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Programmierung des Scheiterns

Peter Philipp25. Februar 2003

Einen Monat nach den Parlamentswahlen ist Ministerpräsident Ariel Scharon die Bildung einer neuen Regierungskoalition gelungen. Eine Koalition von nur begrenzter Haltbarkeit und Effektivität, meint Peter Philipp.

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Am Montag (24.2.2003) wurde der Koalitionsvertrag zwischen Scharons Likud und der säkularen Schinui-Partei unterzeichnet. Bereits am Sonntag (23.2.) hatte man sich auf die Zusammenarbeit mit der Nationalreligiösen Partei (NRP) verständigt.

Der Name der Partei heißt "Schinui" und das bedeutet "Wandel" oder "Veränderung". In der Hoffnung gerade darauf hatten die israelischen Wähler diese Partei bei den Wahlen am 28. Januar zur drittstärksten Kraft anwachsen lassen und folgerichtig ist Schinui nun auch an der Koalition beteiligt, die Ministerpräsident Ariel Scharon vereinbarte.

Ob es aber zu Veränderungen kommt, muss mehr als bezweifelt werden, denn die Koalition in ihrer gegenwärtigen Form umfasst nur 61 der 120 Abgeordneten, stützt sich also auf die Mehrheit von nur einer Stimme. Und das - so haben frühere Koalitionen in Israel immer wieder gezeigt - kann verheerende Folgen haben. Zumindest ist es eine Programmierung des Scheiterns.

Der Führer von Schinui, der Journalist Tommy Lapid, hatte sich auch eine andere Koalition vorgestellt: Er plädierte für eine große Koalition der nicht-religiösen Parteien, um den Einfluss der Religiösen und Orthodoxen auf die israelische Politik endlich zu reduzieren oder gar auszuschalten. Auch Scharon wäre solch eine Koalition sicher genehmer gewesen, denn er hat bereits seine Erfahrungen mit den Religiösen gemacht.

Aber Scharon hätte zu solch einer Koalition die Beteiligung der Arbeitspartei gebraucht. Diese war zwar der große Verlierer der Wahl, ist aber immer noch zweitgrößte Partei. Mit Arbeitspartei-Chef Mitzna war aber nicht zu reden: Er hatte sich viel zu lautstark gegen ein erneutes Zusammengehen mit Scharons Likud ausgesprochen, als dass er sich nun ein Umfallen leisten könnte. Mitzna weiß nur zu gut, dass der Wähler seiner Partei übel genommen hat, dass sie die erste Regierungszeit Scharons als Feigenblatt begleitet hatte. Und er ist entschlossen, dass die Sozialdemokraten sich nun in der Opposition profilieren müssen, wenn sie nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wollen.

Mit Schinui hat Scharon zwar eine schmale Mehrheit, aber auch nur, weil er die Nationalreligiöse Partei (NRP) mit ins Boots geholt hat - eine Partei, die seit Jahren das Rückgrat der Siedlerbewegung in den besetzten Gebieten darstellt. Aus doppeltem Grund eine Schwachstelle der Koalition: Die bewusst anti-religiöse Schinui hat wegen der Nationalreligiösen zurückstecken müssen und Kompromisse
über die palästinensischen Gebiete - die für eine Friedensregelung unerlässlich wären - sind mit der NRP kaum zu erwarten.

Da nützt es wenig, dass Schinui erklärt, man habe Scharon weitgehend auf die Vorschläge der USA festgelegt, was den Fortgang der Friedensbemühungen und letztlich auch die Schaffung eines palästinensischen Staates betrifft. Scharon hatte an diesen amerikanischen Plänen ohnehin bereits Kritik geübt und sie zu verwässern versucht. Und es war nur die allgemeine Fokussierung auf den Irak, die Washington daran hinderte, sich im Detail dazu zu äußern.

Ein letzter Grund, an der Effektivität der sich abzeichnenden
Koalition zu zweifeln: Um die schmale Mehrheit auszubauen, müsste Scharon weitere Koalitionspartner hinzuziehen. Zur Verfügung stehen aber nur noch orthodoxe oder extrem nationalistische Parteien - keine Partner für Schinui. Es sei denn, Tommy Lapid wirft seine bisherigen Prinzipien völlig über Bord. Dann aber würde er die Rolle des Feigenblattes für die Scharon-Politik übernehmen und eine Friedensregelung würde noch unwahrscheinlicher als bisher.