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Problemflut in Evian

Rolf Wenkel 2. Juni 2003

Trotz gewalttätiger Protest-Demonstrationen, transatlantischer Streitigkeiten und dem Warten auf Zeichen der Versöhnung: Schwerpunkt des G-8-Gipfels in Evian sind Wirtschaftsthemen. Und die gehen alle gleichermaßen an.

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Der Hausherr empfängt seine internationalen GästeBild: AP

Die Weltwirtschaft befindet sich in einer schwierigen Lage. Auf die acht Gipfelteilnehmer wartet eine ganze Flut von ungelösten wirtschaftspolitischen Problemen. Dazu zählen die zunehmenden Deflationstendenzen in den USA, der Europäischen Union und in Japan. Die Verbraucher halten sich angesichts steigender Arbeitslosenzahlen und fallender Preise mit ihrem Konsum zurück, mit verheerenden Folgen für die Investitionen und die Arbeitsplätze: Angesichts kaum ausgelasteter Kapazitäten wird kaum noch investiert, werden Arbeitsplätze eher abgebaut als neue geschaffen.

Bush und Schröder im Garten mit Thumbnail
George W. Bush, Gerhard Schröder auf dem G-8-Gipfel in EvianBild: AP

Doch den Wirtschafts-Staatssekretär und G-8-Sherpa von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Alfred Tacke, ficht das alles nicht an. Warnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), Deutschland könne vor einer Deflation stehen, tut Tacke als Unkenrufe ohne Grundlage ab. Eine solche Entwicklung sei "überhaupt nicht zu erwarten" und beim G-8-Treffen entsprechend auch kein Thema.

SARS und der Euro

Es gibt aber auch andere Probleme. Zum Beispiel die Folgen der SARS-Epidemie in China, Hongkong, Taiwan und Kanada mit ihren Auswirkungen auf die ostasiatische Wirtschaft und die weltweite Luftverkehrs- und Tourismusindustrie. Hinzu kommen die Wechselkursverschiebungen zwischen Euro und Dollar - die US-Währung hat gegenüber dem Euro fast ein Drittel an Wert verloren, was den Amerikanern und ihrer Exportindustrie ganz lieb zu sein scheint.

Doch bevor die Europäer den Finger auf diese Wunde legen können, werden die Amerikaner vermutlich den Spieß umdrehen und auf die aus ihrer Sicht viel zu harten Defizit-Vorschriften der Europäischen Währungsunion verweisen - und darauf, dass sich die Europäische Zentralbank viel zu viel Zeit lässt mit der Lockerung der Leitzinsen. Und das in einer Situation, in der ganz Europa an einer eklatanten Wachstumsschwäche leidet, manche Deutschland gar am Rande einer Rezession sehen.

Wieder einmal ist es Schröders Sherpa Alfred Tacke, der abwiegelt: Gemeinsame Aktionen der G-8 zur Beeinflussung des Wechselkurses schloss Tacke jedenfalls aus. Und überhaupt: Die Perspektiven für die US-Wirtschaft seien gut, betont er, und auch in Europa hellten sich zumindest für die zweite Jahreshälfte die Aussichten auf.

"Botschaft des Vertrauens"

Gibt es gar am Ende gar keine Wirtschaftsprobleme? Offenbar nicht - vom G-8-Gipfel im französischen Evian soll nach dem Willen von Gastgeber Jacques Chirac ein Signal des wirtschaftlichen Aufbruchs ausgehen. In der Abschlusserklärung des Treffens am Genfer See werden damit vor allem frohe Botschaften stehen. "Ich bin überzeugt, dass Evian eine Botschaft des Vertrauens in das Wachstum der Weltwirtschaft aussenden wird", sagt Chirac. Trotz aller Differenzen im politischen Bereich teilten die G-8-Mitglieder schließlich dieselben wirtschaftlichen Grundhaltungen.

Ähnlich sieht das auch die Bundesregierung. Das große Thema in Evian sei die Frage der Zukunftsperspektiven, heißt es, und dazu gehöre die Frage der strukturellen Reformen. Alle G-8-Länder hätten das gleiche strukturelle Problem: eine älter werdende Bevölkerung, die zu steigenden Pensionslasten und zur zunehmenden Belastung der Gesundheitssysteme führe. Man werde in Evian über strukturelle Reformen reden müssen, um die Wachstumskräfte zu stärken.

In der Sackgasse

Bleibt der Welthandel. Die in Doha, der Hauptstadt von Katar begonnene neue Welthandelsrunde steckt in einer Sackgasse, die Diskussionen über eine weitere Liberalisierung der Weltwirtschaft sind weitgehend zum Stillstand gekommen. Vor allem der Streit über Exportsubventionen für Agrarprodukte spaltet die G8: Während die USA auf einen radikalen Abbau drängen, tun sich Europa und Japan schwer, die Beihilfen für ihre Landwirte zu reduzieren.

Eng verknüpft mit der Agrarfrage ist auch die von den G-8 beim vergangenen Gipfel im kanadischen Kananaskis angestoßene Afrika-Initiative. Washington hat diese mittlerweile entdeckt, um in dem Dauerstreit um Subventionen Druck auf die Europäer auszuüben. Wegen der Exporthilfen hätten die afrikanischen Staaten kaum eine Chance, eine eigene wettbewerbsfähige Landwirtschaft aufzubauen, monieren die Amerikaner. Dagegen haben die Europäer kaum Argumente.

Thema in Evian: Trinkwasser

Neu in Evian ist das Thema der Trinkwasserversorgung für die Entwicklungsländer. Deutschland unterstützt bereits entsprechende Projekte mit rund 350 Millionen Euro jährlich und gehört damit neben Japan zu den größten Geberländern in diesem Bereich. Auch die Europäische Union überlegt, ob sie nicht-abgeflossene Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit nicht besser in den Entwicklungsfonds für Wasserprojekte stecken will.

Nicht rütteln will die Bundesregierung auch trotz leerer Kassen am im G-8-Rahmen vereinbarten Schuldenerlass für arme Staaten der Welt, die so genannte HIPIC-Initiative (High Indebted Poor Income Countries). Dafür hat Deutschland laut Staatssekretär Alfred Tacke bislang sechs Milliarden Euro aufgewendet.