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Quotenträchtig in Frauenhand

Aygül Cizmecoglu30. Dezember 2004

Die Frauen erobern die Fernsehkrimis. Mord- und Totschlag wird im deutschen Fernsehen immer öfter von Kommissarinnen aufgerollt. Das Filmmuseum Berlin widmet ihnen jetzt eine Ausstellung: "Die Kommissarinnen".

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TV-Kommissarin Ulrike FolkertsBild: dpa

Sie können fies und arrogant sein, gleichzeitig warmherzig und voller Charme. Mal tragen sie extravagante High Heels, mal abgelatschte Turnschuhe. Ihre Lebenskonzepte sind so unterschiedlich wie ihre Frisuren. Die eine fährt mit ihrem Motorrad von einer Kurzaffäre zur nächsten, und die andere im VW Käfer zum Elternabend. Sie sind die Kommissarinnen, Ikonen einer starken Weiblichkeit. Ob nun Hannelore Hoger alias Bela Block oder Ulrike Volkerts als dienstälteste Tatort-Kommissarin Lena Odenthal - seit Jahren kommt die deutsche Fernsehlandschaft nicht mehr ohne die weibliche Ermittlerin aus. Sisters in Crime auf allen Kanälen.

"Zum ersten Mal tauchte eine Frau in den späten 1970er Jahren als Kommissarin im Fernsehen auf, aber das sind noch lizenzierte Frauen, also noch Frauen von Männers Gnaden, die die Kommissarinnen spielen dürfen", meint Peter Paul Kubitz, einer der Kuratoren der Berliner Ausstellung. "Und in den alten Krimis waren sie die Assistentinnen, Sekretärinnen und ein bisschen die Mütterchen; die Frauen, die dem Mann den Cognac einschenken und sagen: Komm, hast einen harten Arbeitstag gehabt." Heute sei es genau umgekehrt.

Weibliche Dauerberieselung

Oftmals sei es der schnodderige Assistent, der die gestresste Chefin mit einem Wodka zu besänftigen versuche. Die Kommissarinnen spiegeln für ihn ein Stück weit auch den gesellschaftlichen Trend wider. Mit den ersten berufstätigen Frauen kamen auch die Ermittlerinnen ins Fernsehen. Zuerst in Ost-, dann in Westdeutschland. Frauenquote, Abtreibungsdebatte, Sexismus am Arbeitsplatz - das alles beschäftigte auch die Fernsehkommissarinnen.

Ausstellung Die Kommissarinnen
Mehr als nur Fingerabdrücke ...Bild: dpa

Sie wurden zunehmend zu Identifikationsfiguren für weibliche Zuschauer. Die Männer hatten ihren Rebellen Horst Schimanski und die Frauen die coole Lena Odenthal. Sie wurden zu einem Garant für hohe Einschaltquoten. Die Folge: Weibliche Dauerberieselung auf einem einst männerdominierten Terrain. "Sie brauchen nicht mehr unbedingt den Mann - weder beruflich noch privat. Es sind Frauen, die ihren eigenen Weg gehen. Und die die Brüche des Lebens kennen und keine Schminke mehr drüber setzen, sondern zu diesen stehen", so Kubitz.

Genau diese Brüche werden in den Fotografien von Herlinde Koelbl sichtbar. Die renommierte Fotografin, die sonst Politiker und Schriftsteller ablichtet, hat jetzt eigens für die Ausstellung 15 Fernseh-Kommissarinnen porträtiert. Auf großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien posieren sie mit ihrer Dienstwaffe - mal sich selbst anklagend, die Pistole an die eigene Schläfe gesetzt wie Hannelore Elsner, mal die eigene Macht zelebrierend, lässig die Hand am Schaft wie Despina Pajanou.

Vorgegaukelte emanzipatorische Verhältnisse

Sie wirken verletzlich und stark zugleich, wie in ihren Rollen. Keine hübschen Abziehbilder von Männerfantasien wie einst, sondern vielschichtige Frauen mit Narben und Lachfalten. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen wie Derrick und Ode besitzen sie auch noch eine gehörige Portion Selbstironie. Wenn Ulrike Kriener als Kommissarin Lucas bei einer Verfolgungsjagd mit ihren Stöckelschuhen im Kopfsteinpflaster stecken bleibt oder Eva Blond am Tatort Rouge nachlegt, so ist das eine Attitüde. Ein besänftigendes Augenzwinkern, um den Männern die letzte Hoffnung zu lassen.

Allerdings gibt es eine Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und dem, was uns im Fernsehen zur besten Sendezeit vorgespielt wird. Natürlich gibt es nicht Hunderte von Kommissarinnen in dieser Republik, die Chefinnen von Männern sind. Das Fernsehen gaukelt ein Stück weit emanzipatorische Verhältnisse vor. Ein Wunschdenken, durch Fiktion die Realität zu verändern. Bella Block, Lena Odenthal oder Rosa Roth brauchen höchstens eine Serienstaffel, um gegen den Chauvinismus ihrer Kollegen anzukommen. Sie sind Heldinnen in einer fiktiven Welt, entstanden aus der Feder eines Drehbuchautors. Real gezeichnet, aber zu schön, um schon wahr zu sein.

Die Ausstellung im Berliner Filmmuseum läuft noch bis zum 8. März 2005.