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"Radikalismus und nationalistische Rhetorik" in Bosnien-Herzegowina

14. Juni 2007

Nach einem Jahr im Amt als internationaler Bosnien-Beauftragter verlässt Christian Schwarz-Schilling Ende Juni das Land. Seine "zu milde Politik" war wiederholt kritisiert worden, aber zum Abschied sprach er Klartext.

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Immer noch kein souveräner StaatBild: DW
"Es freut mich, bei Ihnen zu sein, aber es tut mir leid, dass dies die letzte Ansprache ist, die ich an Sie halte", sagte Christian Schwarz-Schilling vor den Abgeordneten beider Kammern des Parlaments von Bosnien-Herzegowina. Der deutsche Politiker, der häufig vorsichtig und nicht energisch genug schien, war in seiner Abschiedsrede schärfer und offener als üblich: In Bosnien-Herzegowina herrsche die "dunkle Seite des politischen Lebens" – Radikalismus und nationalistische Rhetorik.

Klare Kritik

Schwarz-Schilling kritisierte, dass die Politiker in Bosnien-Herzegowina die Reformen blockierten und infolgedessen der Prozess der euro-atlantischen Integration zum Erliegen gekommen sei. "Somit ist auch der Weg in die EU blockiert", resümierte er. "Das heißt, dass die Bürger jetzt länger auf eine Verbesserung ihres Lebensstandards warten müssen." Er wies die Verschwörungstheorien über angeblichen islamischen Terrorismus in Bosnien-Herzegowina ebenso zurück wie die immer wieder aufkeimenden Debatten um die Republika Srpska, die sich entweder abtrennen wolle oder abgeschafft werden solle.

Vorwürfe gegen führende Politiker

Die internationale Gemeinschaft beabsichtige, das in der Republika Srpska gelegene Srebrenica weiterhin zu unterstützen, erklärte Schwarz-Schilling. Den von den dort lebenden Bosniaken geforderten Sonder-Status lehnte er ab. "Ich muss mit Bedauern feststellen, dass diese Frage von Politikern, die nur vom persönlichen Ehrgeiz angetrieben werden, für ihre politischen Zwecke missbraucht wurde", bemängelte er. "Sie versuchen, die verfassungsrechtliche und territoriale Ordnung zu zerrütten." Diese Vorwürfe zielen auf die Hauptpersonen der schweren politischen Krise in Bosnien-Herzegowina: Haris Silajdzic und Milorad Dodik. Silajdzic, bosniakisches Mitglied der Staatspräsidentschaft Bosnien-Herzegowinas, und Dodik, Premier der Republika Srpska, beschuldigen sich gegenseitig, durch ihre starre Haltung die Reformen zu blockieren.

Verfassungs- und Polizeireform voranbringen

Christian Schwarz-Schilling rief die bosnisch-herzegowinischen Politiker auf, die Reformen fortzusetzen, vornehmlich die Polizei- und Verfassungsreform. "Dieses Land braucht eine Art institutionalisiertes Projekt für Verfassungsänderungen, angegliedert an die gesamtstaatlichen Institutionen, insbesondere das Parlament", sagte er. Das Projekt müsse von den Politikern aus Bosnien-Herzegowina geleitet werden, zivilgesellschaftliche Organisationen sollten ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten. Die Beratungsgespräche zur Fortsetzung der Verfassungsreform sind inzwischen aufgenommen worden. Daran beteiligen sich die Vorsitzenden der bosnisch-herzegowinischen Parteien sowie Vertreter der EU und der USA.

Zoran Pirolic, Sarajewo
DW-RADIO/Bosnisch, 13.6.2007, Fokus Ost-Südost