solche Strompreisanstiege auf das absolut Notwendige zu begrenzen".

Inzwischen kündigte mit RWE einer der vier großen deutschen Stromkonzerne an, er wolle trotz der erhöhten Ökostrom-Umlage den Strompreis für seine Kunden zu Jahresanfang 2013 zunächst nicht erhöhen.