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Der Rat der Weisen

9. November 2011

Es war die Idee des Vaters des deutschen "Wirtschaftswunders", Ludwig Erhard, ein "Sachverständigengremium für Wirtschafts- und Sozialpolitik" ins Leben zu rufen. 1963 konnten die Experten ihre Arbeit aufnehmen.

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Ludwig Erhard mit Zigarre (Foto: AP)
Der Vater des Wirtschaftswunders hatte die IdeeBild: AP

Um es vorweg zu sagen: auch die fünf Spitzenforscher im Sachverständigenrat - respektvoll auch die "Wirtschaftsweisen" genannt - liegen mit ihren Vorhersagen manchmal ziemlich daneben. Der derzeitige Vorsitzende des Gremiums, Professor Wolfgang Franz, er ist Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, hat es einmal so formuliert: "Ich kann jedem nur raten, Konjunkturprognosen nicht blind zu vertrauen. Beim Wetterbericht tun Sie das ja auch nicht."

Eine Idee von Ludwig Erhard

Es war Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU) im Kabinett des damaligen Kanzlers Adenauer (CDU), der 1958 ein "Sachverständigengremium für Wirtschafts- und Sozialpolitik" vorschlug. Die "Wirtschaftswunderjahre", so der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser von der Universität Bielefeld, bescherten noch gutes Wachstum.

Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser (Foto: dpa)
Wirtschaftshistoriker Werner AbelshauserBild: picture-alliance/ dpa

In dieser Zeit war es noch selbstverständlich, dass das Wirtschaftswachstum "vom Himmel fiel", sagt Abelshauer. Aber ein Ende sei schon abzusehen gewesen: "Die besonderen Wachstumsbedingungen der Nachkriegszeit, die waren vorüber. Und nun wuchs der Druck auf das Wirtschaftsministerium, auf den Bundeswirtschaftsminister Erhard, seine Wirtschaftspolitik etwas professioneller, etwas mehr dem "State of the Art", also den Praktiken der professionellen Ökonomie zu öffnen." Und diese Rolle sollte der Sachverständigenrat einnehmen. "Übrigens nach amerikanischem Modell", fügt der Wirtschaftshistoriker hinzu.

"Leitplanke" für die Wirtschaftspolitik

Lange Diskussionen gab es damals. Als aber zu Beginn der 1960er Jahre die Sorgen um die Preisstabilität wegen des rasanten Wirtschaftsaufschwungs und steigender Löhne zunahmen, griff Ludwig Erhard erneut das Thema auf. Entgegen seiner Überzeugung.

Ludwig Erhard war ein Verfechter der freien Marktwirtschaft. Und so war die Etablierung des ersten Sachverständigenrates nicht einfach gewesen, sagt Professor Abelshauser: "Und zwar deswegen, weil Erhard der Meinung war, gute Wirtschaftspolitik würde sich vor allem daran zeigen, dass der Wirtschaftsminister wenig interveniert, dass er dem Markt sozusagen freien Lauf lässt." Der Vater des Wirtschaftswunders habe erst mühsam davon überzeugt werden müssen, "dass es sehr wohl sinnvoll ist, planende Überlegungen anzustellen, um der Wirtschaftspolitik sozusagen ein Geländer, eine Leitplanke zu geben."

Fünf Weise – eine Meinung?

Die fünf Wirtschaftsweisen waren und sind sich durchaus nicht immer einig. Häufig knirscht es im Gebälk. Das liegt nicht zuletzt auch an der Zusammensetzung. Die Mitglieder werden auf Vorschlag der jeweiligen Bundesregierung für fünf Jahren berufen. Tradition ist es, dass die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaften jeweils ein Mitglied benennen.

Der Sachverständigenrat übergibt 2008 das Gutachten an die Regierung (Foto: AP)
2008 nahmen Vertreter der Großen Koalition das Gutachten entgegenBild: AP

Der derzeitige Vorsitzende des Rates, ZEW-Chef Wolfgang Franz, gilt als überzeugter Marktwirtschaftler, als Reformer. Neben Beatrice Weder di Mauro (Uni Mainz), Lars Feld (Uni Freiburg), Christoph Schmidt (Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung) sorgt Peter Bofinger (Uni Würzburg) nicht selten für Schlagzeilen. Er hat schon mehrfach auch in den Gutachten eine andere Position vertreten. Jüngst trat er angesichts der erwarteten Wirtschaftsflaute für kräftige Lohnerhöhungen ein. Bofinger ist auf Vorschlag der Gewerkschaften in den Rat eingezogen.

Mit einer Stimme haben die fünf Wirtschaftsweisen allerdings im Sommer dieses Jahres gesprochen: da setzten sie sich für einen Schuldenschnitt für Griechenland ein - und zwar von 50 Prozent.

Autorin: Monika Lohmüller
Redaktion: Henrik Böhme