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Rätselraten um Tod eines kasachischen Oppositionellen

16. Februar 2006

Der bekannte Oppositionspolitiker Altynbek Sarsenbajew wurde tot in einem Auto aufgefunden. Während offizielle Stellen von einem Jagdunfall sprechen, vermutet die Opposition politische Hintergründe für die Tat.

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Den Behörden in Astana ist klar, dass sie den Tod des Politikers nicht einfach übergehen könnenBild: AP

War es tatsächlich ein Jagdunfall oder doch ein politischer Mord? Seit der bekannte kasachische Oppositionelle Altynbek Sarsenbajew am vergangenen Montag (13.2.) tot in einem Auto nahe der früheren Hauptstadt Almaty aufgefunden wurde, sucht Kasachstan nach einer Antwort auf diese Frage.

Während kasachische Nachrichtenagenturen von einem unglücklichen Jagdunfall berichten, melden andere Quellen, dem Toten seien die Hände auf dem Rücken gefesselt gewesen. Schnell vermuteten viele politische Hintergründe der Tat. Die gäbe es tatsächlich: Der 43-jährige Oppositionspolitiker galt als einer der schärfsten Kritiker des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew.

Anhänger fordern Aufklärung

Zharmakhan Tuyakbai
Scharmachan TujakbajBild: AP

Politische Anhänger und Weggefährten forderten am Rande der Beerdigung Sarsenbejews am Mittwoch (15.2.) die Aufklärung seines Todes und sprachen von einem Verbrechen. So zum Beispiel Scharmachan Tujakbaj, Vorsitzender der Oppositionsbewegung "Für ein gerechtes Kasachstan": "Ein solches Verbrechen hat es in der jüngsten Geschichte Kasachstans noch nicht gegeben. Wir wollen nicht nur, dass die Vollstrecker gefunden werden. Auch die Drahtzieher dieser politischen Abrechnung müssen entlarvt werden - egal, welch mächtige Kräfte auch dahinter stecken mögen!"

Den kasachischen Behörden ist klar, dass sie den rätselhaften Tod des Politikers nicht einfach übergehen können. Sarsenbajew war in Kasachstan eine bekannte Persönlichkeit. Er war kasachischer Botschafter in Russland, 2004 wurde er für kurze Zeit Regierungsmitglied. Aus Protest gegen Wahlfälschungen trat er jedoch nach drei Monaten von seinem Posten als Informationsminister zurück und schloss sich der Opposition an.

Sein Tod soll nun lückenlos aufgeklärt werden. Dies betonte gegenüber der Deutschen Welle auch der kasachische Botschafter in Deutschland, Kajrat Sarybaj: "Altynbek Sarsenbajew war eine Figur des öffentlichen Lebens, er bekleidete einst wichtige staatliche Ämter. Deswegen hat sein Tod Reaktionen in allen gesellschaftlichen Kreisen ausgelöst. Man fordert Untersuchungen. Die kasachischen Behörden sind zu objektiven und transparenten Ermittlungen bereit. Wir wollen den Spekulationen ein Ende setzen."

Ähnlicher Fall bereits im November 2005

Tatsächlich wurden inzwischen Ermittlungen aufgenommen. Der kasachische Generalstaatsanwalt betonte, er wollte keine Tatversion ausschließen. Oppositionsvertreter in Kasachstan, aber auch internationale Beobachter verfolgen die Entwicklung mit Sorge. Erst im vergangenen November war der einflussreiche Oppositionspolitiker Samanbek Nurkadilow tot aufgefunden worden - mit drei Kugeln im Körper. Die näheren Umstände seines Todes sind noch heute umstritten, an die offizielle Version - Selbstmord - glaubt kaum jemand. Im aktuellen Todesfall Sarsenbajew zieht Michael Laubsch von der "Gesellschaft zur Förderung von Demokratie in Zentralasien" eigene Schlüsse: "Ich gehe davon aus, dass dies ein erneuter Versuch ist, die Opposition im Lande selber auszuschalten - wenn es schon nicht mit juristischen oder Druckmitteln geht, geht man zur letzten Konsequenz über und schaltet sie ganz einfach körperlich aus."

Versagt Nasarbajews bisherige Strategie?

Nursultan Nasarbajew Präsident Kasachstan
Nursultan NasarbajewBild: dpa - Report

Für Beate Eschment, Orientalistin an der Universität Halle-Wittenberg, zeigt die aktuelle Entwicklung eine grundsätzliche Änderung der politischen Kultur in Kasachstan. Sie zitiert einen alten Witz, der vor noch zwei Jahren erzählt wurde: "Wenn in Usbekistan ein Politiker plötzlich Präsident Karimow kritisiert, was passiert? Er wird ins Gefängnis geworfen. Wenn in Kasachstan plötzlich ein Politiker ein Kritiker von Nasarbajew wird, was passiert da? Ihm wird ein besserer Job angeboten." Bisher, so Frau Eschment, habe Nasarbajew versucht, Kritiker mundtot zu machen, indem er versucht habe, sie wieder in sein System einzubinden. Das scheine ihm nun immer schlechter zu gelingen.

Beobachter gehen davon aus, dass die kasachische Opposition die Regierung jetzt schärfer angreifen wird. Doch die einzelnen Gruppierungen sind untereinander zerstritten, eine gemeinsame Position scheinen sie nicht vertreten zu können. Ihre Erfolgsaussichten sind zudem gering: Präsident Nursultan Nasarbajew wurde im vergangenen Dezember mit 91 Prozent der Wählerstimmen im Amt bestätigt und wird somit weitere sieben Jahre an der Spitze Kasachstans stehen.

Britta Kleymann, Daria Bryantseva
DW-RADIO, 16.2.2006, Fokus Ost-Südost