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Rückendeckung für Merkels Flüchtlingspolitik

22. Februar 2016

Die Türkei wird in der Flüchtlingskrise zum wichtigen Partner der Bundesregierung. Grünen-Chef Özdemir mahnt im DW-Interview schwere Versäumnisse der Regierung an, unterstützt dennoch den Türkei-Kurs der EU.

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Cem Özdemir sitzt in einer nachdenklichen Pose vor dem Parteilogo der Grünen. (Foto: picture-alliance/dpa/S. Willnow)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Grünen-Chef Cem Özdemir warf der deutschen Regierung Fahrlässigkeit im Verhältnis zu den europäischen Partnern vor. Özdemir sagte im Interview mit der Deutschen Welle, noch vor wenigen Jahren hätten die Deutschen die Flüchtlingsbewegung Richtung Europa ignoriert. "Der frühere Innenminister Friedrich von der CSU sprach von einem nationalen Problem, als die Flüchtlinge in Italien landeten. Heute zahlen wir den Preis für diese Arroganz. Solidarität unter den EU-Partnern ist nun schwer einzufordern." Richtig sei es jetzt, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise vor allem auf die Türkei zu setzen. "Aber Präsident Erdogan ist ein schwieriger Partner. Wenn er jetzt Geld von der EU bekommt, müssen wir schon sehr genau darauf achten, wohin das Geld geht."

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sagte im DW-Interview, er habe Zweifel, ob Deutschland wie im vergangenen Jahr noch einmal über eine Million Flüchtlinge aufnehmen könne. Der Bundesregierung machte auch er schwere Vorwürfe: "Innenminister de Maizière macht viele Fehler. Noch immer dauern die Asylverfahren viel zu lange", so Stegner. "Mein Eindruck ist, die CDU bekämpft die eigene Kanzlerin, deshalb müssen wir Sozialdemokraten ihr ständig helfen."

Flüchtlingspolitik als Wahlkampfthema

Bundeskanzlerin Angela Merkel (links) sitzt zusammen mit Julia Klöckner vor einer Wand mit lauter CDU-Logos. (Foto: Kay Nietfeld/dpa )
Julia Klöckner (r.) hat sich von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin distanziertBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Dies sagte er mit Blick auf eine gemeinsame Erklärung der CDU-Spitzenkandidaten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Guido Wolf und Julia Klöckner, zu den Ergebnissen des zurückliegenden EU-Gipfels, die sie am Wochenende veröffentlicht hatten. Darin beklagen sie, knapp drei Wochen vor den Landtagswahlen in ihren Bundesländern, die mangelnde Solidarität innerhalb der Europäischen Union in der Flüchtlingskrise und fordern nationale Maßnahmen wie etwa die umgehende Einführung tagesaktueller Flüchtlingskontingente wie in Österreich.

Deutschlands Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel steht hinter dem Rednerpult der Bundespressekonferenz. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Gabriel: "Österreichische Lösung führt in die Sackgasse"Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Gabriel: "Keine nationalen Sonderwege"

Auf solch eine Quote hat SPD-Chef Sigmar Gabriel mit heftiger Kritik reagiert. "Es ist weder klug noch anständig, der deutschen Kanzlerin mitten in den europäischen Verhandlungen in den Rücken zu fallen", sagte Gabriel dem Nachrichtenmagazin "Spiegel Online". "So untergräbt Frau Klöckner die deutsche Verhandlungsposition und schwächt die Autorität der deutschen Bundeskanzlerin", attackierte Gabriel vor allem die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Die von ihr geforderte "österreichische Lösung" führe in die Sackgasse und zu keinerlei Entlastung bei den Flüchtlingszahlen.

Vizekanzler Gabriel unterstützt den bisherigen Kurs der Bundeskanzlerin: "Wir brauchen den Schutz der Außengrenzen der EU und die Hilfe der Türkei im Kampf gegen die Menschenhändler und keine nationalen Sonderwege wie die Österreichs oder der Osteuropäer."

Sonderwege wie Tageskontingente lehnt der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier, ab. Dies sei eine "technische Frage", die "heute und morgen nicht auf der Tagesordnung steht", sagte Altmaier dem Bayerischen Rundfunk. Im Augenblick sei maßgeblich, dass weniger Flüchtlinge nach Europa kommen. "Wenn die Flüchtlinge erst einmal in Europa sind, dann führt jede weitere Maßnahme nur dazu, dass das Problem zwischen europäischen Ländern hin- und hergeschoben wird", sagte der Kanzleramtsminister. "Und deshalb haben wir gesagt, wir werden uns zunächst darauf konzentrieren, das Problem an der Wurzel anzupacken und zu lösen."

De Maizière droht Österreich Konsequenzen an

Bundesinnenminister Thomas de Maizière erhöht im Flüchtlingsstreit den Druck auf die anderen EU-Länder. Für europäische Maßnahmen gegen die Flüchtlingskrise blieben nur 14 Tage Zeit, sagte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Alle Länder seien sich einig, der Schutz der EU-Außengrenzen mit der Türkei habe Priorität, also der Einsatz der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sowie der NATO und das heiße auch, dass Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt würden. Andernfalls müsse man über andere "europäische Maßnahmen" nachdenken. "Gegebenenfalls muss dann der Schutz für den Schengenraum an einer anderen Grenze durchgeführt werden", so de Maizière.

Er drohte zudem erneut Österreich Konsequenzen an, falls das Nachbarland Flüchtlinge weiter nach Deutschland durchlässt. "Wenn andere glauben, zusätzlich Lasten auf Deutschland abzuladen, werden wir das auf Dauer nicht hinnehmen", sagte er in Richtung Wien.

pab/as (dw, dpa, rtrd)

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