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Putin in der Yukos-Zwickmühle

Ingo Mannteufel

Am Freitag (28.5.) beginnt der Strafprozess gegen den früheren Yukos-Chef Chodorkowski. Für ihn steht viel auf dem Spiel, doch auch Präsident Putin ist in einer misslichen Lage, meint Ingo Mannteufel.

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Die Entscheidung über das Schicksal des russischen Ölkonzerns Yukos und vor allem seiner inhaftierten Großaktionäre Michail Chodorkowski und Platon Lebedew rückt näher: In dieser Woche verurteilte ein Moskauer Gericht Yukos bereits zu einer Steuernachzahlung in Höhe von fast drei Milliarden Euro. Damit treiben die russischen Behörden das einstige Flagschiff für die Globalisierung der russischen Wirtschaft an den Rand des Ruins. Am Freitag (28.05.) beginnen nun die Strafprozesse gegen Chodorkowski und Lebedew, denen die Staatsanwaltschaft Betrug, Steuerhinterziehung und Dokumentenfälschung vorwirft.

Yukos-Affäre - ein Wahltrick?

Seit dem Beginn der Yukos-Affäre im vergangenen Sommer bestreitet zwar Präsident Putin, einen Einfluss auf den Untersuchungsverlauf und die Anklage zu haben. Dies sei Aufgabe der Generalstaatsanwaltschaft, beteuert er regelmäßig. Doch angesichts der russischen Verhältnisse ist es schwer zu glauben, dass die Generalstaatsanwaltschaft gegen den reichsten russischen Großunternehmer eigenmächtig Anklage erheben könnte, ohne vorher nicht doch die prinzipielle Zustimmung des Präsidenten erhalten zu haben. Von daher wird – unabhängig vom Ausgang der Prozesse und der tatsächlichen Schuldfrage – jedes Urteil gegen Yukos, Chodorkowski und Lebedew in der russischen und internationalen Öffentlichkeit den Stempel eines von Putin abgesegneten Urteils erhalten. Und damit befindet sich der erst vor wenigen Wochen in seine zweite Amtszeit gestartete Präsident in einer äußerst misslichen Lage.

Einen Freispruch Chodorkowskis oder auch nur eine milde Geldstrafe für den Multimillionär empfänden viele Russen als einen Kotau Putins vor den ungeliebten "Oligarchen". Die in der Bevölkerung umstrittenen Privatisierungsgeschäfte in den 90er Jahren und vor allem die in kürzester Zeit reich gewordenen Großunternehmer würden damit eine Absolution erhalten. Die vom Politik-Berater Stanislaw Belkowski vertretene „Ideologie der nationalen Revanche“ löste sich in Luft auf. Und die Yukos-Affäre wäre eindeutig als eine politische Finte vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen zur Mobilisierung der Wähler entlarvt worden - nicht ohne Folgen für Putins Popularität.

Ein Häftling Chodorkowski würde auch Putin schaden

Ein hartes Urteil wie die Verurteilung Chodorkowskis und Lebedews zu mehrjährigen Haftstrafen oder die Verstaatlichung von Yukos als Strafe für den Steuerbetrug dürfte Putin aber ebenso seine zweite Amtszeit verderben. Der Vorwurf einer autoritären Politik würde noch lauter. Internationale Investoren könnte die von einem solchen Urteil ausgehende Rechtsunsicherheit vor größeren Engagements in Russland abschrecken. Schlimmer noch: Die vielen russischen Unternehmer, die ihre Reichtümer und Unternehmen in ähnlicher Weise wie Chodorkowski erworben haben, könnten sich ihrer Sache nicht mehr sicher sein. Die Kapitalflucht aus Russland dürfte dann wieder ansteigen. Unter diesen Bedingungen kann Putin sein wichtigstes politisches Ziel – die Verdoppelung des russischen Bruttoinlandsproduktes in den nächsten zehn Jahren – schwer erreichen.

Chodorkowski und Lebedew befinden sich auf der Anklagebank zweifelsfrei in der ungünstigeren Lage. Doch auch Putin befindet sich in einer politischen Zwickmühle, aus der er wohl kaum ohne Blessuren heraus kommen wird.