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Rückschlag im Belgrader Mordprozess

Filip Slavkovic12. März 2004

Ein Jahr nach dem Mord an dem damaligen serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic stocken die Ermittlungen: Auch der wichtigste Zeuge wurde ermordet. Verschwörungstheorien florieren.

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Das Attentat auf Zoran Djindjic ist immer noch ungeklärtBild: AP

Kurz nach halb eins fuhr das Auto des Ministerpräsidenten vor dem Regierungsgebäude im Zentrum Belgrads vor. Der Fünfzigjährige stieg aus, machte ein paar Schritte zum Eingang und sank zu Boden. Aus dem Haus in einer Seitenstraße liefen Sekunden später drei als Elektriker verkleidete Männer und wurden von einem Komplizen weggefahren. Es waren der Scharfschütze und seine Helfer.

Ein Jahr nach dem Mord an Zoran Djindjic ist dieser Tathergang so ziemlich das Einzige, was man mit Sicherheit darüber sagen kann. Was genau am 12. März 2003 geschehen ist und vor allem warum, droht zu einem der unzähligen Mythen in der serbischen Geschichte zu werden.

Mafia und Sicherheitsdienst im Verdacht

Schon am selben Abend, als der Regierungschef ermordet wurde, beschuldigte sein Kabinett die Mafia und Kriegsverbrecher-Gruppen der Tat. So soll der Belgrader "Zemun-Klan" zusammen mit einer Spezialeinheit des Sicherheitsdienstes - die so genannten "Roten Barette" - das Attentat organisiert haben. Namentlich wurden der Chef der Spezialeinheit Milorad Lukovic, genannt Legija, und der Mafia-Boss Dusan Spasojevic, genannt Duca Šiptar, erwähnt.

In den Wochen nach dem Attentat wurden rund 12.000 mutmaßliche Kriminelle festgenommen. Der zweite Hauptverdächtige Spasojevic starb in einer Auseinandersetzung mit der Polizei. Der andere, Lukovic, ist auf der Flucht. Erst ein halbes Jahr nach dem Mord wurde gegen mehrere Dutzend Männer Anklage erhoben - jetzt sind es nur noch 13, von denen acht flüchtig sind.

Hauptzeuge ermordet

Der Jahrhundert-Prozess, wie er in der serbischen Presse genannt wurde, begann Mitte Dezember vor dem neu gegründeten Gericht für das organisierte Verbrechen. Er wurde mehrmals unterbrochen, in dieser Woche erneut für einen Monat. Denn am Montag (8.3.) wurde bekannt, dass der Mann, der die falschen Elektriker mit dem Gewehr in der Hand sah, vor seinem Haus in Belgrad ermordet wurde. Fast zehn Tage brauchte die Polizei, um dies an das Gericht zu melden. Der Anwalt der Familie Djindjic, Rajko Danilovic, äußert sich aber vorsichtig zu dem Mord: "Vielleicht war das nur Zufall. Seine Aussage ist schon in den Akten und wird vorgelesen, obwohl er ermordet wurde."

Eine internationale Verschwörung?

Von den Verschwörungstheorien, die seit Prozessbeginn durch die serbische Presse wandern, distanziert sich das Gericht, wie dessen Sprecherin Maja Kovacevic verdeutlicht: "Das Gericht kann sich nicht mit der Frage befassen, ob jemand hinter den Angeklagten steht. Dies ist die Sache der Polizei und der Ermittlung." Aber Polizei und Staatsanwaltschaft bleiben dabei: Mafia und Kriegsverbrecher hätten das Attentat geplant und ausgeführt, um eine Destabilisierung des Staates zu verursachen. Sie hätten vorher schon mindestens drei Mal erfolglos versucht, Djindjic zu töten.

Jetzt bringt der damalige Innenminister eine ganz neue These ins Spiel. Dušan Mihajlovic sagte in einem Zeitungsinterview, er schließe eine Beteiligung ausländischer Geheimdienste nicht aus. Vor allem die amerikanische CIA sei in Serbien aktiv gewesen.

Keine offizielle Trauerfeier

In diesen Tagen wird Djindjic von liberalen Medien und Gruppen für seine Verdienste bei der Modernisierung Serbiens gewürdigt. Das offizielle Serbien sieht das anders: Das gerade eingesetzte konservative Kabinett des einstigen Mitstreiters Djindjics und späteren Rivalen Vojislav Koštunica wollte keine offizielle Gedenkfeier zum Jahrestag. Koštunica war schon in den Monaten vor dem Mord einer der heftigsten Kritiker Djindjics.

Auch die Reformen stocken: Ihre Gegner sind weiterhin gegen die Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher und die Privatisierung großer Staatsunternehmen. Und die früheren Mitarbeiter Djindjics beschuldigen sich gegenseitig falscher Entscheidungen in den Monaten nach der Tragödie.