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RambaZamba

16. Dezember 2010

Das Ensemble ist ungewöhnlich. Und seine Leistungen sind es auch. Denn im vielfach ausgezeichneten Theater RambaZamba stehen geistig behinderte junge Menschen auf der Bühne. Die meisten haben das Down Syndrom.

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Theater RambaZamba in der Berliner Kulturbrauerei: Ausschnitt aus der Inszenierung "Winterreise" (Foto: Ron Gerlach)
Bild: Ron Gerlach

"Am Brunnen vor dem Tore", singen sie, "da steht ein Lindenbaum. Ich träumt' in seinem Schatten so manchen süßen Traum." Den richtigen Ton treffen sie nicht immer. Aber das macht gar nichts. Denn in dieser Inszenierung von Schuberts "Winterreise" schaffen sie etwas, das viel wichtiger ist: Sie kehren ihr Innerstes nach außen und berühren ihr Publikum - mit ihrem Gesang und ihren Körpern, die sich winden, aufbäumen, die zucken und in sich zusammenfallen.

Überraschungen - immer wieder

Wegen ihres Sohnes habe sie das alles auf die Beine gestellt, sagt Gisela Höhne. Denn die Gefühlstiefen und die Kraft und die spielerischen Freuden, die von ihm ausgingen, die habe sie auch bei anderen entdeckt. "Aber dass es so endlos sein könnte, dass sie zu so vielen verschiedenen Genres in der Lage sein würden - das habe ich nicht gedacht."

Gisela Höhnes Sohn Moritz wurde 1976 geboren – mit dem Down-Syndrom. Er ist in seiner Familie aufgewachsen und mit Kindern, die zumeist auch eine sogenannte geistige Behinderung haben. Nele ist eines dieser Kinder, Moritz mag sie besonders gerne. Immer wieder haben die beiden in den letzten Jahren zusammen auf der Bühne gestanden.

Denn sie gehören zum Ensemble vom Theater RambaZamba - einem ziemlich ungewöhnlichen Theater, das sein Publikum immer wieder aufwühlt und verzaubert. Und das selbst seine Chefin regelmäßig überrascht. "Diese zum Teil heitere, direkte Art, mit den ganz tragischen Themen umzugehen und dann auch wieder reinzufallen in den Schmerz, das ist etwas, da stehen wir eigentlich nur davor und sagen, wie machen die das?"

Ausschnitt aus der Inszenierung "Winterreise" (Foto: Ron Gerlach)
Nele Winkler und Franziska KleinertBild: Ron Gerlach

Mit Leidenschaft

Gisela Höhne hat ihren Sohn Moritz nicht in ein Heim gegeben. Stattdessen hat sie ihr Leben umgekrempelt, sie hat die Schauspielerei aufgegeben und Theaterwissenschaften studiert, hat sich intensiv mit Moritz beschäftigt und schließlich gleich nach der Wende zusammen mit anderen Eltern von Kindern mit dem Down-Syndrom die Kunstwerkstatt Sonnenuhr gegründet. In Räumlichkeiten in der Kulturbrauerei im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg entstanden dann Ateliers, in denen seitdem mit Leidenschaft gemalt, getöpfert und gewebt wird, der Zirkus Sonnenstich wurde gegründet und eben das Theater RambaZamba, in dem hochprofessionell gearbeitet wird.

Auf Augenhöhe

Junge Leute, die ins Haus kommen, um beispielsweise ein sozialpädagogisches Praktikum zu absolvieren, sind oft erstaunt über den Umgangston, der hier herrscht, erzählt die Musikern Bianca Tänzer, die seit 13 Jahren zum Team des Theaters gehört. "Die sagen, also, wie ihr mit denen sprecht! Und wie ihr mit denen umgeht!" Ehrlich nämlich und auf Augenhöhe. Schließlich geht es um kreative Arbeit.

Der spannendste Arbeitsplatz ist das, den Bianca Tänzer je gehabt hat. Wegen der Hauptpersonen, deren Assistentin sie hier sein darf, die jeden Tag aus ganz Berlin kommen und ihre Freude ungebremst zeigen, mit einem und noch einem Küsschen. Und die sogenannte normale Menschen mit ihrem Mut und ihrer Direktheit immer wieder herausfordern.

Diese jungen Männer und Frauen seien vollkommen ehrlich, sagt Gisela Höhne. Deshalb will sie auch ehrlich sein. Sie lobt, wenn es etwas zu loben gibt. Und sie macht auch aus ihrem Unmut keinen Hehl. "Wenn ich weiß, dass jemand bis nachts um drei ferngesehen hat, obwohl Generalprobe ist, dann habe ich keine Lust, nett zu sein. Oder so behutsam. Die können Klarheit vertragen. Wie andere Menschen auch."

Szene aus der Inszenierung "Winterreise" (Foto: Ron Gerlach)
Juliana GötzeBild: Juliana Götze

Ungläubige Überraschung

Gisela Höhne stellt Menschen auf die Bühne, an denen die Leute auf der Straße oft verlegen vorbeischauen - weil sie ungewohnt aussehen und manchmal etwas anders sprechen. Sie fordert ihr Publikum auf, diese Menschen ganz unverwandt anzugucken und ihnen zuzuhören, sie auf sich einwirken zu lassen und sich selbst dabei vielleicht in Frage zu stellen - die eigenen Vorbehalte, die ungläubige Überraschung, welche Stoffe diese behinderten Schauspieler und Schauspielerinnen so überaus professionell stemmen: von ihrer Fassung der "Medea" über eine kurzweilige "Weiberrevue" und die Oper "Orpheus ohne Echo" bis hin zu Schuberts "Winterreise".

Und das Ensemble spürt, dass es erfolgreich ist und genießt diesen Erfolg. An mehr als 130 Gastspielorten in ganz Europa ist es aufgetreten. "Und wenn die mit ihren Rollköfferchen auf Gastspiel gehen", sagt Gisela Höhne, "dann ist das eine sehr selbstbewusste Truppe voller Diven."

Autorin: Silke Bartlick

Redaktion: Conny Paul