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Politik

Puigdemonts möglicher Erbe

2. November 2017

Der katalanische Nationalist Carles Puigdemont hat sich nach Belgien abgesetzt. Mit Santi Vila macht sich schon ein möglicher Nachfolger bereit. Auch er will die Unabhängigkeit, aber im Rahmen der Verfassung.

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Spanien Santi Vila
Bild: picture alliance/Cordon Press

Santiago Vila Vicente, den alle nur Santi Vila nennen, ist das freundliche Gesicht des katalanischen Separatismus. Das verschafft ihm jetzt eine gute Ausgangsposition, um vielleicht künftiger Ministerpräsident Kataloniens zu werden. Als einziges Mitglied der Ministerriege der katalanischen Regionalregierung war er zurückgetreten, als ihm Puigdemonts Konfrontationskurs mit Madrid zu weit ging. 

"Meine Dialogversuche sind wieder einmal gescheitert", hatte er bei seinem Rücktritt getwittert. Tatsächlich hatte Santi Vila in den Wochen, in denen die Stimmung zwischen Barcelona und Madrid hochkochte, immer wieder zur Mäßigung und zum Dialog aufgerufen. Im Unterschied zu seinem ehemaligen Chef unterhält er auch enge persönliche Kontakte zu wichtigen Madrider Politikern sowohl der regierenden Volkspartei als auch der Sozialisten. Wie er in einem Rundfunkinterview andeutete, hat Santi Vila bis zuletzt im Hintergrund versucht, einen Kuhhandel zustande zubringen: Neuwahlen in Katalonien, wenn Madrid im Gegenzug den Artikel 155 der Verfassung nicht aktiviert hätte, der die Region unter die direkte Kontrolle der Zentralregierung stellte. Doch weder Puigdemont noch Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy waren dafür zu haben. Mit Puigdemont hat Santi Vila offenbar gebrochen. Niemand in der Parteiführung habe etwas von dessen Flucht nach Belgien gewusst, sagte er jetzt.

Spanien - Demonstrationen für die Einheit von Spanien und Katalonien in Barcelona
Die Katalanen sind gespalten in Unabhängigkeitsbefürworter und -gegnerBild: Reuters/Y. Herman

Denken in historischen Zeiträumen

Doch auch wenn beide Männer verschiedene Wege gewählt haben, ihr Ziel eint sie: eine Unabhängigkeit Kataloniens. Vila will sie "von einer gemäßigten Position aus" erreichen. "Separatismus ist legitim, aber er muss innerhalb des Gesetz verteidigt werden", sagte er dem Sender Sexta Televisión. Puigdemonts Vorpreschen habe die gemeinsame Sache zurückgeworfen, glaubt er: "Wir brauchen jetzt Besonnenheit. Wir wollten Katalonien zu den Toren der Unabhängigkeit führen, aber wir haben es in eine Zeit zurückgeworfen, als es noch keine Autonomie hatte", sagte er mit Blick auf die Tatsache, dass Katalonien vorübergehend wieder von Madrid verwaltet wird.

Santi Vila setzt auf Geduld. Das Denken in historischen Dimensionen kommt sicher auch durch sein Geschichtsstudium. Geschichte hat er auch gelehrt, bevor er Politiker wurde, zuerst an einem Gymnasium, später an der Universität von Gerona.

Puigdemont hat seine Autorität verloren

Doch erst einmal will er nach der Neuwahl in Katalonien am 21. Dezember Chef der Regionalregierung werden. Dass er der Richtige ist, davon ist er überzeugt: "Ich habe die Mannschaft, die Unterstützung und die Entschlossenheit", sagte er vor wenigen Tagen im Sender RAC 1. Und: Er wolle "den Moderaten eine Stimme verleihen". Dass seine Partei, die Demokratisch-Europäische Partei Kataloniens (PDeCAT), bereits am Montag ankündigte, an der Wahl teilzunehmen, bedeutet auch, dass sie die Madrider Bedingungen akzeptiert - und sich von Puigdemont losgesagt hat.

Spanien Puigdemont und Santi Vila bei den Gaudi Film Awards in Barcelona
Santi Vila (rechts) stand bisher ganz im Schatten von Carles PuigdemontBild: Imago/Agencia EFE

Parteipolitisch hat Santa Vila einen langen Weg zurückgelegt: Von der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), die auf eine stolze Geschichte im Kampf gegen Franco zurückblickt, wechselte er zur Convergència y Unió, der Vorgängerpartei von Puigdemonts PDeCAT, die eine Mitte-rechts-Programmatik plus Separatismusziel verbindet.

Die Parteiführung scheint trotz Vilas Rücktritt kein Problem mit seiner Kandidatur zu haben. PDeCAT-Sprecher Josep Lluís Cleries hat zu Vilas Ambitionen lapidar bemerkt: "Er hat jedes Recht, seine Kandidatur vorzubringen" - auch das ein Zeichen, dass Puigdemont seine Autorität verloren hat. 

Er beklagt "Selbsttäuschung und Naivität"

Hart geht Santi Vila - ohne Namen zu nennen - mit Weggefährten im Kampf für eine Unabhängigkeit ins Gericht. Einige seien der "Selbsttäuschung" erlegen, hätten "eine für ihr Alter erstaunliche Naivität an den Tag gelegt" oder zu verstehen gegeben, die Unabhängigkeit sei "sofort", "leicht" oder "kostenlos" erreichbar. Er glaubt, die Sache des katalanischen Separatismus ganz neu aufbauen zu müssen. "Die Leute sind erschöpft", hat er gesagt, es herrsche "ideologische Verwirrung". Er stehe zwar für einen Weg Richtung Unabhängigkeit "ohne Abstriche", aber es gehe darum, dies "gut zu machen" und im Rahmen des Gesetzes.

In die Wahl am 21. Dezember müsse man mit drei großen programmatischen Zielen gehen, hat Santi Vila gefordert: "Verteidigung der Institutionen und der Selbstverwaltung" (d.h. eine Rückkehr zum bisherigen Autonomiestatut), eine "Amnestie", um zu erreichen, dass "der Konflikt sich politisch lösen lässt", ohne dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird, und das Zugeständnis eines Referendums, "das vom (spanischen) Staat und den internationalen Institutionen anerkannt wird".

Belgien Nicola Sturgeon in Brüssel
Der feine Unterschied: EU-Kommissionschef Juncker hofierte die schottische Nationalistin Sturgeon, den Katalanen zeigt er die kalte Schulter Bild: picture alliance/dpa/S. Lecocq

Vor allem mit der letzten Forderung dürfte er allerdings in Madrid auf Granit beißen. Darin zeigt sich auch, wieviel schlechter es die katalanischen Separatisten haben als Vilas Vorbild, die Schottische Nationalpartei, SNP. Denn es war die britische Regierung unter David Cameron, die die Schotten über eine Unabhängigkeit abstimmen ließ - mit negativem Ausgang. Solche Zugeständnisse sind aus Madrid nicht zu erwarten.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik