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Rückkehrer zum Bleiben entschlossen

Daniel Scheschkewitz, New Orleans 26. Februar 2006

Sechs Monate nach den Überflutungen durch Hurrikan "Katrina" ist die Zukunft von New Orleans noch unklar. Der Staat bietet Geld für Rückkehrer, die ihr Haus wieder aufbauen wollen. Doch die Hilfe bekommt nicht jeder.

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Zerstörtes Haus ein halbes Jahr nach der KatastropheBild: AP

Im Stadtteil Gentilly unweit des Sees Pontchartrain, den die Sturmfluten des Hurrikan "Katrina" zum Überlaufen brachten, haben die Häuser, oder das, was von ihnen übrig blieb, seltsame Markierungen. In bunten Farben sprühte die Nationalgarde in den Tagen nach der verhängnisvollen Katastrophe Buchstaben und Zahlenkombinationen an die Außenmauern, die Aufschluss darüber geben sollten, wann die Häuser durchsucht, und ob und wie viele Leichen dort gefunden wurden.

Ein Brei aus Schmutz

In Gayle Williams' bescheidenem Einfamilienhaus wurden die Soldaten zum Glück nicht fündig. Die 56-jährige Geschäftsfrau lebte hier mit ihrem Sohn, bis die Fluten sie wie Zehntausende andere Stadtbewohner auch zur Flucht zwangen. Von ihrem Haus stehen heute nur noch die Grundmauern. "Hier an den Backsteinen kann man noch die Hochwassermarke sehen. Zweieinhalb Meter hoch stand das Wasser. Diese Schiebetür zur Terrasse zerbarst unter dem Druck der Wassermassen. Alles wurde zerstört und zu einem Brei aus Schmutz."

"Ich konnte es einfach nicht glauben"

Williams lebte vier Monate in einer Notunterkunft in Shreveport, 500 Kilometer von New Orleans entfernt. Die energische Kleinbusunternehmerin hielt es bis Ende November dort aus, dann wollte sie mit eigenen Augen sehen, was die Sturmfluten von ihrem Haus übrig gelassen hatten. Williams erinnert sich an den bitteren Moment ihrer Rückkehr: "Es war ein fürchterlicher Gestank. Alles war eine trübe, stinkende Masse. Ich musste mir eine Schutzbrille für die Nase und Augen besorgen, wegen des ätzenden Geruchs. Und überall wo man hintrat, ist man weggerutscht. Ich bin weinend zusammen gebrochen. Ich konnte es einfach nicht glauben."

Schräg gegenüber von Williams' Haus hämmern Nachbarn gerade ein "Haus-zu-verkaufen"-Schild in den Boden, der noch immer der braunen Schlacke eines Bergwerks gleicht. Die Nachbarin hat einen neuen Job im Norden des Bundesstaates Louisiana gefunden, ihr scheint die Zukunft der Stadt zu unsicher.

Weniger als die Hälfte der Einwohner sind zurückgekehrt

Von den über 400.000 Einwohnern, die New Orleans vor Katrina hatte, sind bisher deutlich weniger als die Hälfte zurückgekehrt. Der Staat Louisiana hat mit finanzieller Hilfe der Regierung in Washington ein Entschädigungsprogramm verabschiedet, das wiederaufbauwillige Bürger mit bis zu 150.000 Dollar für den Verlust ihrer Häuser kompensieren soll.

Voraussetzungen für Unterstützung

Doch wie viele der Besitzer von über 150.000 zerstörten Häusern in den Genus der staatlichen Hilfe kommen, hängt von einer entscheidenden Bedingung ab. Shawn Riley von der "Lousiana Recovery Authority" (Behörde für Wiederaufbau des Bundesstaates Louisiana) erklärt: "Das Haus muss an einem sicheren Ort stehen, und zwar gemäß der Flutzonenpläne der Katastrophenschutz-Behörde des Bundes (FEMA). Außerdem muss es sich dazu eignen, repariert oder neu gebaut zu werden. Dann kann man in Louisiana, ähnlich wie es der Bundesstaat Mississippi gemacht hat, ein Paket in Anspruch nehmen, das die Wideraufbauleistung mit bis zu 150.000 Dollar unterstützt."

Fest entschlossen zum Wiederaufbau

Und wenn nicht? Gayle Williams' Haus ist von Architekten als sicher abgenommen worden, sie hat die Genehmigung zum Wiederaufbau. Ob sie aber in den Genuss der staatlichen Kompensation kommt, wird davon abhängen, welchen Status die Bundesbehörde FEMA ihrem Wohnbezirk zuweist. Und das wiederum wird davon abhängen, wie gut das neue Flutschutz-System aus Kanalmauern, Deichen und Wehren ausfallen wird. Fragen über Fragen, auf deren Beantwortung die 56-Jährige nicht mehr länger warten mag. Sie ist fest entschlossen: Zum Wiederaufbau in ihrem Stadtteil in New Orleans.