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Rassismus im Fußball

4. November 2009

Der Fußball verbindet Völker und gilt als Motor zur Integration von Migranten in der Aufnahmegesellschaft. Aber wer "anders" ist, muss gerade auf dem Sportplatz Ausgrenzung durch Rassismus und Antisemitismus befürchten.

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Frauenmannschaft des Kreuzberger Vereins Al-Dersimspor (Foto: DW)
Multikulti-Truppe: Die Frauenmannschaft des Kreuzberger Vereins Al-DersimsporBild: DW

Der Fußballplatz in Kreuzberg sieht aus, wie Fußballplätze in Berlin nun mal aussehen: Ein Kunstrasen, begrenzt von einem hohen Metallzaun. Das Feld teilen sich zwei Mannschaften, es ist Training unter Flutlicht. Auf einer Hälfte übt die Frauenfußballmannschaft von Al-Dersimspor den Torschuss - außer einer: Paraskewi Boras. Sie versucht als Torfrau, die Bälle abzuwehren. Ihre Eltern stammen aus Griechenland, die Mädchen rufen sie kurz: Paros. Ihre Mitspielerinnern haben zum Teil türkische, albanische, iranische oder kanadische Wurzeln. Ein paar kommen vom Bodensee oder aus Bielefeld. Eine echte Multikulti-Truppe eben - so wie viele Fußballmannschaften in Berlin nun mal sind.

Paraskewi Poras mit einem Fan des multikulturellen Fußballs: DFB-Präsident Theo Zwanziger (Foto: Al-Dersimspor)
Paraskewi Poras mit einem Fan des multikulturellen Fußballs: DFB-Präsident Theo ZwanzigerBild: Al-Dersimspor

Letzte Woche haben die Mädchen den Präsidenten des Deutschen Fußballbundes getroffen. Theo Zwanziger war eigens nach Berlin-Kreuzberg gekommen, um den Integrationspreis des Berliner Fußballverbands (BFV) zu überreichen.

Im sportlichen Alltag teilen nicht alle Zwanzigers Begeisterung für den multikulturellen Fußball. "Im Ramadan haben einige von uns gefastet", erinnert sich Paros, "und das Spiel wurde von beiden Mannschaften sehr aggressiv geführt. Da haben ein paar Zuschauer gewitzelt, was soll’s, die fasten. Die haben Hunger und sind deswegen so aggressiv." Die Mädchen haben mittlerweile gelernt, solche Sprüche zur überhören.

Ganze Palette an Ausgrenzungen

Der BFV schätzt die Zahl der Hauptstadtkicker mit Migrationshintergrund auf rund 40 Prozent. Die meisten entstammen der zweiten oder dritten Einwanderer-Generation. Sie sind echte Kreuzberger, Neuköllner oder Charlottenburger - im Kiez geboren und aufgewachsen. Das einzige, was sie von Nationalspielern wie Miroslav Klose, Lukas Podolski, Mesut Özil wirklich unterscheidet, ist das fußballerische Talent. Dennoch müssen sie sich immer wieder die Frage stellen: Gehöre ich wirklich dazu?

Die Palette der Ausgrenzungen reicht vom kulturellen Unverständnis bis hin zur Volksverhetzung. Paros spielt seit 1990 Frauenfußball und hat früher sogar in der Regionalliga gespielt. Die Fahrten in die ehemalige DDR empfand sie damals als besonders unangenehm. "In Magdeburg musste ich mir mal anhören. Geh zurück ins KZ, Du Scheiß-Türke! Dabei bin ich Griechin, aber das ist ja auch egal. Damals war ich noch jünger und hitzköpfiger und bin nach dem Spiel richtig ausgerastet."

Mit Pauschalisierung fängt es an

Der jüdische Fussball-Verein Makkabi Berlin blickt auf eine 100-jährige Geschichte zurück (Foto: DW)
Der jüdische Fussball-Verein Makkabi blickt auf eine 100-jährige Geschichte zurückBild: DW

Der jüdische Verein TUS Makkabi in Berlin-Charlottenburg ist seit mehr als 100 Jahren eine Institution in der Hauptstadt. "Bei uns spielt jüdisches Leben eine wichtige Rolle, aber jeder ist willkommen." Moshico Saban meint das genau so, wie er es sagt. "Wir haben Katholiken, Protestanten, Orthodoxe und natürlich auch Muslime. Der Unterschied ist nur, bei uns im Verein haben wir demnächst keine Weihnachts-, sondern eine Chanukkafeier."

