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Rätselraten um Explosion in Nordkorea

12. September 2004

In Nordkorea soll es nahe der chinesischen Grenze letzte Woche eine ungewöhnlich schwere Explosion gegeben haben: War es ein Unfall? Ein Atomtest? Eine Naturkatastrophe?

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Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete unter Berufung auf Quellen in Seoul und Peking, in der nordkoreanischen Provinz Ryanggang nahe der chinesischen Grenze habe sich am Donnerstag (9.9.), dem 56. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik, eine gewaltige Explosion ereignet.

Den Experten der US-Initiative gegen Nukleare Bedrohung (NTI) zufolge liegt in der gebirgigen Gegend von Ryanggang eine unterirdische Raketenstation. In der Anlage Yongjori werde möglicherweise Uran angereichert. Im Norden Nordkoreas befinden sich außerdem Munitionslager und Raketenbasen, in denen es ein Unglück gegeben haben könnte. Yonhap meldete am Sonntag unter Berufung auf informierte Kreise in Peking und Seoul, Satelliten hätten nach der Explosion eine pilzförmige Wolke mit einem Durchmesser von bis zu vier Kilometern Durchmesser aufgenommen.

Es war wohl doch eher kein Atomtest

Yonhap berichtete unter Berufung auf Regierungsstellen, Satelliten hätten nahe der chinesischen Grenze die "eigenartige Wolke" registriert. "Das Wetter war zum Zeitpunkt der Explosion bewölkt, aber da war eine recht eigenartige Wolke, eine Wolke, die anders war als die übrigen", sagte ein Regierungsvertreter in Seoul der Nachrichtenagentur Reuters. Dass es sich bei der Wolke, die einen Durchmesser von vier Kilometern hatte, um eine Pilz-Wolke handele, die für eine Atom-Explosion charakteristisch wäre, könne er allerdings nicht bestätigen. Beamte sagten es sei keine erhöhte Radioaktivität festgestellt worden, darum sei ein Atomtest eher unwahrscheinlich. Der Nordkorea-Experte Koh Yu Hwan erklärte in Seoul, die Bevölkerungsdichte Nordkoreas sei viel zu groß, um dort einen Atomsprengkopf zu testen.

Dem südkoreanischen Verteidigungsministerium zufolge gibt es Hinweise auf ein Unglück, die aber noch geprüft würden. "Es scheint so, dass der Vorfall nicht in Verbindung mit einem Nukleartest steht", wird der südkoreanische Vereinigungsminister Chung Dong Young am Sonntag von einem Sprecher zitiert. "Die Informationen unserer Regierung ergeben derzeit, dass Nordkorea keinen Atomtest vorgenommen hat", sagte auch der Sprecher von Präsident Roh Moo Hyun, Kim Jong Min, am Sonntag in Seoul. Auch Experten schließen dies weitgehend aus.

Auch das US-Außenministerium stellte klar, dass man in Washington nicht an einen Atomwaffentest glaubt. "Hier ist man sich ziemlich sicher, dass es keine Pilz-Wolke war und kein Test irgendeiner Art", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Dahin gehende Berichte seien vollkommen unbegründet. Allerdings berichtet die "New York Times" am Sonntag, die Regierung von US-Präsident George W. Bush habe kürzlich Geheimdiensthinweise erhalten, nach denen Nordkorea möglicherweise einen ersten Atomwaffentest vorbereite. Die USA gehen davon aus, dass Nordkorea genug Plutonium für die Herstellung von acht Atombomben haben könnte.

Chinesen wollen nichts gehört haben

Berichte über eine massive Explosion in Nordkorea am vergangenen Donnerstag sind in Chinas Grenzregion zu dem kommunistischen Nachbarland nicht bestätigt worden. Jedoch bebte die Erde am Mittwochabend im Grenzgebiet. Wie das Erdbebenamt der Provinz Jilin am Sonntag auf telefonische Anfrage aus Peking sagte, wurde am Mittwoch um 22.24 Uhr Ortszeit (16.24 Uhr MESZ) ein Erdbeben der Stärke 3,7 auf der Richterskala verzeichnet. Die Erdstöße in der Bergregion von Tianchi seien allerdings nicht ungewöhnlich gewesen, erklärte das Erdbebenamt.

Lokale Behörden und ein Hotel in Tianchi bestätigten, dass am Mittwochabend die Erde gebebt habe. "Das kommt schon mal vor", meinte ein Mitarbeiter eines Hotels nahe dem Bergsee, der zum Teil zu Nordkorea gehört. Behörden, Handelsfirmen mit Kontakten zu Nordkorea und Bewohner in Helong, Tianchi, im Kreis Changbai sowie in Jian entlang der nordkoreanischen Provinz Yanggang konnten die Berichte über eine massive Explosion und eine riesige Rauchwolke nicht bestätigen. Niemand hatte davon gehört.

Das US-amerikanische Geologische Forschungsinstitut in Golden/Colorado teilte mit, es sei keine Erschütterung in der Größenordnung einer Atomexplosion registriert worden. "Wenn es eine Atombombe gewesen wäre, wäre dies überall auf der Welt bemerkt worden", sagte ein Mitarbeiter der Bebenwarte. (arn)