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Qiu Xiaolong: Die Frau mit dem roten Herzen

Ulrich Noller17. September 2004

Kommissar Chens zweiter Fall: Zusammen mit einer attraktiven amerikanischen Kollegin ist der dichtende chinesische Kommissar einem Triadenmord und einer verschwundenen schwangeren Frau auf der Spur.

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Im krimimäßig schwer heimatverliebten Deutschland schreitet die Globalisierung der Kriminalliteratur munter voran; zunehmend finden sogar Kriminalromane aus afrikanischen und asiatischen Ländern in die Läden. Der Chinese Qiu Xiaolong ist dabei einer der am meisten beachteten Autoren, mit großer Neugier erwartete die Krimigemeinde seinen zweiten Roman.

Buchcover: Qiu Xiaolong - Die Frau mit dem roten Herzen

Im Mittelpunkt der Geschichte steht wieder der sympathische Oberinspektor Chen; ein junger, aufstrebender Kaderpolizist mit modernistisch-liberaler Gesinnung, der in seiner Freizeit Gedichte schreibt und Kriminalromane ins aus dem Amerikanischen ins Chinesische übersetzt. Just in dem Park, in dem Chen einst ans verpönte Englisch geriet, findet sich ein nach Triadenart zugerichtetes Mordopfer, so fängt "Die Frau mit dem roten Herzen" an.

Parteiauftrag, Berufsethos und Sympathie

Chens eigentlicher Fall ist aber weit pikanter: Er soll eine amerikanische Kollegin begleiten, die in Sachen illegalen Menschenschmuggels in der Volksrepublik ermitteln darf. Chens Hauptaufgabe ist es, der Kollegin ein positives Gesellschaftsbild zu vermitteln; aber das wird natürlich schwieriger als geplant: Die Zeugin, die die beiden suchen, befragen und beschützen sollen, ist nämlich spurlos verschwunden. Jetzt wird es knifflig für den Polizisten, der zwischen Parteiauftrag, kriminalistischem Berufsethos und Sympathie für die Kollegin schwankt. Die Suche nach der Frau führt das ungleiche Paar in die dunkelsten Ecken des Reichs der Mitte, und natürlich hängen die beiden Fällen auf knifflige Weise zusammen ...

Stilistisch ist "Die Frau mit dem roten Herzen" kein herausragender Kriminalroman; in Spannungsaufbau und Plotentwicklung missachtet Qiu Xiaolong elementare Handwerksregeln der Genreliteratur. Bis hinein in die Dialoge bleibt anfangs unverhohlen, dass der Lyriker und Literaturwissenschatler Xiaolong der Unterhaltungsliteratur, so sehr sie ihn auch fasziniert, eigentlich misstraut. Atmosphärisch, in der Beschreibung von gesellschaftlichen Kontexten erweist sich Xiaolong aber einmal mehr als faszinierender Könner.

Spannung durch sozialen Kontext

Brillant, wie er die Gesellschaft im Umbruch in wenigen Strichen treffend skizziert; hervorragend, wie er mit leichter Hand beispielhafte Szenen entwirft und dabei ganz verschiedene Themen in Beziehung setzt, von den Folgen der Kulturrevolution über die politischen Fallstricke der modernisierten Parteidiktatur bis hin zu den enormen Wirkungen des derzeitigen Wirtschaftsbooms.

Ihre Spannung schöpft diese Kriminalgeschichte nicht aus dem Fall, sondern aus seinen sozialen Umständen, aus der Art wie Chen die komplexe Angelegenheit durchsteht - und letztlich mit Glück und Geschick alle losen Fäden zur allgemeinen Zufriedenheit zusammenzufügen weiß.


Qiu Xiaolong
Die Frau mit dem roten Herzen
Zsolnay, 2004
ISBN 3-552-05319-0
EUR 24,90