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Kritik an Drittmittelforschung

16. Mai 2011

Ohne Drittmittel läuft an deutschen Unis wenig. Doch wie beurteilen Professoren den Wettbewerb ums Fördergeld, wie wirkt er sich auf die Nachwuchsforscher aus? Das hat jetzt das Bonner Forschungsinstitut iFQ untersucht.

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Ein Mann in einem weißen Mantel gießt eine orange Flüssigkeit in ein Glas (Foto: Fotolia/Franz Pfluegl)
In den Naturwissenschaften ...Bild: Fotolia/Franz Pfluegl

Das Interview hätte Mats Paulsson am liebsten verschoben. Eigentlich habe er dafür keine Zeit, sagt er am Telefon. Dann lässt er sich doch überzeugen, schließlich geht es um ein Thema, ohne das an deutschen Hochschulen nichts geht: drittmittelfinanzierte Forschungsförderung.

Mats Paulsson ist Direktor des Instituts für Biochemie an der Universität Köln. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Förderanträge von Kollegen, die Paulsson alle noch lesen und kritisch prüfen muss. Denn nur dann können die Kollegen das beantragte Geld auch bekommen. Hinzu kommen seine eigenen Anträge um Drittmittel, also um Geld, das Forscher zum Beispiel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG bekommen – zusätzlich zum Uni-Budget. "Zusammen mit den zwölf Gruppenleitern hier in der Biochemie sind das bestimmt zwischen 30 und 40 Anträge im Jahr", sagt Paulsson.

Das alles erledigt Mats Paulsson neben seinen eigentlichen Lehr- und Forschungsaufgaben an der Uni. Doch ohne Drittmittel könne er keine ernsthafte Forschung betreiben, die im internationalen Wettbewerb mithalten kann. "Dann könnten wir nur den minimalen Unterrichtsbetrieb hier im Institut in Gang halten", beklagt Paulsson.

3000 Professoren haben sich an der Studie beteiligt

Eine Faust mit Euroscheinen stößt durch ein Loch in der Wand (Foto: Fotalia)
... geht ohne Drittmittel nichts.Bild: Fotolia/Light Impression

Da wundert es nicht, dass Professoren wie Paulsson ihrem Unmut jetzt in einer repräsentativen Studie Luft gemacht haben. "Forschungsbedingungen von Professorinnen und Professoren an deutschen Universitäten" heißt die Online-Umfrage des Bonner Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung iFQ, an der sich mehr als 3000 Professorinnen und Professoren bundesweit beteiligt haben.

"Deutsche Professoren sind keineswegs wettbewerbsfeindlich", bringt iFQ-Leiter Stefan Hornbostel die Studie auf den Punkt. "Aber sie beklagen die Bedingungen, unter denen der Wettbewerb stattfindet." Viele Professoren fühlten sich wie in einem Karussell, in dem sie der Esel sind, der der dicksten Karotte nachjagt.

Professoren leiden unter Publikationsdruck

Die Professoren kritisieren in der Studie die zunehmende Abhängigkeit von Drittmitteln. Sie geben an, unter dem großen Publikationsdruck zu leiden. Und sie drücken ihre Skepsis aus, ob die Verteilung der Drittmittel wirklich sachgerecht ist. Dabei fällt die Kritik im Einzelnen je nach Fach unterschiedlich aus. Biologen leiden besonders unter dem Druck, möglichst viele eigene Texte zu veröffentlichen. Geisteswissenschaftler lehnen es tendenziell eher ab, überhaupt nach Leistung gefördert zu werden.

Was alle kritisch beurteilen, ist die Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Befragten wünschen sich mehr unbefristete Stellen, damit der Nachwuchs ohne Druck promovieren kann. "Wenn ich einen neuen Doktoranden aufnehme, weiß ich nicht, ob ich ihn bis zum Ende finanzieren kann", sagt auch Mats Paulsson. "Das ist eine extreme moralische Belastung für mich."

Im internationalen Vergleich steht Deutschland gut da

Das Hauptgebäude der Universität zu Köln (Foto: dpa)
Mats Paulssons Arbeitsplatz: die Universität KölnBild: picture-alliance /dpa

Doch trotz aller Kritik: Im internationalen Vergleich stehe Deutschland gar nicht so schlecht da, sagt Stefan Hornbostel vom iFQ. Deutschland sei eher auf dem Weg der Angleichung. "In Großbritannien und in den USA zum Beispiel sind die Forschungsbudgets sehr viel knapper geworden", so Hornbostel. Wer sich als Wissenschaftler in Deutschland um Drittmittel bemühe, habe viel mehr Erfolg, das Geld auch bewilligt zu bekommen.

Mats Paulsson, der aus Schweden stammt und viele Jahre in der Schweiz wissenschaftlich tätig war, teilt diese Einschätzungen. "In Deutschland ist die Situation besser als in den meisten Ländern, die ich kenne." Deshalb arbeite er bis heute an einer deutschen Universität.

Autorin: Svenja Üing
Redaktion: Gaby Reucher