Blöde Kommentare basieren häufig auf altbekannten Vorurteilen, wie dem, dass alle Juden viel Geld haben. "Wieso kann sich der Verein keinen besseren Platz leisten?" So etwas hat der 29-jährige Moshico schon häufig aufgeschnappt. "Mich stört diese Pauschalisierung massiv. Die Leute sprechen dann von dem Juden, dem Türken, oder dem Araber. Ich will nicht, dass jemand zu mir kommt: He, Jude! Ich gehe auch nicht hin und packe die Leute in eine Schublade."

Bittere Erfahrungen

Erwachsene Spieler wie Moshico haben häufig gelernt, mit plumpen Sprüchen umzugehen. Aber die bitteren Erfahrungen treffen auch Jugendliche und für die ist es schwieriger, damit klar zu kommen. "Mein direkter Gegenspieler flüsterte mir zu, dass meine Oma doch in Auschwitz gestorben sei und dass man aus ihren Knochen Seife gemacht habe. Natürlich ist auch ab und zu Scheiß Jude gefallen und nach dem Spiel haben einige von denen Hitlergrüße gezeigt."

Odi Zahavi, damals Jugendspieler bei TUS Makkabi, wird diesen Tag nie vergessen. "Meine Familie stammt aus Israel und ich habe tatsächlich Familienmitglieder, die im KZ waren. Natürlich fühlt man sich in solchen Situationen schlecht und fragt sich, was das soll."

Sperren und Ausschluss sind möglich

Niemand kann solche Erlebnisse ungeschehen machen, aber seit einigen Jahren rufen Fußballverbände dazu auf, derartige Auswüchse zu melden. Der Schiedsrichter damals wollte nichts gehört und nichts gesehen haben. Der BFV nahm Odi und seine Mitspieler dennoch sehr ernst, und wollte die Vorfälle in einer Verhandlung aufklären. Vor dem Verbandsgericht wartete Odi auf seinen Gegenspieler vergeblich, "dabei hätte ich zu gern gehört, was er dazu zu sagen hat." Zum Zeitpunkt der Verhandlung hatte der betroffene Verein die Mannschaft bereits aufgelöst.

Der Präsident des Berliner Fußballverbands, Bernd Schultz, stellt klar, dass Rassismus und Antisemitismus im Berliner Fußball keinen Platz haben. "Sperren und Punktabzüge sind möglich und wenn gar nichts hilft, schrecken wir auch nicht davor zurück, eine unverbesserliche Mannschaft vom Spielbetrieb auszuschließen."

Erst kürzlich war der Verband gefordert. Moshico stand mit seiner Mannschaft auf dem Platz, als der Fußball mal wieder in den Hintergrund gedrängt wurde. Ein neuer Makkabi-Spieler traf in dieser Partie zufällig auf seinen Ex-Verein. "Ein ehemaliger Mitspieler hat zu ihm gesagt, du bist zu den Juden gewechselt. Zwei, drei Minuten später hat er ihm während des laufenden Spiels einen verdeckten Schlag ins Gesicht gegeben und ihm das Nasenbein gebrochen. Das Spiel ist völlig eskaliert, und wir haben den Platz geschlossen verlassen, obwohl wir 1:0 zurücklagen."

Nicht mehr so schlimm wie vor fünf Jahren

Wenn so etwas auf den Sportplätzen geschieht, gibt es trotzdem noch Hoffnung auf ein friedliches Miteinander? Die betroffenen Spieler sind optimistisch und glauben fest an eine bessere Zukunft. Moshico hat beobachtet, dass es ist nicht mehr so extrem wie vor fünf, sechs Jahren ist.

Auch Paros sieht Licht am Ende des Tunnels: "Da hat sich viel verändert in den letzten Jahren. Es ist definitiv besser geworden. Außer in dem ein oder anderen Spiel, wo uns irgendwelche Dumpfbacken gegenüberstehen."

Diesen Dumpfbacken wollen die Betroffenen und die Verantwortlichen im Fußball entschlossen Grenzen aufzuzeigen. Darin besteht der ständige Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus im Fußball.

Autor: Philipp Büchner

Redaktion: Kay-Alexander Scholz