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Konservativer Wahlsieger muss Arbeitslosigkeit in Spanien senken

20. November 2011

Die Wähler in Spanien hatten genug von der sozialistischen Regierung, die kein wirksames Mittel gegen die Krise gefunden hat. Die neue Regierung hat nur eine Chance, um es besser zu machen, meint Bernd Riegert.

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Bild: DW

Der neue Regierungschef Spaniens, der konservative Mariano Rajoy, wird nicht viel Zeit haben, sich über seinen Wahlsieg zu freuen. Er wird keine 100 Tage haben, um sich in das Amt einzuarbeiten. Bereits am 09. Dezember beim nächsten Gipfeltreffen der Europäischen Union wird seine konservative Parteifreundin Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, wissen wollen, welchen Weg aus der Schulden- und Haushaltkrise Rajoy konkret gehen will. Im Wahlkampf beließ es der bisherige Oppositionsführer der Volkspartei bei allgemeinen Ankündigungen. Der wenig charismatische Konservative, der nie frei spricht und die Presse eher meidet, ließ sich nicht in die Karten sehen.

Dabei wird Rajoy in dem kommenden Monaten wesentlich härtere Sparbeschlüsse und Steuererhöhungen auf den Weg bringen müssen als sein gescheiterter Vorgänger, der Sozialist Jose Luis Rodriguez Zapatero. Der musste nach einem Sparpaket von 10 Milliarden Euro Platz machen. Fachleute gehen davon aus, dass Mariano Rajoy einen Paket mit insgesamt 30 Milliarden Euro schnüren muss, um Spanien aus der Schuldenfalle zu führen. Dabei wird die neue Regierung wahrscheinlich auf großen innenpolitischen Widerstand stoßen. Die Protestbewegung der "Empörten" bringt im Moment nur wenige Tausende auf die Straße, doch die Demonstrationen können je nach Entwicklung der Lage in Spanien schnell wieder auf das Zehnfache oder Hundertfache anschwellen wie im Frühjahr.

Schneller Kampf um Vertrauen nötig

Die Finanzmärkte werden Mariano Rajoy auch keine Zeit zur Einarbeitung lassen. Die Zinsen, die Spanien für Staatsanleihen zahlen muss, haben Rekordwerte erreicht, die so auf Dauer nicht durchzuhalten sind. Die Märkte haben mit dem Zinsanstieg der letzten Tage schon deutlich signalisiert, dass sie auch einer neuen Regierung kein großes Vertrauen entgegenbringen. Weil er keinen anderen Ausweg mehr sieht, hat der scheidende Ministerpräsident Zapatero an die Europäische Zentralbank appelliert, mehr risikobehaftete Staatsanleihen aus Spanien aufzukaufen. Das tut die Bank ja bereits. Ob sie noch mehr Geld in die Anleihen der Krisenländer stecken soll, ist in der Euro-Zone höchst umstritten.

Das größte Problem Spaniens ist die exorbitant hohe Arbeitslosenquote von rund 21 Prozent und die doppelt so hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die Wirtschaft droht in die Rezession abzugleiten. Das Ziel, das Haushaltdefizit in diesem Jahr auf sechs Prozent zu begrenzen wird verfehlt. Es werden wohl eher acht Prozent werden. Nach dem Platzen der Immobilienblase, Konjunkturprogrammen und einer breit angelegten Rettung der Banken ist die spanische Staatsverschuldung zwar gewachsen, aber mit 66 Prozent der Wirtschaftsleistung im europäischen Vergleich relativ moderat. Jetzt kommt es darauf an, dass der neue konservative Regierungschef schnell ein schlüssiges Konzept zur Sanierung Spaniens vorlegt, dass die Finanzmärkte und Partner in Europa als glaubwürdig erachten. Bis 2014 muss Spanien nämlich 450 Milliarden an auslaufenden Staatsanleihen refinanzieren. Das geht nur, wenn die Zinsen für Staatsanleihen deutlich sinken.

Kompletter Wechsel in Südeuropa

Jose Luis Rodriguez Zapatero, der die Krise nicht glaubwürdig meistern konnte, muss gehen. Vor der Finanzkrise profitierte er von einem enormen Bau-Boom in Spanien, der einer relativ niedrigen Arbeitslosenquote und ausgeglichenen Haushalten führte. Das scheint alles unendlich lange her zu sein. Jetzt sagt der Internationale Währungsfonds Spanien eine Phase der Konsolidierung voraus, die mindestes fünf, wenn nicht gar zehn Jahre dauern dürfte. Die innenpolitischen Reformen, die Zapatero durchgesetzt hat, sind wahrscheinlich bald vergessen: Gleichstellung der Frau, mehr Rechte für Homosexuelle, Versuch, die baskische Terrorgruppe ETA zum Gewaltverzicht zu bewegen, Aufarbeitung der Franco-Diktatur.

Mit Spanien haben mittlerweile alle südeuropäischen Mitgliedsländer der Euro-Zone einen Regierungswechsel erlebt, der durch die Schuldenkrise erzwungen wurde. Im Mai in Zypern und Portugal, das unter den Rettungsschirm schlüpfte; im Laufe der letzten Woche in Griechenland und in Italien. Nur Malta ist noch einigermaßen stabil. Im Unterschied zu Griechenland und Italien kommt in Spanien die neue Regierungsmehrheit immerhin durch Parlamentswahlen zustande. Hier hat die Demokratie noch nicht vor den Märkten kapitulieren müssen. Noch braucht Spanien keine Notregierung wie Griechenland oder Italien. Noch haben die Spanier die Chance, sich in der Krise selbst zu helfen. Diese Chance muss Mariano Rajoy jetzt entschlossen nutzen. Er wird nur eine haben.

Bernd Riegert (Foto: DW)
DW-Europaexperte Bernd RiegertBild: DW

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Sabine Faber