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Konsulat besetzt

8. Dezember 2008

Tödliche Schüsse der Polizei auf einen 15-Jährigen haben in Griechenland die schwersten Unruhen seit fast zwei Jahrzehnten ausgelöst. Jetzt wurde auch das griechische Generalkonsulat in Berlin von Demonstranten besetzt.

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Besetztes Konsulat. Quelle: ap
"Ermordet vom Staat" steht auf dem Banner, was die Besetzer des Konsulats in Berlin geschrieben habenBild: picture-alliance/ dpa

Nach den schweren Zusammenstößen in Griechenland haben die Proteste nun Deutschland erreicht: Das griechische Generalkonsulat in Berlin wurde von Demonstranten besetzt. Nach Angaben des Botschaftssprechers Pantelis Pantelouris waren die Besetzer am Montagmorgen (08.12.2008) in das Gebäude gekommen und hätten es für besetzt erklärt. Die Demonstranten haben eine Resolution zum Tod des 15-jährigen Schülers überreicht. Außerdem wurde die griechische Fahne vom Dach des Gebäudes genommen und ein Transparent mit der Aufschrift "Staat Mörder" aufgehängt. Die deutsche Polizei ist mit 130 Mann im Einsatz.

Gespannte Ruhe in Griechenland

Brennende Gegenstände, griechische Polizisten (7.12.08) Quelle: AP
Löscharbeiten in einem Kaufhaus in AthenBild: AP

Unterdessen hat sich die Lage in der Hauptstadt Athen und in anderen Städten am Montag vorerst beruhigt. Wie das griechische Fernsehen berichtete, haben sich fast alle Angehörigen autonomer Gruppen aus den Straßen zurückgezogen und auch das Polytechnikum in Athen verlassen, wo sie sich während der Nacht verbarrikadiert hatten.

Die Ruhe könnte jedoch trügen: Für den Montagabend wurden neue Demonstrationen angekündigt. Griechenland könnte eine weitere unruhige Nacht bevorstehen. Von Entwarnung könne nicht die Rede sein, hieß es. Deswegen blieben am Montag auch alle Schulen geschlossen. "Viele Schüler haben die Schulen besetzt. Wir Lehrer streiken für drei Tage", sagte der Präsident der Lehrergewerkschaft, Dimitris Bratis.

Aufräumen in Athen

Mehr als 500 Angestellte der Hauptstadt Athen begannen am Montag, ausgebrannte Autowracks aus den Straßen zu räumen. Bei den Straßenkämpfen waren am Wochenende mehr als 40 Menschen verletzt worden. Neben Geschäften, Bankfilialen und Regierungsgebäuden wurden auch Privatwohnungen demoliert. Da die Polizei massiv Tränengas gegen die Demonstranten einsetzte, litten hunderte Einwohner Athens unter Atembeschwerden.

Noch am Sonntagnachmittag war es in der Hauptstadt bei einer Demonstration von rund 5000 Menschen zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Bereits am Sonntagmorgen waren mehrere Universitätsgebäude besetzt worden. Auch in den nordgriechischen Städten Thessaloniki, Komotini und Ioannina, im südgriechischen Patras sowie auf der Mittelmeerinsel Kreta war es zu Protesten gekommen.

15-Jähriger erschossen

Brennende Autos vor der Technischen Universität (Quelle: AP)
Solche Szenen spielten sich in Athen noch am Sonntag abBild: AP

Anlass für die massiven Proteste war der Tod eines 15-Jährigen, der von einem Polizisten am Samstag erschossen wurde. Der Junge gehörte nach Augenzeugenberichten zu einer kleinen Gruppe von Jugendlichen, die am Samstagabend einen Streifenwagen in Athen mit Steinen attackierten.

Ein Polizist gab daraufhin drei Schüsse ab und traf den Jugendlichen in die Brust. Der Junge wurde ins Krankenhaus gebracht, wo aber nur noch sein Tod festgestellt werden konnte.

Polizei spricht von "Selbstverteidigung"

Erst mehrere Stunden nach den tödlichen Schüssen in Athen gab die Polizei eine Erklärung heraus, wonach der Streifenwagen des Polizisten von 30 Steine werfenden Jugendlichen angegriffen worden sei. Daraufhin hätten die beiden Beamten in dem Auto zur Selbstverteidigung von der Waffe Gebrauch gemacht. Während ein Polizist eine Blendgranate gezündet habe, habe der andere drei Schüsse abgegeben, von denen einer den Minderjährigen getroffen habe. Der Polizist sprach von Warnschüssen, der Junge sei durch einen Querschläger getroffen worden. Augenzeugen hingegen berichten, der Polizist habe direkt in die Richtung des 15-Jährigen geschossen. Die Beamten wurden in Untersuchungshaft genommen.

Regierung kündigt Konsequenzen an

Griechischer Innenminister Pavlopoulos (Quelle: Griechische Botschaft)
Das Rücktrittsangebot von Innenminister Pavlopoulos ist vom Regierungschef abgelehnt wordenBild: Botschaft Griechenland

Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias übte indirekt Kritik am Vorgehen der Polizei. Die Rechtsstaatlichkeit sei durch diese Ereignisse verletzt worden. Innenminister Prokopis Pavlopoulos sagte eine eingehende Untersuchung des Zwischenfalls zu. Bei einem schuldhaften Handeln müssten die Beamten mit Strafen rechnen. Er bot dem Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis seinen Rücktritt an, was dieser jedoch ablehnte. Er sprach der Familie des Opfers sein Beileid aus.

Die Unruhen erinnern an die schweren Unruhen in Athen im Januar 1991. Damals setzten Anarchisten zwei Kaufhäuser in Brand, in denen vier Menschen ums Leben kamen. Der Fall ruft in Griechenland ebenfalls Erinnerungen an den Tod von Michalis Kaltezas wach, der 1985 als 15-Jähriger ebenfalls im Viertel Exarchia während einer Demonstration von einem Polizisten erschossen worden war. Sein Tod war über mehrere Jahre hinweg Anlass für Zusammenstöße zwischen der Polizei und linksextremen Jugendgruppen gewesen. (ako)