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26. September 2011

DW-Korrespondentin Bettina Kolb reiste nach Arbil und begleitete das National Youth Orchestra of Iraq während seiner Proben vor dem Auftritt beim Beethovenfest. Hier der letzte von fünf Beiträgen mit ihren Eindrücken.

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Das NYOI bei einer Probe
Bild: DW/Kolb

Ausschlafen, so lange wie möglich. Bis mittags am liebsten. Die Geige bleibt im Kasten, und der Geiger reibt sich noch nicht ganz wach die Augen, die Haare sind auch noch nicht gekämmt. Es ist Freitag, und das Orchester darf sich erholen. 

In kleinen Gruppen wandern Musiker aus dem Hotel. Manche fahren zum Basar, um den Naschvorrat für die Reise nach Bonn aufzustocken; andere begeben sich dahin, wo Iraker ihre Freizeit scheinbar am liebsten verbringen: in die nächste Shopping Mall.

Die bietet neben allerhand Edlem zu knackigen Preisen eine Menge Fast Food oder Computerspiele. Um die gruppiert sich eine aufgeregte Schar junger Männer, die einem zusieht, wie er ein Autorennen mit Karacho an die Wand fährt. Sogar eine Eislaufbahn gibt es. Man sieht den klimatisch bedingten Mangel an Übung, nur wenige Wackelkandidaten ziehen ihre Runden. Sie fallen mehr, als dass sie vorwärts kommen.

Gepäckkontrollen und Platzmangel

Zwei Wochen Proben und ein Konzert hat das Orchester hinter sich. Am Samstag geht’s auf die Reise nach Bonn. Für die meisten ist es die erste Fahrt überhaupt ins Ausland. Während am späten Abend die Trompeten und das Horn vor dem Hotel gemütlich Shisha rauchen, läuft einer der Geiger nervös umher. Er wird die ganze Nacht kein Auge zu bekommen."Ich bin noch nie geflogen und habe total Angst, am Flughafen etwas falsch zu machen, und dann darf ich vielleicht nicht mit", sagt er.

Ich frage mich eher, wie all die Instrumente es bis Bonn schaffen werden. Aus Mangel an Stauraum in den Kleinbussen, die uns zum Flughafen bringen, wird ein Kontrabass aufs Dach geschnallt. Der Flughafen ist gesichert wie eine Festung. Gleich drei Roadblocks vor der ersten von drei Gepäckkontrollen. Von da weiter mit einem anderen Bus zum Terminal. Ein Wunder, dass bei all dem Durchleuchten, Umladen und weiterem Durchleuchten kein Instrument verloren geht.


Das National Youth Orchestra Iraq fährt zum Flughafen
Der lange Flug mach Deutschland steht bevor...Bild: DW/Kolb

Endlich auf nach Bonn

Auch die kurdischen Musiker haben in allerletzter Sekunde die Genehmigung ihres Arbeitgebers, des Kulturministeriums, erhalten, zwei weitere Wochen frei zu bekommen, um nach Deutschland zu fahren. Dort werden sie bei deutschen Gastfamilien leben. Die wichtigste Frage: "Was wird es dort wohl zu Essen geben?" "Es wird in jedem Fall ein kleiner Kulturschock", sagt Dirigent Paul MacAlindin. 

Aber erstmal steht der Flug an. Vor den Fenstern quetschen sich Trauben, jeder will die Welt von oben sehen. Flötist Waleed "liest" stolz eine deutsche Zeitung. Sein Foto ist groß im Feuilleton abgedruckt. "Mit Haydn in die Freiheit" lautet die Überschrift. Immer wieder zeigt er darauf: "Das bin ich." 

Als der Flieger in Frankfurt aufsetzt, klatschen alle erleichtert. Im Bus zum Terminal singen sie ein kurdisches Lied. Mit dem Tanzen halten sie sich noch zurück. Das wirkliche Abenteuer beginnt erst jetzt für das National Youth Orchestra of Iraq, und es wird seinen Höhepunkt am 01. Oktober finden, wenn die jungen Musiker in der Beethovenstadt Bonn vor einem großen internationalen Publikum die alten Meister und neue Werke spielen. Toi toi toi.

Autorin: Bettina Kolb
Redaktion: Suzanne Cords