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Putin Russland

24. September 2011

Wladimir Putin wird 2012 wieder als Präsident in den Kreml einziehen. Damit ist Russlands wichtigste Personalfrage entschieden. Die Zukunft des Landes ist aber ungewisser als zuvor, meint Ingo Mannteufel.

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Bild: DW

Die auf dem Parteitag der russischen Regierungspartei "Geeintes Russland" angekündigte Rückkehr von Ministerpräsident Wladimir Putin in den Kreml im nächsten Jahr ist eigentlich keine Überraschung. In allen Szenarien für die bevorstehenden Duma- und Präsidentenwahlen war klar, dass er auch in den nächsten Jahren der starke Mann Russlands sein wird.

Bemerkenswert ist höchstens, dass sich Putin bereits sehr früh vor der für den Dezember anberaumten Dumawahl als Kandidat für die Präsidentschaftswahl im März 2012 hat ausrufen lassen. Es schien wahrscheinlicher, dass die Personalentscheidung erst im Dezember verkündet wird, um Medwedew nicht ein halbes Jahr lang als Präsident auf Abruf agieren zu lassen. Doch für dieses Problem ist eine Lösung gefunden worden: Medwedew wird als Spitzenkandidat von Putins Partei bei den Parlamentswahlen und zugleich als designierter Regierungschef unter dem künftigen Präsidenten Putin die letzten Monate seiner Amtszeit bestreiten.

Medwedew nur ein Platzhalter?

Porträt von Ingo Mannteufel, Leiter der DW-Russisch-Redatkion (Foto: DW)
Ingo Mannteufel ist Leiter der Russischen Redaktion der DWBild: DW

Mit dieser russischen Rochade hat sich Putin erneut als wahrer Meister der politischen Intrige gezeigt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er das bereits 2008 geplant hat. Vor vier Jahren durfte er aufgrund der Verfassung nicht mehr sofort wieder Präsident werden. So benötigte er einen formalen Platzhalter, während er selbst als Regierungschef die Macht in der Hand hielt. Diese Rolle wies Putin damals seinem Freund und treuen Schützling Dmitri Medwedew zu, der nun nach einer Amtszeit seine Schuldigkeit als "Reichsverweser" getan hat.

Medwedew hat seine Aufgabe übrigens sehr gut gemacht. Die jetzige Entscheidung zeigt, wie eingeschränkt sein Spielraum in den letzten dreieinhalb Jahren war. Und dennoch hat er durch seine Reden und öffentlichen Auftritte zumindest den Eindruck erzeugt, er wolle nicht nur eine technologische und wirtschaftliche Modernisierung, sondern auch eine gewisse politische Liberalisierung. Zwar ist daraus in der Realität nicht viel geworden. Medwedew erweckte aber die Hoffnung, dass er die notwendigen Reformen angehen würde, wenn ihm die Hände weniger gebunden wären - daher auch der Wunsch mancher nach einer zweiten Amtszeit Medwedews.

Politik ohne Gesellschaft

Doch auch diese Aussicht hat sich als trügerisch erwiesen. Putins Wille zur Macht und sicherlich auch der Druck eines großen Teils der Herrschaftselite, die einem Präsidenten Medwedew stets misstrauisch gegenüberstand, war offenkundig stärker. Das im letzten Jahrzehnt gezielt um die Person Putin entwickelte Herrschaftsnetzwerk ist mittlerweile nicht nur mit dem politisch-bürokratischen System Russlands eng verwoben. Auch in der Wirtschaft lenken Putins Getreue die wichtigen Großunternehmen. Gemäßigte Kritiker von einst sind längst in die herrschende Elite integriert worden, die relativ überschaubare Zahl systemkritischer Politiker wird in der Öffentlichkeit marginalisiert. Die Mehrheit der politikmüden Russen durchschaut zwar das Spiel der regierenden Elite, hat aber zu wenig Zutrauen, um an dieser Inszenierung selbst etwas zu ändern. Für die Jungen und die Besserqualifizierten bedeutet die Rückkehr Putins, dass sich am jetzigen System wenig ändern dürfte. Medwedew war für viele noch so etwas wie eine kleine letzte Hoffnung. Nun werden nicht wenige - wie jüngste Umfragen vermuten lassen – ihr Glück außerhalb Russlands suchen.

Putin – der Modernisierer?

Denn mit der Entscheidung der zentralen Personalfrage ist zwar jegliche Spannung aus der russischen Politik raus. Die Parlaments- und Präsidialwahlen sind entschieden. Doch die Antworten auf die wichtigen Zukunftsfragen Russlands sind ungewisser als zuvor. Das Land benötigt unbestritten eine tiefgreifende wirtschaftliche und technologische Modernisierung. Mit dem Energie- und Rohstoffexport allein ist keine Zukunft zu machen. Das weiß und sagt auch Putin, der sich in den letzten Wochen in Medwedewscher Weise verstärkt rhetorisch als Modernisierer hervorgetan hat.

Doch eine wirkliche Modernisierung kann nur mit einer politischen Liberalisierung einher gehen, also mit mehr politischem Wettbewerb, mehr Transparenz bei Entscheidungen sowie durch die Schaffung eines unabhängigen Rechtsstaates und einer modernen Staatsverwaltung ohne Korruption. Wie dies in den nächsten Jahren gerade einem Präsidenten Putin gelingen soll, ist rätselhaft. Denn diesen Zielen steht genau das von ihm geschaffene System entgegen: Die Elite, die mit und um Putins Machtvertikale reich und mächtig geworden ist, ist zugleich die Hauptbremse für die notwendige Modernisierung. Ein Teufelskreis, aus dem es schwer ein Entkommen gibt, erst recht, wenn mit Putin der Begründer und Garant des jetzigen Systems ins höchste Amt Russlands wieder zurückkehrt.

Autor: Ingo Mannteufel
Redaktion: Hans Sproß