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Provokationen zum Prozessauftakt

22. April 2009

In Düsseldorf hat der Prozess gegen die islamistische Sauerland-Gruppe begonnen. Laut Anklage planten die vier Männer Anschläge, die das Ausmaß des 11. September 2001 in den USA erreichen sollten.

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Einer der Angeklagten spricht mit seinem Anwalt (Foto: AP)
Prozessbeginn im Düsseldorfer GerichtsaalBild: AP

Laut Anklage wollten die zum Islam konvertierten Deutschen Fritz Gelowicz und Daniel Schneider, der Deutsch-Türke Atilla Selek und der Türke Adem Yilmaz mit Sprengstoffanschlägen möglichst viele US-amerikanische Bürger in Deutschland töten. Die vier Männer "waren getrieben von dem Willen, auch in Deutschland die Feinde des Islam - vornehmlich US-Bürger - zu vernichten", sagte Bundesanwalt Volker Brinkmann bei der Verlesung der 40-seitigen Anklageschrift zum Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf am Mittwoch (22.04.2009).

Die mindestens drei von den Angeklagten geplanten Autobomben-Anschläge hätten das Ausmaß der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA erreichen sollen. Als Mitglieder und Gründer einer deutschen Zelle der Islamischen Dschihad Union (IJU) seien sie erfüllt gewesen von einem "abgrundtiefen Hass auf die USA als größtem Feind des Islam". Doch auch deutsche Opfer seien ihnen willkommen gewesen, ergänzte Bundesanwalt Ralf Setton. Die Angeklagten hätten ein "medienwirksames Zeichen des Terrors setzen wollen".

Angeklagte provozieren die Richter

Sichergestellte Chemikalien-Behälter (Foto: AP)
Aus diesem Material sollten die Bomben gebaut werdenBild: AP

Alle vier Angeklagten erschienen mit fusseligen Bärten und weißen Häkel-Mützchen vor Gericht. Adem Yilmaz provozierte die Richter zudem offen, indem er sich weigerte, die Gebetskappe abzunehmen und sich zur Vereidigung der Dolmetscher zu erheben. "Ich stehe nur für Allah auf", rief er grinsend. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft beantragten drei Tage Ordnungshaft gegen Yilmaz, bevor sie schließlich die Anklage verlasen.

Ankläger contra Verteidiger

Im Düsseldorfer Gerichtssaal bleiben wechselseitige Anschuldigungen aus. Derweil ist der Schlagabtausch zwischen Anklage und Verteidigung via Medien in vollem Gang. Die Verteidiger halten die Aussagen von Auslandszeugen in Usbekistan und Kasachstan für unverwertbar, weil die Zeugen möglicherweise gefoltert worden seien. Außerdem hätten die Ermittler illegal gewonnene Geheimdienst-Informationen genutzt, V-Leute seien mit von der Partie gewesen und bei der Zünderbeschaffung habe der US-Geheimdienst CIA mitgewirkt.

Terrorversteck im Sauerland (Foto: AP)
Die Idylle trügt: In diesem Ferienhaus hielten sich die Terrorverdächtigen verstecktBild: AP

Bundesanwalt Brinkmann hingegen will von Geheimdienst-Umtrieben und V-Leuten nichts wissen. "Wir haben derartige Erkenntnisse nicht", sagte er. Es sei für ihn auch nicht nachvollziehbar, wieso die CIA sich an der Zünderbeschaffung für Anschläge gegen Amerikaner beteiligt haben sollte. Und die Vernehmung der Zeugen im Ausland sei auf Video aufgezeichnet worden - es gebe keinerlei Hinweise auf "verbotene Methoden". Aber selbst wenn das Gericht die Aussagen als nicht verwertbar einstufen würde, sei dies nicht entscheidend. "Die Anklage basiert nicht allein auf diesen Zeugen."

Der auf zwei Jahre angesetzte Mammut-Prozess findet unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen und begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot statt. Bei einem Schuldspruch drohen den Angeklagten bis zu 15 Jahre Haft wegen Mitgliedschaft in einer in- beziehungsweise ausländischen Terrorvereinigung sowie wegen der Vorbereitung von Anschlägen und der Verabredung zum Mord.

US-Geheimdienst brachte den entscheidenden Tipp

Die vier Männer hatten aus einem hochexplosives Wasserstoffperoxid-Gemisch Bomben bauen wollen. Nach einem Hinweis des US-Geheimdienstes überwachten rund 600 deutsche Ermittler die Verdächtigen monatelang. Dabei beobachteten sie auch, wie sich die Gruppe die rund 700 Kilogramm Wasserstoffperoxid beschaffte - genug zur Herstellung von etwa 550 Kilogramm Sprengstoff. Die geplanten Bomben hätten damit eine verheerende Wirkung gehabt. Beim Aufkochen der Chemikalie in einem Ferienhaus im Sauerland nahm eine Spezialeinheit der GSG 9 die Polizei die Männer Anfang September 2007 schließlich fest. (qu/gri/dpa/ap/afp/rtr)