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Putissimo ...?!

Anne Spohr, Moskau4. Dezember 2002

Barentssee, vor zwei Jahren: Das russische Atom-U-Boot "Kursk" sinkt. Präsident Putin ist im Urlaub - und bleibt: der größte Fauxpas seiner Amtszeit. Abgesehen davon heimst er weltweit Sympathien ein.

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Sein Gesicht ist in ganz Moskau auf politisch angehauchten Matrjoschkas, auf Postern, Kalendern, Spielkarten und Teppichen zu bewundern. Statt "nastarowje" wird der Wodka heute mit den Worten "sa Putina" (auf Putin) hinuntergeschüttet. Gedichte werden über ihn verfasst und jetzt ist er auch noch zum Krimihelden avanciert: Im neuesten Buch des lettischen Schriftstellers und Journalist Alexander Olbik jagt Putin - respektive sein erdichtetes 'alter ago' - tschetschenische Rebellen. Das Buch heißt schlicht Präsident. Putinismus total.

Personenkult

Obwohl eine Moskauer Zeitung Putin die Ausstrahlung eines "getrockneten Haifischs" attestiert hat, erfreut sich der Ex-KGB-Agent mit seiner natürlichen Zurückhaltung und dem charmanten Lächeln größter Beliebtheit: Ob als Judokämpfer, Hobbydetektiv oder weltgewandtes Staatsoberhaupt, Putin macht in allen Lebenslagen eine gute Figur.

Und es mangelt ihm auch nicht an Huldigern, wie beispielsweise Ex-Premier Tschernomyrdin: "Wladimir Putin muss der Führer sein. Das Volk glaubt an ihn. Er packt viele Sachen an. Unsere Aufgabe ist, ihm dabei zu helfen."

Auch Chef-Privatisierer Tschubais, Herr der russischen Stromwirtschaft, lobt Putin in den höchsten Tönen: "Ein ungemein starker, unser begabtester Politiker mit großer Zukunft." Schriftsteller Mark Ljando hat gar ein Huldigungspoem aus der Stalinzeit umgeschrieben: "Putin - unser Kampfesruhm, Putin, unserer Jugend Höhenflug". Vielleicht wird der Text bald als Volkshymne im Radio zu hören sein.

Gegenstimmen

Aber auch andere Töne sind in Russland zu hören. Böse Zungen behaupten, weder Putin noch Jelzin hätten in der russischen Politik auch nur irgend etwas verändert. Und eine Kultfigur sei Putin schon gar nicht. Das wären eher Hitler und Stalin gewesen, auch wenn das schreckliche Leute und ein sehr gewagter Vergleich sei. Das zumindest ist die Meinung von Verkäuferinnen, die in der Vasiliuskathedrale heute die Putin-Matrjoschkas unter die Leute bringen.

Des Putins Kern

Aber wer ist Putin denn nun wirklich? Was macht ihn so beliebt? Versuchen wir‘s mal mit seinem Namen: put heißt auf deutsch "der Weg". Und das Verb putatz heißt "irreführen". Ist also Putin einer, der uns auf die falsche Fährte bringt? Oder ist er der Wegweiser aus der Irre? Wer weiß.

Eins steht jedenfalls fest: Seine Karriere ist beeindruckend. Einst begann er als fleißiger Jurastudent. Über Zwischenstationen - er war Spion im Auslandsressort des KGB, Erster Stellvertretender Bürgermeister von St. Petersburg und Direktor des FSB, der Nachfolgeorganisation des KGB - gelangte er ganz nach oben.

Zunächst war Putin Ministerpräsident der Russischen Föderation, dann wurde er zum Staatspräsidenten gewählt. Heute ist er ein gefeierter Nationalheld. Doch auch seine Erscheinung macht ihn so besonders: Der klare mitfühlende Blick, die äußerlich bescheidene Haltung und seine blitzende Intelligenz tragen dazu bei, dass er ein Star auf nationalem und internationalem Parkett ist. Dafür liebt ihn ein Großteil des russischen Volkes. Wäre Superman eine russische Erfindung, dann wäre bestimmt "Putiman" das richtige Wort dafür.