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Rösler zaudert, Lindner begeistert

Marcel Fürstenau21. April 2012

Die Liberalen haben auf ihrem Parteitag in Karlsruhe versucht, sich Mut zuzusprechen. Der Vorsitzende Rösler ist an diesem Versuch gescheitert, sein ehemaliger Generalsekretär Lindner hat es besser gemacht.

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Philipp Rösler und Christian Lindner (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Abergläubische Liberale, die sich für Fußball interessieren, hätten den Bundesparteitag wahrscheinlich gerne woanders und nicht gerade in Karlsruhe stattfinden lassen. Denn der ortsansässige Zweitligist KSC läuft Gefahr in die Dritte Liga abzusteigen, nachdem er 2009 noch in der höchsten Klasse gespielt hat. Parallelen zur Freien Demokratischen Partei Deutschlands (FDP) sind so zufällig wie verblüffend. Die war vor drei Jahren nach ihrem grandiosen Ergebnis bei der Bundestagswahl (14,6 Prozent) obenauf, ist seitdem aber aus fünf Landtagen geflogen und sorgt sich mehr denn je um ihre politische Zukunft, wie der Karlsruher SC um seine sportliche.

Beide haben noch die Chance, einen weiteren Abstieg abzuwenden. Die Entscheidungen fallen im Mai. Für die Fußballer auf dem Rasen, für die Liberalen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Der KSC benötigt Punkte, die FDP mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen. In Umfragen liegt die Partei aktuell unter diesem für den Wiedereinzug ins Parlament benötigten Wert.

Ein Gescheiterter sorgt für Begeisterung

Nach den Eindrücken des Karlsruher Parteitages könnten die Chancen zumindest für einen Erfolg in Nordrhein-Westfalen gestiegen sein. Verantwortlich für die neue Zuversicht ist paradoxerweise Christian Lindner, der kurz vor Weihnachten völlig überraschend als Generalsekretär abgedankt und damit die Krise der FDP weiter verschärft hat. Inzwischen ist er Spitzenkandidat bei der vorgezogenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wo ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands lebt. Ein Erfolg dort wäre der dringend benötigte Rückenwind für die gesamte Partei und ihren schwer angeschlagenen Vorsitzenden Philipp Rösler.

Der Wirtschaftsminister und Stellvertreter von Bundeskanzlerin Angela Merkel galt nach seiner Wahl im Mai 2011 als Hoffnungsträger, ist aber längst zum Problemfall geworden, weil ihm der angestrebte Imagewechsel für die FDP nicht einmal ansatzweise gelungen ist. Sein Vorgänger, Außenminister Guido Westerwelle, predigte permanent Steuersenkungen, Rösler setzt auf die alle Probleme lösende Kraft wirtschaftlichen Wachstums. Eine spürbare Kursänderung können und wollen darin mittlerweile nur die wenigsten Liberalen erkennen. Und weil das so ist, fliegen die Herzen und Sympathien Ex-Generalsekretär Christian Lindner zu.

Christian Lindner redet auf dem FDP-Parteitag (Foto:dpa)
Konnte die Delegierten in Karlsruhe überzeugen: Christian LindnerBild: picture-alliance/dpa

Neues Leitmotiv: Wachstum statt Steuersenkung

Auf dem Parteitag hielt der 33-Jährige laut Tagesordnung zwar nur ein Grußwort, tatsächlich aber redete er gut 20 Minuten lang Klartext. "In Stil und Substanz unseres Regierungshandelns haben wir manche enttäuscht", kritisierte Lindner das Erscheinungsbild der FDP. Er empfahl deshalb "eine gewisse Bescheidenheit im Auftreten". Ihm selbst scheint das als Wahlkämpfer in Nordrhein-Westfalen schon zu gelingen, denn seit seiner vor wenigen Wochen erfolgten Nominierung haben sich die Umfragewerte auf vier Prozent verdoppelt. Bis zur Landtagswahl am 13. Mai bleiben Lindner noch drei Wochen, um das vor kurzem noch für unmöglich gehaltene zu schaffen: den erneuten Einzug der Liberalen ins Parlament in Düsseldorf.

Ob er damit Philipp Röslers Zukunft als FDP-Chef sichern würde, ist allerdings fraglich. Die Chance, neue inhaltliche und auch persönliche Akzente zu setzen, ließ der 39-Jährige in Karlsruhe ungenutzt verstreichen. In einem Brief an die Delegierten hatte Rösler bereits vor dem Parteitag um Unterstützung und für sein neues Leitmotiv Wachstum geworben. Begeistern konnte er die Partei damit jedoch nicht, auch wenn der lang anhaltende Beifall nach seiner Rede den gegenteiligen Eindruck erweckte. In Wirklichkeit aber versuchte sich die verunsicherte liberale Familie selber Mut zu machen. 

"Kraft der Freiheit, Kraft der Mitte"

Während seiner weit über eine Stunde dauernden Rede gelang es Rösler im Gegensatz zu Lindner nämlich nicht, die Delegierten mitzureißen. "Als Kraft der Freiheit, als Kraft der Mitte", skizzierte der Partei-Chef die Aufgabe und den Sinn der FDP. Allen anderen Parteien attestierte er, sozialdemokratisch zu sein. Derlei Einschätzungen langweilten seine Zuhörer zunehmend. Nur selten wurde Röslers Rede von mehr als freundlichen Beifall unterbrochen. Die anschließende Aussprache ließ erahnen, wie unzufrieden die Meisten weiterhin mit ihrem Chef sind.

FDP hofft auf einen Neuanfang

Offene Kritik an Rösler kurz vor zwei wichtigen Landtagswahlen haben sich die Delegierten verkniffen. Aber alle haben aufmerksam Christian Lindners Begründung für seine Spitzenkandidatur in Nordrhein-Westfalen zu Kenntnis genommen: Er habe keine Angst, Verantwortung zu übernehmen, "wenn es drauf ankommt". Mancher Liberale wird hoffen, dass sich Lindner diese Worte auch zu Herzen nimmt, wenn es mit der FDP bei Wahlen weiter bergab gehen sollte und Rösler nicht mehr zu halten wäre. Als Nachfolger käme, so scheint es, nur sein ehemaliger Generalsekretär infrage.