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Rückzug aufs Kerngeschäft

Rolf Wenkel (mit dpa, rtr, BZ)30. Mai 2014

Früher hat Siemens alles verkauft, was in eine Steckdose passt. Jetzt ist Schrumpfen angesagt - ein Rückbau des Konzerns auf das Kerngeschäft. Was das ist, bestimmt offenbar allein Siemens-Chef Joe Kaeser.

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Siemens-Chef Joe Kaeser (Foto: Rainer Jensen /dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Vom geplanten Konzernumbau bei Siemens sind weltweit rund 11 600 Stellen betroffen. Das hat Vorstandschef Joe Kaeser am späten Donnerstagabend auf einer Investorenkonferenz in New York erklärt. Nach Angaben des Unternehmens vom Freitag machte Kaeser aber keine Aussagen darüber, wie viele Arbeitsplätze am Ende wegfallen werden. "Es ging nur darum, wie viele Stellen vom organisatorischen Umbau betroffen sind", sagte ein Sprecher am Freitag in München. "Stellenabbau muss nicht zwangsläufig Jobverlust bedeuten."

Den Angaben zufolge fallen 4000 Stellen weg, weil der Konzern gestrafft wird, eine neue Sparten-Struktur erhält und einige Hierarchie-Ebenen wegfallen sollen. Hinzu kämen 7600 überflüssige Arbeitsplätze bei regionalen Länder-Gruppierungen. Einige der betroffenen Mitarbeiter würden allerdings andere Positionen angeboten bekommen, heißt es.

Kaeser hatte erst kürzlich einen großangelegten Konzernumbau angekündigt. Die Kosten sollen um rund eine Milliarde Euro gesenkt werden. Die Pläne hatten Sorgen geweckt, dass sich die 360.000 Mitarbeiter nach zahlreichen Spar- und Sanierungsprogrammen der vergangenen Jahre erneut auf Einschnitte gefasst machen müssen.

IG Metall warnt

Die IG Metall sprach von mehreren Tausend Stellen. Man sei grundsätzlich zu Gesprächen über die Pläne bereit, "wenn das Unternehmen dadurch in einem Zug überflüssige Komplexität reduziert und künftig wieder ein geschlosseneres Bild nach außen bietet", sagte Bayerns IG-Metall-Bezirkschef Jürgen Wechsler. "Die Neuorganisation darf auf keinen Fall als Deckmantel für ein Programm zur Kostensenkung oder zum Stellenabbau missbraucht werden."

Mit seiner Strategie namens "Vision 2020" will Kaeser den Konzern flexibler und schlanker aufstellen und dadurch zusätzliches Wachstum ermöglichen. Teile, die nicht mehr zu dem Kerngeschäft gehören, sollen verkauft werden. Was Kerngeschäft ist und was nicht, bestimmt Siemens-Chef Kaeser offenbar selbst. Kaeser, der zuvor Finanzchef des Konzerns war, will das Vertrauen von Investoren wieder herstellen - nachdem unter seinem Vorgänger Peter Löscher eine Reihe von Gewinnzielen verfehlt wurde.

Mit dem Börsengang der Hörgeräte-Sparte und dem Verkauf der Mehrheit an dem Stahlanlagenbauer VAI werden demnächst insgesamt 12.000 Mitarbeiter nicht mehr zur Siemens-Familie gehören. Weitere 3600 Menschen verlassen den Konzern, wenn Siemens die seit Langem verhandelte Veräußerung der Gepäck- und Postlogistik in den nächsten Wochen endlich abschließt.

Medizintechnik an die Börse?

Mittelfristig ist auch noch die Herauslösung der gesamten Medizintechnik mit 13,6 Milliarden Euro Umsatz und 51.000 Mitarbeitern geplant. Ein Börsengang der hochprofitablen Sparte könnte sinnvoll sein, wenn in diesem Geschäft eine Großakquisition erforderlich würde. Einen solchen Zukauf - etwa in der Molekularbiologie - will Kaeser aber nicht mehr aus der Siemens-Kasse finanzieren. In diesem Fall könnte die Medizintechnik das nötige Geld jedoch an der Börse einsammeln.

Während Siemens in Frankreich einen Kampf gegen den US-Erzrivalen General Electric (GE) um Alstom führt, berichtet die Badische Zeitung von einem Poker hierzulande mit dem Stuttgarter Partner Bosch um einen Verkauf der Siemens-Anteile an der gemeinsamen Hausgerätetochter BSH. Sowohl Bosch als auch Siemens schweigen dazu.

Abschied von Hausgeräten?

Insider berichten von einem zähen Ringen vor allem um den Preis, der in jedem Fall in mehrfacher Milliardenhöhe liegen dürfte. Dennoch sind die Erfolgsaussichten von Siemens hier höher als bei Alstom. BSH gehört je zur Hälfte Bosch und Siemens. Für die Münchner zählt die Hausgerätefirma, die Waschmaschinen, Kühlschränke oder Herde diverser Marken herstellt, aber im Gegensatz zu Bosch nicht zum Kerngeschäft.

Nachdem Siemens schon vor Jahren das Geschäft mit Telefonen aller Art veräußert hat, ist BSH für die Münchner der letzte direkte Berührungspunkt zum Endkunden. So gesehen ist die Beteiligung ein Fremdkörper in der neuen Siemens-Strategie, wenn auch ein profitabler.

Bosch-Chef Volkmar Denner wiederum hält schon länger Ausschau nach einem größeren Zukauf. Hierzulande und in Europa ist die BSH klarer Marktführer bei weißer Ware sowie die globale Nummer drei hinter dem US-Riesen Whirlpool und Electrolux aus Schweden. Der neue BSH-Chef Karsten Ottenberg hat angekündigt, seinen Konzern binnen zehn Jahren zum Weltmarktführer zu machen.