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Kopenhagen Fahrradstadt

29. Juni 2010

Die dänische Hauptstadt Kopenhagen gilt als vorbildlich, wenn es um Fahrradfreundlichkeit geht. Wegen Stau- und Abgasproblemen wollen viele Städte nun dem dänischen Beispiel folgen.

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Fahrräder sind in zwei langen Reihen hintereinander aufgebaut (Foto: Elmar Jung)
Perfekt für Fahrrad-Fanatiker: KopenhagenBild: Elmar Jung

7451, 7455, 7460 - sprunghaft ändert sich die Digitalanzeige. Der auffällige Zähler steht an der Dronningen Luise Brücke im Übergang vom Kopenhagener Zentrum zum Stadtteil Nörrebro. Er gibt an, wie viele Radfahrer heute schon diesen Punkt passiert haben. Morgens und nachmittags tickt er besonders schnell. Es ist 16.10 Uhr, der Berufsverkehr schwillt langsam an. In Kopenhagen bedeutet das vor allem: Menschen auf ihren Drahteseln wollen nach Hause. Mal kommen sie wie Perlen an einer Schnur vorbei, manchmal im Pulk. Hat die Ampel eine Rotphase, bildet sich stets eine Traube. 15, 20 Radfahrer stehen dann da und warten, bis es weitergeht.

Unter ihnen Sara Pedersen. Die 30 Jahre alte Architektin fährt jeden Tag mit dem Fahrrad vom Kopenhagener Stadtteil Österbro zur Arbeit ins Bella Center, dem größten Kongresszentrum der Stadt: acht Kilometer - einfache Strecke. "In Kopenhagen ist es Tradition, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren", sagt sie, "ich genieße vor allem die frische Luft, wenn ich schon den ganzen Tag im Büro sitzen muss." Fast alle ihrer Freunde führen mit dem Rad, nur wenige hätten überhaupt ein Auto, sagt sie.

Vorbild für Städteplaner

Aufschrift auf einem Fahrrad in Kopenhagen (Foto: Elmar Jung)
Lieber Fahrrad statt Auto - immer mehr Kopenhagener denken umBild: Elmar Jung

150.000 Kopenhagener sind es, um genau zu sein, die mit dem Fahrrad zu Arbeit oder Ausbildung fahren. Das entspricht 37 Prozent der Bevölkerung. Knapp 1,2 Millionen Kilometer radeln die Kopenhagener an jedem Werktag zusammen. Damit liegt die dänische Hauptstadt in Europa im Spitzenfeld. Ein hoher Anteil von Fahrradfahrern ist gut für jede Stadt. Räder nehmen während der Fahrt und wenn sie parken erheblich weniger Platz weg als Autos, verursachen weniger Lärm und keine Abgase. Kurz, sie sind ein gutes Mittel eine Stadt lebenswert zu machen. Kopenhagen gilt wegen des hohen Anteils an Radfahrern als internationales Vorbild für Städteplaner.

Für die Konferenz Velo City 2010 in der Oksnehalle im Stadtteil Vesterbro in der vergangenen Woche (22.-25.06.) hatten sich Hunderte Städteplaner, Fahrradlobbyisten und Journalisten aus 59 Ländern versammelt. Ihr Ziel: Den Geist der Fahrradstadt Kopenhagen in ihre Heimat zu tragen. So war die 28-jährige Journalistin Sung-A Kang aus Südkorea gekommen, um ihren Landsleuten in Seoul zu zeigen, wie grün auch ihre Stadt eines Tages sein könnte. "Wenn es um die Fahrradkultur geht, steckt Korea noch in den Kinderschuhen", sagt sie. Ihr Land habe gerade erst damit begonnen, Radwege anzulegen. Kopenhagen sei da ein Vorbild, von dem man viel lernen könne.

Grüne Welle - für Radler

Kopenhagens Bürgermeister für Technik und Umwelt Bo Asmus Kjeldgaard mit dem Rad auf dem Weg zur Velo City Konferenz Kopenhagen (Foto: Elmar Jung)
Kopenhagens Bürgermeister für Technik und Umwelt Bo Asmus Kjeldgaard fährt natürlich selbstBild: Elmar Jung

Kopenhagen ist schon lange eine Art Paradies für Fahrradfahrer. Die natürlichen Gegebenheiten machen es Radlern einfach - die dänische Hauptstadt ist flach, wer von West nach Ost oder Nord nach Süd fährt muss keinerlei Hügel erklimmen. Die Stadtverwaltung tut ihr Übriges, um Zweiradfahrern den täglichen Weg leicht zu machen. Fast jede Straße im Zentrum und den angrenzenden Stadtteilen hat Fahrradwege auf beiden Seiten. Für die Einfallstraßen in dem "Central Business District" wurde wie in vielen anderen Städten auch eine grüne Welle eingerichtet. Doch ist die nicht für Autofahrer, sondern für Radler. Der Stadtteil Nörrebro ist zum Experimentierfeld geworden, die dortige Hauptstrasse, die über die Dronningen Luise Brücke ins Zentrum führt, ist für normalen Verkehr gesperrt, nur Räder, Busse und Taxen sind erlaubt.

Das Ganze lässt sich die Stadt einiges kosten. Doch Bo Asmus Kjeldgaard, Bürgermeister für Technik und Umwelt, weiß: Das rechnet sich. Zigmillionen Euro gebe die Stadt jedes Jahr für Maßnahmen aus, die den Fahrradverkehr fördern, so Kjeldgaard. "Am Ende zahlt sich das für uns aus." So habe man ausgerechnet, dass man durch jeden geradelten Kilometer pro Person das Gesundheitssystem um 16 Cent entlaste, "wohingegen uns jeder Kilometer im Auto neun Cent zusätzlich kostet".

Buntes Treiben auf der Einkaufsstraße und Fußgängerzone Stroget in Kopenhagen (Foto: picture-alliance/dpa)
Ohne Lärm und Abgase - die Innenstadt KopenhagensBild: picture alliance / dpa

Sondersteuer auf Autos

Allerdings wählen nicht alle Kopenhagener absolut freiwillig das Rad. Im Hochsteuerland Dänemark werden nämlich nicht nur Einkommen und der tägliche Konsum höher versteuert als in den meisten anderen Ländern Europas, sondern auch Autos. Satte 180 Prozent beträgt die Sonderabgabe auf Autos und die wird neben der ohnehin schon hohen Mehrwertsteuer von 25 Prozent fällig. Damit kostet in Dänemark ein VW Golf in etwa so viel wie ein Mercedes der E-Klasse in Deutschland. Statt sich einen Zweitwagen zuzulegen, setzen da viele Dänen lieber aufs Fahrrad.

Und jetzt, wo Kopenhagen so fahrradfreundlich ist, würde womöglich selbst eine Steuersenkung nicht allzu viele zum Umsteigen zurück aufs Auto bewegen. Natürlich wäre für Wochenendausflüge ein Auto schon praktisch, sagt Architektin Sara Pedersen. Doch zahle sich das letztlich nicht aus. "Ich würde daher wohl trotzdem auf einen Wagen verzichten und im Alltag auch weiterhin in die Pedale treten."

Autor: Clemens Bomsdorf/ Elmar Jung
Redaktion: Irene Quaile/ Nicole Scherschun