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Proteste in Griechenland dauern an

7. Mai 2016

Das griechische Parlament berät über weitere noch härtere Einschnitte ins Rentensystem. Die Gewerkschaften streiken und demonstrieren dagegen. Hedgefonds hingegen trauen dem Land eine Erholung zu.

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Griechenland Generalstreik Demonstration in Athen Foto: Reuters/A. Konstantinidis
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Aus Protest gegen ein neues Sparprogramm mit Rentenkürzungen haben die griechischen Gewerkschaften den zweiten Tag in Folge gestreikt. Die meisten Ägäis-Fähren blieben in den Häfen, die Eisenbahner legten ihre Arbeit nieder, der Nahverkehr in Athen und anderen Städten brach zusammen.

Auch Journalisten legten die Arbeit nieder. Im Radio und Fernsehen bestand das Programm nur aus Musik und Filmen. Im Parlament hatte am Vormittag eine zweitägige Debatte über das neue Bündel von Sparmaßnahmen begonnen. Die Abstimmung ist für den späten Sonntagabend geplant. Neben Rentenkürzungen um 1,8 Milliarden Euro sind 1,8 Milliarden Euro an Steuererhöhungen vorgesehen. Zu einem späteren Zeitpunkt plant die Regierung, indirekte Steuern in Höhe von weiteren 1,8 Milliarden Euro vom Parlament billigen zu lassen.

Arbeitslose und Rentner machen ein Drittel der Bevölkerung aus

Für das komplette Wochenende sind Demonstrationen der Gewerkschaften geplant. Die Gewerkschaften bezeichnen die neuen Rentenkürzungen als den Grabstein für das Rentensystem. In Griechenland sind die Renten seit Ausbruch der schweren Finanzkrise vor sechs Jahren bislang zwölf mal gekürzt worden. Dennoch ist das System weiterhin instabil. Von den etwa elf Millionen Einwohnern des Landes sind 1,2 Millionen arbeitslos. Nur knapp 3,6 Millionen haben eine Arbeit. Viele davon verdienen weniger als 500 Euro monatlich. Fast 2,7 Millionen sind Rentner. Regierungschef Alexis Tsipras warnte wiederholt: Wenn es keine Reformen gebe, werde man in wenigen Jahren gar keine Renten auszahlen können.

Das neue Sparmaßnahmen-Bündel sieht auch erhebliche Erhöhungen der Einkommensteuern vor. Der steuerfreie Betrag soll von 9.545 Euro auf 8.636 Euro gesenkt werden. Kleinere Unternehmen, die Gewinne bis zu 50.000 Euro haben, müssen statt bislang 26 Prozent nun 29 Prozent Steuern zahlen. Finanzminister Euklid Tsakalotos hatte bereits vor drei Wochen erklärt, er werde auf keinen Fall einen niedrigeren steuerfreien Betrag als 9.100 Euro akzeptieren. Dies sei seine rote Linie, hieß es damals.

Kredite für Kredite

Die Abstimmung gilt demnach als Kraftprobe für die Links-Rechts-Koalition unter Alexis Tsipras. Er verfügt über eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Abgeordneten. Die Sparmaßnahmen sind Voraussetzung für weitere Finanzhilfen für das von der Pleite bedrohte Land. Überlebt Tsipras politisch diese Probe, steht sofort neuer Stress vor der Tür: Mit Spannung wird in Athen die für Montag angesetzte Sitzung der Eurogruppe erwartet. Die Zeit wird - wieder einmal - knapper. Griechenland braucht frisches Geld. Im Juli müssen insgesamt 3,7 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger gezahlt werden. Dieses Geld hat Athen nicht, solange nicht Mittel aus dem im Sommer 2015 grundsätzlich vereinbarten dritten Hifspaket fließen.

Griechenland wird bereits seit 2010 mit internationalen Hilfskrediten vor der Pleite bewahrt. Zahlreiche Analysten haben vorgezogene Wahlen in Griechenland nicht ausgeschlossen. Diese könnten kommen, wenn Tsipras das Votum nicht übersteht. Sie könnten aber auch dann ausgerufen werden, wenn die Gläubiger sich nicht darauf einigen, wie es mit Griechenland weitergehen soll. Der IWF fordert weitere Sparmaßnahmen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro.

Im Vorfeld des Eurogruppen-Treffens sprach sich Finanzminister Tsakalotos deutlich gegen ein zusätzliches Sparpaket "auf Vorrat" aus. Zudem fordert der IWF Regelungen, die den griechischen Schuldenberg tragbar machen sollen. Damit ist ein verdeckter Schuldenschnitt in der Form von einer Streckung der Zahlungfristen gemeint, wie aus Diplomatenkreisen zu hören war.

Gabriel mahnt Schuldenschnitt an

Unterdessen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel vor dem Treffen der Euro-Finanzminister eine Schuldenerleichterung für Griechenland angeregt. "Die Eurogruppentagung muss einen Weg finden, den Teufelskreis in Griechenland zu durchbrechen", sagte Gabriel gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Es helfe dem Land und seinen Menschen nicht, alle zwölf Monate darum kämpfen zu müssen, neue Kredite zur Bezahlung von alten Krediten zu bekommen. Griechenland brauche eine Erleichterung seiner Schuldenlast, sagte der Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Die Finanzminister der Eurozone müssten flexibel alle Möglichkeiten dafür nutzen, die ihnen zur Verfügung stünden. "Alle wissen, dass diese Erleichterung der Schuldenlast irgendwann kommen muss. Es macht keinen Sinn, sich davor immer wieder zu drücken", sagte Gabriel. Völlig falsch wäre es, Griechenland jetzt mit immer neuen Sparmaßnahmen zu überziehen. Griechenland habe es immerhin geschafft, ein besseres Wirtschaftswachstum zu erzielen, als alle erwartet hätten. Es mache keinen Sinn dieses zarte Pflänzchen jetzt durch neue Sparmaßnahmen wieder zu zerstören, warnte Gabriel.

Der SPD-Chef will auch bei einem Treffen mit Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven und Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann am Sonntag in Stockholm über Griechenland sprechen.

cgn/wl (dpa, rtr)